Wirbel um einen drohenden Abriss
Kilian und Julia Birkhofer lebten seit 2019 in einem alten Fachwerkhaus am Südrand von Heiligenhaus. Sie sollen ihr Haus aus baurechtlichen Gründen auf eigene Kosten abreißen, nachdem es zuvor über Jahrzehnte eine „Duldung“gegeben hatte.
HEILIGENHAUS Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf läuft. Der Heiligenhauser Rechtsanwalt Christoph Pipping – er vertritt die Kläger – schickt seinen Erläuterungen gleich eine emotionale Botschaft voraus: „Die beiden sind mit ihren Nerven am Ende.“Gemeint sind Kilian und Julia Birkhofer. Sie fürchten um ihre materielle Existenz, um ihr Zuhause, wenn das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu der Entscheidung kommen wird, die sie befürchten: Abriss ihres gut 100 Jahre alten Fachwerkhauses, gelegen im Heiligenhauser Süden. Und das auf ihre eigenen Kosten.
Die Geschichte betrifft zwei Generationen der Familie Birkhofer, wie Pipping schildert. Mitte der 70er Jahre hatte Vater Birkhofer das Haus erworben. Eigentlich hätte damals schon der Abriss notwendigerweise angestanden. Was es aber für das Haus, juristisch im „Außenbereich“gelegen, gab, war eine Duldung amtlicherseits durch die Stadt Heiligenhaus. Argumentation damals: Ein Abriss wäre unverhältnismäßig.
So stellte sich die Lage bis zum Jahr 2019 dar. Dann schenkte Vater Birkhofer das Haus seinem Sohn. Und plötzlich las sich alles anders: Die Birkhofers hätten das Haus zu verlassen – und schlussendlich nach einer Frist von sechs Monaten abzureißen. Neue Amtsleitung, neue Erkenntnisse. Die Duldung sei durch die Übertragung der Immobilie erloschen.
Dagegen klagte das junge Ehepaar vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. „Aber mit unserem Eilverfahren sind wir zunächst unterlegen“, so der Anwalt. „Und das Oberverwaltungsgericht Münster schloss sich in diesem Punkt dem Verwaltungsgericht an“, so Pipping. Inzwischen ist das Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter mit dem Fall beschäftigt, diesmal in der Hauptsache,
in der es noch keine Entscheidung gibt, so Pipping weiter. „Einen festen Termin für die Urteilsverkündung haben wir nicht.“Unstrittig scheint, dass nach den Buchstaben des Gesetzes die Nutzung des Fachwerkbaus allenfalls dann zulässig wäre, wenn die Birkhofers Landwirte wären. Sind sie aber nicht. Kilian Birkhofer arbeitet als Zahntechniker. Trotzdem setzen sie darauf, die über Jahrzehnte geübte Praxis der
Duldung wiederzubekommen. Pipping: „Es geht nicht nur darum, dass es ein Haus ist, an dem sich niemand stört.“
Zudem habe sich das Ehepaar intensiv um aktuellen Brandschutz im Haus bemüht und eine vollbiologische Kläranlage eingebaut – Kostenpunkt 6000 Euro – weil das Haus im Außenbereich nicht an die Kanalisation angeschlossen ist. Unterdessen sind die Birkhofers aus ihrem
Haus ausgezogen, alles andere hätte ebenfalls rechtliche Konsequenzen nach sich gezogen.
Unvermeidliche Konsequenzen, wie es aus dem Rathaus heißt. „Es ist ein fundamentales Ding im Baurecht: Wird ein Haus da errichtet oder umgebaut, wo es nicht sein darf, dann kann es nicht stehenbleiben“, sagt der Technische Beigeordnete Andreas Sauerwein. Auf Details mochte er auf Anfrage mit Verweis auf das schwebende Verfahren nicht eingehen. Stand also: Das Oberverwaltungsgericht Münster habe „die Nutzungsunterlassung bestätigt“. Sauerwein fügt allerdings auch hinzu: „Das ist alles andere als eine Alltagssituation, bitter und furchtbar – und in der Praxis haben wir dergleichen noch nie machen müssen. In der Bauverwaltung herrscht schon tiefe Betroffenheit darüber.“Seitens der Stadt bleibe nun nichts mehr zu tun, als auf das Urteil zu warten. Exakt so stellt sich die Sache auch für Kilian Birkhofer dar. Aber die Folgen hat er vor Augen: „Es geht um 210 Quadratmeter Haus plus Nebengebäude plus Fundament. Nach einer Expertenschätzung könnte der Abriss etwa 70.000 Euro kosten.“Zum Haus gehören
800 Quadratmeter Grundstück und etwa zwei Hektar Weiden. Kontakt in Richtung Stadtverwaltung habe es nur einmal gegeben: „Im Juni 2019 hat man meinem Vater und mir im Rathaus erklärt, die Duldung sei erloschen. Mehr nicht“, so Birkhofer im Gespräch mit unserer Redaktion. Und da juristisch die Mittel erschöpft seien, bleibe eigentlich nur noch die Chance, „irgendwie zum Nachdenken anzuregen“.
Das bittere Fazit des Hausbesitzers: „Wir sind raus aus dem Haus. Ich fahre nur noch zum Heizen hin und um nach der Ordnung zu sehen. Wir wissen nicht weiter.“