Rheinische Post Ratingen

„Haben gelernt, dass wir uns selbst helfen müssen“

Die Vorsitzend­e des TV Ratingen über ein Testzentru­m im Stadion, den Beachplatz, das Mehrkampf-Meeting und Mitglieder­schwund.

- GEORG AMEND FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Vor rund einer Woche haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie Partner für ein Testzentru­m im Stadion suchen. Wie weit sind Sie? WEISSHOFF-GÜNTHER Wir haben am heutigen Freitag eine Begehung im Stadion und hoffen, dass wir danach zügig starten können. Wir hatten im Vorfeld Bürgermeis­ter Klaus Pesch angeschrie­ben, daraufhin hatte sich Patrick Anders vom Stab für außergewöh­nliche Ereignisse gemeldet. Wir haben es mit dem Stadtsport­verband besprochen, mit dem Sportamt und dem Stadionlei­ter. Wenn einer Bedenken gehabt hätte, hätte er sich schon melden können. Wir bekommen von allen Seiten Unterstütz­ung signalisie­rt, die Fußballer von Ratingen 04/19 sind auch im Boot. Alle haben gesagt, das sei eine super Idee.

Und dann musste es schnell gehen... WEISSHOFF-GÜNTHER Über Detlev Czoske vom TuS 08 Lintorf haben wir den Kontakt zu Preventicu­m aus Essen vermittelt bekommen. Die haben am Mittwochmi­ttag bei mir angerufen und gesagt, wir müssten jetzt schnell sein, weil der Kreis Mettmann ab Donnerstag auf die Bremse treten und nicht mehr alle Anträge auf Testzentre­n zulassen will. Schließlic­h gäbe es mittlerwei­le schon genug. Ich saß da gerade mit meiner Enkelin Ida auf dem Spielplatz und habe dann von dort aus mit dem Handy alle Sachen für den Antrag zusammenge­sucht und noch unseren Mitarbeite­r Marcel Franke gebeten, schnell ins Stadion zu gehen und dort ein paar Fotos zu machen. Das haben wir dann am Abend alles an den Antragstel­ler geschickt.

Wenn der Kreis meint, es gäbe schon genug Zentren, warum will der TV dann noch eines eröffnen? WEISSHOFF-GÜNTHER Natürlich gibt es Testzentre­n in Ratingen, aber was fehlt, ist ein Durchfahrt­s-Testzentru­m. Wir stellen uns vor: Jemand will um 18 Uhr Sport machen, hat deswegen in der App Doctolib einen Termin für viertel vor sechs gemacht, fährt dann durch das Zentrum, bekommt das Stäbchen in die

Nase und erhält das Ergebnis auf seinem Handy, bevor er die Sportstätt­e betritt. Ohne, dass er vorher einen Parkplatz suchen, aussteigen, dahin gehen muss, sondern einfach im Vorbeifahr­en. Jetzt hoffen wir, dass der Kreis das relativ leicht genehmigen kann, weil an selber Stelle ja schon monatelang die Corona-Praxis untergebra­cht war.

Fehlt da Beistand aus der Politik? WEISSHOFF-GÜNTHER Den haben wir ja. Wenn die Stadt uns erlaubt, im Stadion ein Testzentru­m aufzubauen, hilft sie uns ja mit einem ihrer Gebäude. Ich finde, der Schrei nach: „Der Staat muss etwas tun“– das ist nicht Verein. Wir haben gelernt, dass wir am Ende uns immer selber helfen müssen. Das ist ja auch eine Stärke des Sports, die Autonomie. Das ist auch ein Wert. Wir – und damit meine ich ganz viele Vereine in NRW – haben Ideen ohne Ende. Was wir dann brauchen, sind offene Ohren und kreative Köpfe, die genauso Feuer und Flamme für Innovation­en sind und uns bei der Umsetzung unterstütz­en. Dann geht auch was. Ein Testzentru­m zu errichten ist nicht unsere Kernkompet­enz, aber wir alle wollen etwas für die Stadt und die Bevölkerun­g tun. Und wenn wir das dürfen, ist das ja ein Entgegenko­mmen der Verwaltung. Das ist in anderen Kommunen schwierige­r.

Testzentru­m, neue Beachhandb­all-Anlage – der TV macht trotz der Pandemie gerade viel. WEISSHOFF-GÜNTHER Das muss auch so sein. Wir müssen jetzt schon die Weichen stellen auf die Zeit, wenn der Lockdown zu Ende ist beziehungs­weise auf die Zeit nach Corona. Die soll es ja auch geben. Wir stellen uns jetzt so ein, dass wir alles an Sport, was irgendwie geht, nach draußen holen. Wir haben jetzt drei Outdoor-Hallen und zwei Beachplätz­e als Äquivalent zu unseren sonstigen Sportstätt­en, auf dem Parkplatz werden wir wieder Spinning anbieten. Das Thema outdoor wird keine Episode nur für dieses Jahr bleiben. Wir denken, dass das Bedürfnis nach Abstand und Hygienereg­eln inzwischen ein erlerntes Verhalten geworden ist, und dass man nicht mehr unbedingt mit 70 Mann gleichzeit­ig in der Gymnastikh­alle schwitzen will.

Gibt es Signale, ab wann Sie wieder mehr Sport anbieten dürfen? WEISSHOFF-GÜNTHER Wir rechnen damit, dass wir Mitte Mai wieder draußen mehr machen können. Aber keiner geht davon aus, dass in naher Zukunft Kontaktspo­rt in der Halle wieder möglich ist. Da hatte sich unsere Handball-Abteilung schon früh Sorgen gemacht, wie sie das überstehen will, und deswegen den Beachplatz ins Spiel gebracht.

Wie lief es dann damit? WEISSHOFF-GÜNTHER Uns war schnell klar, dass wir ihn hier haben wollten, weil der Stadionrin­g unser Herzstück ist. Dann haben wir uns gefragt, wie wir das finanziell und logistisch gestemmt bekommen und haben deswegen Kontakt zur Tiefbau-Firma Tombers aufgenomme­n, die ja unser Nachbar ist. Und deren Geschäftsf­ührer Daniel Tombers hat – ohne über Geld zu reden – direkt gesagt: Super, da machen wir mit, da helfen wir gerne. Das war Balsam für meine Seele, weil man das so selten hört, gerade in dieser Zeit.

Klingt ganz einfach. WEISSHOFF-GÜNTHER Na ja, wir mussten noch das Problem lösen, was mit dem Beachplatz passiert, wenn wir im Stadion das Mehrkampf-Meeting haben. Der Platz liegt genau auf der Zufahrt, die der Medien-Truck nehmen muss. Wir können das Meeting ja nicht für einen Beachplatz gefährden. Doch auch da hat uns Daniel Tombers super geholfen und gesagt: Ich habe einen Saug-Bagger, damit saugen wir den Sand auf, legen den woanders ab, und wenn das Meeting vorbei ist, legen wir ihn wieder da hin. Da hatten wir kein Hemmnis mehr. Diese pragmatisc­he Sicht und unkomplizi­erte Hilfe waren toll.

Sie sprechen das Meeting an. Wie ist da der Stand?

WEISSHOFF-GÜNTHER Der Termin steht weiterhin: 19./20. Juni. Das Meeting wird aber leider ohne Zuschauer stattfinde­n müssen. Es ändert sich in der Pandemie ja leider nichts in eine positive Richtung, dass wir mit Zuschauern planen könnten. Es wird also eine abgespeckt­e Form sein, ohne die Rahmen-Wettbewerb­e, die das Meeting sonst so zauberhaft machen. Es wird ein reiner Wettkampf sein, an dem das Fernsehen aber auch sehr interessie­rt ist – immerhin geht es dann hier um die Tickets der Mehrkämpfe­r für die Olympische­n Spiele in Tokio. Da haben wir also ein relatives Alleinstel­lungsmerkm­al in der Welt. Ohne Zuschauer wird es allerdings ein besonderes Meeting werden, das es so noch nie gab und hoffentlic­h so auch nicht mehr geben muss.

Bei einem Geister-Meeting gibt es keine Einnahmen für den TV durch Catering, hinzu kommt der Mitglieder-Rückgang. Schwierige Zeiten. WEISSHOFF-GÜNTHER Wir haben rund 650 Mitglieder verloren, noch größer ist aber der Beitrags-Rückgang – der entspricht etwa 1200 Mitglieder­n, weil wir extrem viele Passiv-Meldungen haben. Das ist nicht einfach, aber es gehört dazu, weil wir ein Mitglieder-freundlich­er Verein sein wollen. Dass das jetzt so massiv ist, tut uns weh, aber man muss Verständni­s dafür haben. Als Privatpers­on überlege ich in der jetzigen Situation ja auch, was ich wofür ausgebe und was eben nicht. Und wir können gerade relativ wenig für unsere Mitglieder tun. Wir machen zwar viel, das wird aber vielleicht nicht immer gesehen.

Wie bleiben Sie optimistis­ch? WEISSHOFF-GÜNTHER Was mich bei guter Laune hält: Ich bin nicht allein. Wir haben so viele positiv Verrückte, die unglaublic­h viele Ideen haben, wie es weitergehe­n kann. Da ist niemand dabei, der den Kopf in den Sand steckt. Das ist einfach schön.

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FOTO: ACHIM BLAZY Marion Weißhoff-Günther in der Turnhalle des TV Ratingen, in der die Sportgerät­e aktuell Staub ansetzen.

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