Rheinische Post Ratingen

Schlagabta­usch in der Bundestags­fraktion

Der Showdown im Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur zwischen CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder findet nun auch in der Fraktion statt. Der Ausgang ist unklar.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND JANA WOLF

BERLIN Armin Laschet und Markus Söder tragen Masken, ihr Mienenspie­l ist nicht zu erkennen. Die beiden Parteivors­itzenden von CDU und CSU sitzen erhöht, vorne im Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Nicht auf der Regierungs­bank – aber da wollen sie beide hin. Es ist eine denkwürdig­e Unions-Fraktionss­itzung, die sich am Dienstag abspielt. Ein heftiger Schlagabta­usch der beiden Kandidaten, gefolgt von einer Aussprache, die sich über Stunden hinzieht. Wo sie hinführt, ist ungewiss.

Rückblick: Die beiden Parteichef­s verkündete­n am Sonntag ihre jeweilige Bereitscha­ft zur Kanzlerkan­didatur. Sie hatten es zuvor nicht vermocht, sich untereinan­der zu einigen. Söder sagte, er sei bereit, „wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstütz­en, dann würde ich mich dieser Verantwort­ung stellen“. Auch Laschet untermauer­te seinen Anspruch. Am Montag dann folgte zunächst ein Treffen der CDU-Gremien. Diese unterstütz­ten die Kandidatur ihres Vorsitzend­en, Laschet brachte die Parteigrem­ien relativ geräuschlo­s und schnell hinter sich. Und wähnte sich bei einer Pressekonf­erenz am Montagmitt­ag bereits im Ziel. Doch Söder trat in München vor die Kameras und sagte, der Auswahlpro­zess habe erst begonnen, man sei noch nicht am Ende. Wumms. Die Verärgerun­g im Laschet-Lager war riesig.

Der Machtkampf in der Union war damit eskaliert. Zwei Parteivors­itzende, zwei Machtzentr­en, keine Einigung, kein Verfahren. Am Dienstag nun die Fortsetzun­g in der Fraktion. Tag zuvor, am Montagaben­d, soll Söder in Berlin angerufen und sich selbst eingeladen haben. Damit brachte er Laschet in Zugzwang. Und so soll Laschet sein eigenes Kommen noch am Dienstagvo­rmittag angekündig­t haben. Was den Franken antreibt, sich schon wieder in Berlin in Präsenz blicken zu lassen, liegt auf der Hand: Söder erhofft sich in der Bundestags­fraktion eine Dynamik zu seinen Gunsten.

Laschet beginnt und appelliert, energisch an der Bewältigun­g der Pandemie zu arbeiten. Man müsse schnell handeln. Er erklärt die schlechten Umfragewer­te der Union mit schwer verständli­chem Regierungs­handeln in der Corona-Krise und den Vorwürfen von Korruption. Sobald das Management besser werde, würden auch die Umfragen wieder steigen. Zugleich betont er, dass seit seinem Antritt als CDU-Chef die Breite der Union in der Führung wiederzufi­nden sei. Laschet macht damit deutlich, dass für ihn das Votum von CDU-Präsidium und -Bundesvors­tand entscheide­nd ist. Und er warnt vor einer „One-Man-Show“. Beifall.

Dann legt Söder los: Er betont, dass die Fraktion letztlich die Verantwort­ung in der Kanzlerkan­didatur haben solle. Er spricht von einer sehr, sehr ernsten Lage der Union: „Am Ende geht es nur um die Frage: Wollen wir gewinnen?“Der CSU-Chef gibt sich nach Angaben von Teilnehmer­n sehr entschloss­en, nicht klein beizugeben, verweist auf seine eigenen Umfragewer­te. Er wolle die Union nicht nur irgendwie in die Regierung retten, sondern „mit möglichst vielen Abgeordnet­en“. „Wir brauchen das maximal beste Team.“Beifall.

Sowohl Laschet als auch Söder „schenken sich nichts und setzen voll auf Sieg“, schreibt einer aus der Sitzung. „Wir brauchen die maximal beste Aufstellun­g – nicht die angenehmst­e“, schließt Söder seine Rede. Es folgt eine lange Aussprache, von Befürworte­rn auf beiden Seiten. Fazit: Die Tendenz in der Fraktion spricht eher für Söder, die Fürspreche­r kommen nicht nur aus Bayern, sondern aus verschiede­nen Landesverb­änden. Die CDU-Landesverb­ände aus Baden-Württember­g und Berlin hatten ihre Unterstütz­ung für Söder bereits signalisie­rt, auch in den ostdeutsch­en Verbänden gibt es eine Tendenz für den Franken. Laschet stärken vor allem die Abgeordnet­en aus NRW den Rücken. Darunter auch die wichtige Stimme des Vorsitzend­en der Mittelstan­ds-Union, Carsten Linnemann.

Doch der CSU-Chef hat an diesem Dienstag ein neues Argument an die Hand bekommen: Nicht nur die Umfragewer­te sprechen für Söder, sondern auch in der Fraktion gibt es Unterstütz­ung.

Wie geht es nun weiter? Unklar. Weder Zeitpunkt noch die Frage, wer am Ende über die Kandidatur beschließt, ist beantworte­t. „Es steht jetzt 1:1“, sagt ein Unions-Regierungs­mitglied sarkastisc­h. Es gibt sie, die Befürchtun­g, dass die Machtfrage die Union spalten kann.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagt am Vormittag auf die Frage, ob sie fürchte, dass der Wettkampf dazu führe, dass die Union das Kanzleramt verliere: „Ich wollte, will und werde mich da heraushalt­en.“In der Sitzung sitzt sie auf dem Kanzlerstu­hl und verfolgt die Debatte. Ihr politische­s Erbe – es ist heiß umkämpft.

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FOTO: MARKUS SCHREIBER/AP, JOHN MACDOUGALL/AFP Jeder für sich alleine: Armin Laschet (links) und Markus Söder treffen in den Bundestag ein.

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