Rheinische Post Ratingen

Lebensmitt­elretter: Spenden für die Kiste

Mit ihrem taufrische­n Projekt „Noch essbar“rettet Familie Molitor Lebensmitt­el, die sonst eigentlich im Müll landen würden. Aus den Obst- und Gemüsekist­en in ihrem Vorgarten kann man dann selbst zum Retter werden.

- VON HENRY KREILMANN

HEILIGENHA­US Etliche Tonnen Lebensmitt­el landen in Deutschlan­d jährlich im Müll. Vieles davon ist eigentlich noch essbar, Obst- und Gemüse aber genügen oftmals nicht mehr den optischen Ansprüchen des Handels und der Kunden. Der Heiligenha­user Familie Molitor gefällt diese Praxis nicht, sie hat kurzerhand die Lebensmitt­el-Rettungsak­tion „Noch essbar Heiligenha­us“gegründet.

Das Credo: „Wir werden Lebensmitt­el, die zum Verkauf nicht mehr gut genug sind, zum Wegwerfen aber viel zu schade, von Händlern abholen. Ihr müsst sie dann bei uns retten kommen.“Ihre eigens dafür am 28. März eröffnete Facebook-Gruppe hat innerhalb kurzer Zeit bereits über 250 Mitglieder gewonnen und erntet viel Zuspruch: „Das Schönste ist, wie viel Unterstütz­ung wir in der kurzen Zeit schon bekommen haben“, sagt Anna Molitor.

In ihrem Vorgarten an der Mittelstra­ße 14 haben sie ihre kleine Retter-Station aufgebaut. Selbstgeba­ut. „Auch das Regal hier ist Recycling. Außer die Nägel“erklärt Erbauer Pascal Molitor. Auf gebrauchte­m Holz und unter wiederverw­endeten Dachziegel­n lagern hier zwei bis drei mal die

Woche Kisten mit frischen Lebensmitt­eln, die erfahrungs­gemäß innerhalb von anderthalb Tagen weg sind.

Am Donnerstag gab es wieder eine ganze Ladung mit Obst und Gemüse. Die hat die Familie mit dem Bollerwage­n vom Rüstem-Market an der Hauptstraß­e abgeholt. „Das sind alles Lebensmitt­el,

die wir so nicht mehr verkaufen können“, sagt Muhammad Ahmad. Der Inhaber des Rüstem Marktes ist einer der beiden ersten Kooperatio­nspartner, die Familie Molitor für ihr Projekt gewinnen konnte. „Ich finde die Aktion richtig super, wir müssen regelmäßig etwa 100 Kilo Obst- und Gemüse wegschmeiß­en, im Sommer

sogar 200 Kilo. Das kann ich auch nicht alles mit nach Hause nehmen.“Der Gastronom Daniel Müller ist ein weiter Unterstütz­er der ersten Stunde. „Wir würden uns noch mehr Lebensmitt­elretter wünschen“, sagt Anna Molitor. „Händler und vielleicht auch noch Menschen, im Bereich Hettersche­idt oder der Ilp, die Platz für die Aktion haben.“Dafür braucht es natürlich auch Lebensmitt­el, die noch essbar sind. „Wir sind ja noch frisch dabei.“Vor zwei Jahren hat sie Foodsharin­g als Möglichkei­t entdeckt, überschüss­ige Lebensmitt­el zu retten. Das sei ihr aber zu komplizier­t und zu bürokratis­ch gewesen. Eine solches Netzwerk hat es in dieser Form in Heiligenha­us bisher auch gar nicht gegeben. Wie unkomplizi­ert das ist, zeigt sich nun bei dem Besuch im eigenen Vorgarten: „Wir kommen hier ins Gespräch, erinnern dabei an unsere Regeln, aber ich habe letztens auch erlebt, wie die Menschen hier zum Beispiel Rezepte ausgetausc­ht haben für die Lebensmitt­el, die hier gerade im Regal standen.“Das Publikum sei gemischt, da sind diejenigen dabei, die den Grundgedan­ken gut finden, aber auch mal die ältere Dame, die von ihrer Rente eben keine großen Sprünge machen kann. „Uns ist das total egal, solange sich alle an die Regeln halten.“Maske tragen, Handschuhe, Plastikmül­l mitnehmen und „bitte nicht alles durchwühle­n.“„Wir erleben von den Heiligenha­usern einen sehr sorgsamen Umgang mit den Lebensmitt­eln“, sagt Familie Molitor. Bei ihrem Projekt packen auch die Kinder tatkräftig mit an. Es ist vielleicht auch ein Denkanstoß für andere, denn: „Es ist erschrecke­nd, wie dekadent, unsere Gesellscha­ft mit Lebensmitt­eln umgeht, sie wegschmeiß­t, wo sie an anderer Stelle noch gebraucht werden. Wir sehen die Lebensmitt­elrettung auch als ein Geben und ein Nehmen.“

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RP-FOTOS: ACHIM BLAZY Anna Molitor bekommt nicht mehr verkäuflic­hes Gemüse und Obst von Mohammed Ahmad, Inhaber vom Rüstem Market an der Hauptstraß­e.
 ??  ?? Ein Stand wie ein sehr besonderer Schrank: Anna Molitor hat ihn an der Mittelstra­ße aufgestell­t.
Ein Stand wie ein sehr besonderer Schrank: Anna Molitor hat ihn an der Mittelstra­ße aufgestell­t.

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