„Haben gelernt, dass wir uns selbst helfen müssen“
Die Vorsitzende des TV Ratingen über ein Testzentrum im Stadion, den Beachplatz, das Mehrkampf-Meeting und Mitgliederschwund.
Vor rund einer Woche haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie Partner für ein Testzentrum im Stadion suchen. Wie weit sind Sie? WEISSHOFF-GÜNTHER Wir haben am heutigen Freitag eine Begehung im Stadion und hoffen, dass wir danach zügig starten können. Wir hatten im Vorfeld Bürgermeister Klaus Pesch angeschrieben, daraufhin hatte sich Patrick Anders vom Stab für außergewöhnliche Ereignisse gemeldet. Wir haben es mit dem Stadtsportverband besprochen, mit dem Sportamt und dem Stadionleiter. Wenn einer Bedenken gehabt hätte, hätte er sich schon melden können. Wir bekommen von allen Seiten Unterstützung signalisiert, die Fußballer von Ratingen 04/19 sind auch im Boot. Alle haben gesagt, das sei eine super Idee.
Und dann musste es schnell gehen... WEISSHOFF-GÜNTHER Über Detlev Czoske vom TuS 08 Lintorf haben wir den Kontakt zu Preventicum aus Essen vermittelt bekommen. Die haben am Mittwochmittag bei mir angerufen und gesagt, wir müssten jetzt schnell sein, weil der Kreis Mettmann ab Donnerstag auf die Bremse treten und nicht mehr alle Anträge auf Testzentren zulassen will. Schließlich gäbe es mittlerweile schon genug. Ich saß da gerade mit meiner Enkelin Ida auf dem Spielplatz und habe dann von dort aus mit dem Handy alle Sachen für den Antrag zusammengesucht und noch unseren Mitarbeiter Marcel Franke gebeten, schnell ins Stadion zu gehen und dort ein paar Fotos zu machen. Das haben wir dann am Abend alles an den Antragsteller geschickt.
Wenn der Kreis meint, es gäbe schon genug Zentren, warum will der TV dann noch eines eröffnen? WEISSHOFF-GÜNTHER Natürlich gibt es Testzentren in Ratingen, aber was fehlt, ist ein Durchfahrts-Testzentrum. Wir stellen uns vor: Jemand will um 18 Uhr Sport machen, hat deswegen in der App Doctolib einen Termin für viertel vor sechs gemacht, fährt dann durch das Zentrum, bekommt das Stäbchen in die
Nase und erhält das Ergebnis auf seinem Handy, bevor er die Sportstätte betritt. Ohne, dass er vorher einen Parkplatz suchen, aussteigen, dahin gehen muss, sondern einfach im Vorbeifahren. Jetzt hoffen wir, dass der Kreis das relativ leicht genehmigen kann, weil an selber Stelle ja schon monatelang die Corona-Praxis untergebracht war.
Fehlt da Beistand aus der Politik? WEISSHOFF-GÜNTHER Den haben wir ja. Wenn die Stadt uns erlaubt, im Stadion ein Testzentrum aufzubauen, hilft sie uns ja mit einem ihrer Gebäude. Ich finde, der Schrei nach: „Der Staat muss etwas tun“– das ist nicht Verein. Wir haben gelernt, dass wir am Ende uns immer selber helfen müssen. Das ist ja auch eine Stärke des Sports, die Autonomie. Das ist auch ein Wert. Wir – und damit meine ich ganz viele Vereine in NRW – haben Ideen ohne Ende. Was wir dann brauchen, sind offene Ohren und kreative Köpfe, die genauso Feuer und Flamme für Innovationen sind und uns bei der Umsetzung unterstützen. Dann geht auch was. Ein Testzentrum zu errichten ist nicht unsere Kernkompetenz, aber wir alle wollen etwas für die Stadt und die Bevölkerung tun. Und wenn wir das dürfen, ist das ja ein Entgegenkommen der Verwaltung. Das ist in anderen Kommunen schwieriger.
Testzentrum, neue Beachhandball-Anlage – der TV macht trotz der Pandemie gerade viel. WEISSHOFF-GÜNTHER Das muss auch so sein. Wir müssen jetzt schon die Weichen stellen auf die Zeit, wenn der Lockdown zu Ende ist beziehungsweise auf die Zeit nach Corona. Die soll es ja auch geben. Wir stellen uns jetzt so ein, dass wir alles an Sport, was irgendwie geht, nach draußen holen. Wir haben jetzt drei Outdoor-Hallen und zwei Beachplätze als Äquivalent zu unseren sonstigen Sportstätten, auf dem Parkplatz werden wir wieder Spinning anbieten. Das Thema outdoor wird keine Episode nur für dieses Jahr bleiben. Wir denken, dass das Bedürfnis nach Abstand und Hygieneregeln inzwischen ein erlerntes Verhalten geworden ist, und dass man nicht mehr unbedingt mit 70 Mann gleichzeitig in der Gymnastikhalle schwitzen will.
Gibt es Signale, ab wann Sie wieder mehr Sport anbieten dürfen? WEISSHOFF-GÜNTHER Wir rechnen damit, dass wir Mitte Mai wieder draußen mehr machen können. Aber keiner geht davon aus, dass in naher Zukunft Kontaktsport in der Halle wieder möglich ist. Da hatte sich unsere Handball-Abteilung schon früh Sorgen gemacht, wie sie das überstehen will, und deswegen den Beachplatz ins Spiel gebracht.
Wie lief es dann damit? WEISSHOFF-GÜNTHER Uns war schnell klar, dass wir ihn hier haben wollten, weil der Stadionring unser Herzstück ist. Dann haben wir uns gefragt, wie wir das finanziell und logistisch gestemmt bekommen und haben deswegen Kontakt zur Tiefbau-Firma Tombers aufgenommen, die ja unser Nachbar ist. Und deren Geschäftsführer Daniel Tombers hat – ohne über Geld zu reden – direkt gesagt: Super, da machen wir mit, da helfen wir gerne. Das war Balsam für meine Seele, weil man das so selten hört, gerade in dieser Zeit.
Klingt ganz einfach. WEISSHOFF-GÜNTHER Na ja, wir mussten noch das Problem lösen, was mit dem Beachplatz passiert, wenn wir im Stadion das Mehrkampf-Meeting haben. Der Platz liegt genau auf der Zufahrt, die der Medien-Truck nehmen muss. Wir können das Meeting ja nicht für einen Beachplatz gefährden. Doch auch da hat uns Daniel Tombers super geholfen und gesagt: Ich habe einen Saug-Bagger, damit saugen wir den Sand auf, legen den woanders ab, und wenn das Meeting vorbei ist, legen wir ihn wieder da hin. Da hatten wir kein Hemmnis mehr. Diese pragmatische Sicht und unkomplizierte Hilfe waren toll.
Sie sprechen das Meeting an. Wie ist da der Stand?
WEISSHOFF-GÜNTHER Der Termin steht weiterhin: 19./20. Juni. Das Meeting wird aber leider ohne Zuschauer stattfinden müssen. Es ändert sich in der Pandemie ja leider nichts in eine positive Richtung, dass wir mit Zuschauern planen könnten. Es wird also eine abgespeckte Form sein, ohne die Rahmen-Wettbewerbe, die das Meeting sonst so zauberhaft machen. Es wird ein reiner Wettkampf sein, an dem das Fernsehen aber auch sehr interessiert ist – immerhin geht es dann hier um die Tickets der Mehrkämpfer für die Olympischen Spiele in Tokio. Da haben wir also ein relatives Alleinstellungsmerkmal in der Welt. Ohne Zuschauer wird es allerdings ein besonderes Meeting werden, das es so noch nie gab und hoffentlich so auch nicht mehr geben muss.
Bei einem Geister-Meeting gibt es keine Einnahmen für den TV durch Catering, hinzu kommt der Mitglieder-Rückgang. Schwierige Zeiten. WEISSHOFF-GÜNTHER Wir haben rund 650 Mitglieder verloren, noch größer ist aber der Beitrags-Rückgang – der entspricht etwa 1200 Mitgliedern, weil wir extrem viele Passiv-Meldungen haben. Das ist nicht einfach, aber es gehört dazu, weil wir ein Mitglieder-freundlicher Verein sein wollen. Dass das jetzt so massiv ist, tut uns weh, aber man muss Verständnis dafür haben. Als Privatperson überlege ich in der jetzigen Situation ja auch, was ich wofür ausgebe und was eben nicht. Und wir können gerade relativ wenig für unsere Mitglieder tun. Wir machen zwar viel, das wird aber vielleicht nicht immer gesehen.
Wie bleiben Sie optimistisch? WEISSHOFF-GÜNTHER Was mich bei guter Laune hält: Ich bin nicht allein. Wir haben so viele positiv Verrückte, die unglaublich viele Ideen haben, wie es weitergehen kann. Da ist niemand dabei, der den Kopf in den Sand steckt. Das ist einfach schön.