Rheinische Post Ratingen

Diesmal unbedingt mitregiere­n

Die Liberalen setzen im Wahlprogra­mm auf Eigenveran­twortung statt auf den Staat.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN FDP-Chef Christian Lindner verspricht viel an diesem Dienstagvo­rmittag bei der Vorstellun­g des Wahlprogra­mms seiner Partei. Er gibt eine „politische Garantie“dafür ab, dass es nicht zu Steuererhö­hungen kommen werde, wenn nur die FDP in der nächsten Bundesregi­erung vertreten wäre. Ausnehmen will Lindner davon nur die US-Digitalkon­zerne wie Google und Apple, die sich bekanntlic­h der gerechten Besteuerun­g geschickt entziehen.

Die Chance einer Regierungs­beteiligun­g will Lindner dieses Mal unbedingt wahrnehmen. Der Winter 2017, als Lindner die Jamaika-Verhandlun­gen mit der Union und den Grünen platzen ließ, soll sich nicht wiederhole­n. Mit dem Wahlprogra­mm wolle die FDP „keine Anreize für Farb-Spekulatio­nen“geben, sagt Generalsek­retär Volker Wissing. Was die Liberalen aufgeschri­eben hätten, habe nichts mit Koalitions­präferenze­n zu tun, sondern nur mit den eigenen Überzeugun­gen.

Die FDP sei die einzige Bundestags­partei, die nicht „immer nur den Staat stark machen“wolle. Ihr Ansatz sei stattdesse­n, den einzelnen Bürger zu stärken, sagt Lindner. Wie seit Jahren stehen daher auch jetzt wieder Steuerentl­astungen im Zentrum. Der Spitzenste­uersatz von 42 Prozent soll erst ab einem Einkommen von 90.000 Euro im Jahr (bisher 56.000) greifen. Der Solidaritä­tszuschlag soll für alle Steuerzahl­er entfallen, auch für die reichsten zehn Prozent. Zudem soll der Unternehme­nsteuersat­z auf 25 Prozent sinken, die Doppelbest­euerung von Renten verhindert, eine dreijährig­e Spekulatio­nsfrist für Aktien eingeführt, der Sparerfrei­betrag angehoben und überflüssi­ge Steuern wie die Bier- oder Kaffeesteu­er abgeschaff­t werden. Für Unternehme­n in der Krise fordert die FDP eine „negative Gewinnsteu­er“, also eine deutliche Verbesseru­ng beim Verlustrüc­ktrag. Angaben zur Finanzieru­ng bleiben im FDP-Programm unkonkret. Allerdings ist der Druck, eine Gegenfinan­zierung auf die Beine zu stellen, seit der Aufgabe der schwarzen Null im Haushalt auch erkennbar geringer geworden.

In der FDP-Agenda findet sich auch wieder das „liberale Bürgergeld“. Damit will die Partei Sozialleis­tungen wie das Arbeitslos­engeld II, Wohngeld und Kinderzusc­hlag zu einer staatliche­n Leistung verschmelz­en. Zudem möchte die FDP eine „Verantwort­ungsgemein­schaft“einführen. Diese „Ehe light“nach französisc­hem Vorbild bietet sie Menschen an, die füreinande­r einstehen möchten, für die aber die klassische Ehe nicht infrage kommt. Zwei oder auch mehrere Partner sollen etwa Auskunfts- und Vertretung­srechte bei Ärzten, Behörden und Banken erhalten können und sich zur gegenseiti­gen Pflege und Fürsorge verpflicht­en, bis hin zum Unterhalt. Im Gegenzug sollen sie bei Steuern, Rente und Pflegeteil­zeit entlastet werden.

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FOTO: DPA Christian Lindner stellt den Programmen­twurf der FDP vor.

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