„Die Fans wollen nicht am Montag kommen“
Der Chef der Deutschen Eishockey-Liga spricht über Zukunftspläne und mahnt die Vereine, vorsichtig zu kalkulieren.
DÜSSELDORF Im Sommer schien die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) der große Corona-Verlierer zu sein. Der Saisonstart wurde zweimal verschoben, Klubs und Spieler stritten um einen Gehaltsverzicht. Bis auf eines konnten alle Spiele stattfinden.
Herr Tripcke, waren die Sorgen um die Zukunft des deutschen Eishockeys im Sommer übertrieben? GERNOT TRIPCKE Ich glaube nicht, dass sie übertrieben waren. Wir haben natürlich sehr lange gewartet mit dem Saisonstart, aber ich glaube nicht, dass wir eine längere oder frühere Saison so gut hätten steuern können. Wir hatten die Parameter vor Anfang November nicht zusammen, gerade was Kostenreduzierung im Spielerbereich angeht, Zusagen von Sponsoren und Gesellschaftern und natürlich die Fördermittel. Hoffentlich kriegen wir auch die letzten vier Wochen über die Bühne. Danach sind wir auch froh, wenn die Saison vorbei ist.
Die DEL hat kaum Corona-Fälle. Hatten Sie einfach Glück oder das bessere Konzept als andere Ligen? TRIPCKE Wahrscheinlich beides. Natürlich haben Dinge drumherum geholfen, zum Beispiel, dass das öffentliche Leben seit November relativ still steht. Auch dass die Kinder der Spieler nicht in Schule oder Kita waren oder die Familie von manch ausländischem Spieler nicht nachkam. Intern waren es die Disziplin der Spieler, der Trainer, der Betreuer, der Schiedsrichter und die engmaschige Teststrategie. Die paar Fälle, die wir hatten, konnten wir früh rausfiltern. Ob wir es besser machen als andere? Wir haben sicherlich ein strengeres Testregime als einige andere Eishockey-Ligen in Europa oder untere Ligen hier. Ich glaube, nicht mal die NHL testet so streng wie wir.
Stand jetzt hat es sich gelohnt. Die Saison läuft durch, die Fans blieben treu, was die Verdoppelung der TV-Zahlen zeigt. Hat das das Zuschauerverbot etwas aufgefangen oder rechnen Sie weiter mit 60 Millionen Euro Verlust?
TRIPCKE Ich befürchte sogar mehr.
Durch die TV-Zahlen bleiben die Sponsoren zwar im besten Fall dabei, aber sie zahlen ja nicht mehr, weil sie die doppelte Reichweite haben. Wir kriegen auch nicht mehr TV-Geld. Die 60 Millionen bezogen sich auf die Stadionzuschauer, die zwischen 50 und 80 Prozent der Erlöse ausmachen. Die sind diese Saison halt weg – ob doppelt so viele Menschen einschalten oder nicht.
Die DEL sieht dieses Jahr anders aus: zwei Gruppen, jeden Tag Spiele. Gibt es etwas, was dauerhaft bleiben könnte?
TRIPCKE Schwierig. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht. Aber immer mit dem Hintergedanken, dass das Dinge sind, die wir nicht machen können, wenn wir wieder eine normale Saison mit Zuschauereinnahmen absehen können. Natürlich ist es strategisch gut, Spieltage auseinander zu ziehen, aber wenn es gesundheitlich geht, dass wir die Fans zurückgewinnen, müssen wir uns nach ihnen richten. Die Fans wollen halt nicht am Montag kommen. Man muss so etwas dosiert machen, wir wollen keine Diskussion haben, wie sie der Fußball um die Montagsspiele hatte.
Schauen wir aufs Sportliche: Köln, Düsseldorf und Krefeld stehen aktuell unten. Was ist los mit dem rheinischen Eishockey?
TRIPCKE Gute Frage. Natürlich sind das Klubs, die im Sommer Probleme hatten, vor allem in Krefeld und Köln. Andere Teams sind auch nicht so zuschauerabhängig. Trotzdem kann das nicht der Anspruch sein. Aber so ist der Sport. Natürlich ist es schade, wenn vielleicht alle drei Traditionsklubs die Play-offs verpassen. Der Westen hat eine riesige Eishockey-Tradition. Da kann man nur hoffen, dass der ein oder andere zumindest wieder ein sicherer Play-off-Kandidat wird. Das große Fanaufkommen ist für uns auch vermarktungstechnisch wichtig.
Krefelds Trainer Clark Donatelli sagt in der „Eishockey News“, die Pinguine würden bald um den Titel spielen. Fürchtet das Ligabüro, dass wieder das große Geldausgeben losgeht?
TRIPCKE Wir fürchten nicht, aber wir warnen davor. Wir haben für die Lizenzprüfung Ende Mai Vorgaben gemacht, um die Klubs vor sich selber zu schützen. Zum Glück ist es dieses Jahr etwas einfacher, weil es weniger alte Verträge gibt, die nachverhandelt werden müssten.
Es gibt auch kaum neue Verträge… TRIPCKE Als letztes Jahr Corona kam, waren im Schnitt 80 bis 90 Prozent der Kaderplätze vergeben, jetzt sind es vielleicht 50 Prozent. Für den Zuschauerbereich kann man aktuell eigentlich nicht mit mehr als staatlichen Hilfen rechnen, alles andere wäre kaufmännisch gefährlich. Also kann man aktuell weniger oder nur einnahmebezogene Verträge abschließen. Das ist unbefriedigend für alle, aber ich kann nichts garantieren, wenn ich noch nicht weiß, wie ich es wieder reinkriege. Die Klubs müssen vorsichtig kalkulieren.
Was kann die Liga tun, damit das auch wirklich geschieht?
TRIPCKE Wir werden in der Lizenzprüfung sagen: „Bevor ihr das Geld ausgebt, wo kommt es her? Und mit Fans oder Fördermitteln könnt ihr nur sehr bedingt rechnen.“Aber wenn jemand meint, jetzt schon Geld ausgeben zu müssen, muss der Gesellschafter das eben absichern.
Auch über Altverträge muss wieder gesprochen werden. Aber die Spielervereinigung fordert, dass nächste Saison voll gezahlt wird. Droht ein neuer Konflikt?
TRIPCKE Rechtlich hat sie recht, aber ich weiß nicht, ob sich ein Spieler einen Gefallen tut, darauf zu pochen. Wenn das alle machen und der Klub dann halt gar nicht oder nur mit zwei Reihen Profis und sonst mit Junioren spielen kann, ist das ein Pyrrhussieg. Es ist eine Frage der Kommunikation zwischen Klub und Spieler. Da kann jetzt keiner einseitig sagen, du musst verzichten. Aber der Spieler sollte auch gucken, ob es sich lohnt, auf seiner Rechtsposition zu beharren, wenn der Klub dadurch nicht wettbewerbsfähig ist. Umso mehr, als nächste Saison ein Absteiger ausgespielt werden soll.
Bleibt die Frage, wer wird Meister? TRIPCKE Da man nur zwei und nicht vier Siege zum Weiterkommen braucht, können Tagesform oder Glück eine größere Rolle spielen als sonst. Für den neutralen Fan ist die Spannung so hoch wie nie. Es würde mich nicht überraschen, wenn aufgrund des Modus’ einer Meister wird, den vor der Saison keiner auf dem Zettel hatte.