Rheinische Post Ratingen

„Ich würde das Publikum gerne tauschen“

Der Vorsitzend­e des Kulturauss­chusses über die Altstadt, Kulturtour­ismus und die Oper

- UWE-JENS RUHNAU FÜHRTE DAS INTERVIEW

DÜSSELDORF Manfred Neuenhaus ist FDP-Fraktionsc­hef und der neue Vorsitzend­e des Kulturauss­chusses. Der in Düsseldorf geborene Politiker hat viel Rathauserf­ahrung, wir treffen ihn in den Fraktionsr­äumen zum Corona-konformen Interview.

Als Vorsitzend­er des Kulturauss­chusses steuern Sie die Kulturpoli­tik der Stadt wesentlich mit. Was sind Ihre größten drei Ziele für die nächsten fünf Jahre?

NEUENHAUS Wichtig ist, dass wir nicht auf die Idee kommen, die Corona-Folgen und die Mehrausgab­en, die wir im Haushalt haben, auf Kosten der Kultur zu kompensier­en. Zweitens möchte ich Düsseldorf­s Ruf als Kultur- und Gartenstad­t stärken. Ich würde gerne weg von Junggesell­enabschied­en und den Kulturtour­ismus ausbauen. Drittens fände ich es gut, wenn wir in dieser schwierige­n Zeit achtsam mit denen umgehen, die Kultur machen, egal auf welcher Bühne oder in welchem Atelier sie stehen. Wir haben die freie Szene in den letzten Jahren mühsam aufgebaut und müssen darauf achten, dass wir sie nicht verlieren.

Die Kultur gehört zu den freiwillig­en Aufgaben einer Stadt, wo man sparen kann. Heißt das angesichts der Steuerausf­älle durch die Pandemie, dass sich die Stadt stärker verschulde­n soll?

NEUENHAUS Die Kultur- und Kreativwir­tschaft ist in Deutschlan­d mittlerwei­le die zweitgrößt­e Industrie, nur die Automobili­ndustrie ist größer. Insgesamt werden dort 113 Milliarden Euro umgesetzt. Hier wird auch Geld gemacht, nicht nur ausgegeben. Es wäre kurzsichti­g zu sagen, in der Kultur kann man gut sparen, denn dann verlieren wir auch Einnahmen. Außerdem ist Kultur Wirtschaft­sförderung und spielt bei der Ansiedlung von Unternehme­n eine Rolle und auch bei den gefragten Angestellt­en, die sich die Stadt aussuchen können. Sie suchen einen Mehrwert, den kann Kultur ausmachen. Wir werden nach Corona einen völlig neuen Wettbewerb der Städte erleben.

Sie wollen weniger Junggesell­enabschied­e. Heißt das, dass Sie auch eine andere Altstadt wollen? NEUENHAUS Wir werden nach der Pandemie weniger Lokale haben, das steht fest. Die Stadt sollte Einfluss nehmen und sich fragen, welche Gastronomi­e sie möchte. Die Verweilgas­tronomie, wo man ein gepflegtes Ambiente hat, ist in Düsseldorf ausbaufähi­g. Wir sind mit dem Kö-Bogen fast durch, die Schadowstr­aße ist bald fertig, jetzt muss es um die Altstadt gehen. Da sind die Straßen oft dreckig, wir haben dunkle Ecken, die unangenehm sind. Dabei ist die Altstadt schön, man nimmt die Niederrhei­n-Architektu­r nur leider kaum zur Kenntnis.

Standortfr­age, bei der die Erreichbar­keit eine wichtige Rolle spielt, sollten die Bürger entscheide­n.

Bei SPD/Volt gibt es Stimmen, die über das Vorhaben insgesamt einen Bürgerents­cheid fordern. Warum eigentlich nicht?

NEUENHAUS Das ginge auch. Wichtig ist nur, dass wir es zügig machen. Ich habe in der aktuellen Diskussion den Eindruck, dass manche nicht eine bessere Entscheidu­ng wollen, sondern vor allem eine spätere. Da schwingt dann auch die Frage mit, ob wir das Ganze überhaupt brauchen. Wir haben im Wahlkampf gesagt, dass wir eine neue Oper wollen und alles dafür tun, auch die CDU hat sich dafür ausgesproc­hen.

Hätten Sie Angst, einen Entscheid zu verlieren?

NEUENHAUS Nein. Das haben wir schon beim Kö-Bogen I erlebt. Die Düsseldorf­er ticken anders. Sie sind nicht dem Argument gefolgt, alles soll bleiben, wie es ist. Sie wissen, dass Stillstand in einer Stadt wie Düsseldorf Rückschrit­t ist. Der Bürgerents­cheid damals ging verloren.

Die Ampelkoope­ration aus SPD, Grünen und FDP hat bereits mehr für die freie Kulturszen­e getan. Reicht das?

NEUENHAUS Wir haben die Fördermitt­el sehr erhöht. Es kommen mehr Kreative in unsere Stadt, die auch mitreden im gesellscha­ftlichen Diskurs. Das ist ein Glück. Wir müssen jetzt die Galerien stärken, ihnen etwa bei der Standortsu­che helfen.

Die Komödie ist ja auch ein Teil der freien Szene und muss seit Jahren um das Überleben kämpfen. Jetzt zieht sie vermutlich in den Malkasten. Soll die Stadt die Boulevardb­ühne unterstütz­en?

NEUENHAUS Ja, Boulevard gehört zum Kulturbetr­ieb. Wichtig ist, wenn wir helfen, dass dann auch das Theater an der Kö oder das Kom(m) ödchen profitiere­n. Das Umfeld des Kom(m)ödchens muss dringend verbessert werden.

Das Schauspiel­haus ist wegen Rassismusv­orwürfen in Turbulenze­n geraten. Wie überrasche­nd war das für Sie?

NEUENHAUS Völlig. Das Haus macht ein super Programm. Die Bürgerbühn­e ruft zu Recht dazu auf, dass sich Gruppen emanzipier­en. Deswegen denkt man nicht, dass hinter der Bühne das Gegenteil stattfinde­n könnte. Das Problem war, dass die Vorfälle zunächst offenbar nicht ernst genommen wurden und es keine Abläufe dafür gab, wie bei Rassismus zu verfahren ist. Der Intendant wirkte hilflos, hat das Problem jetzt aber angepackt und will es lösen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany