Kämpferin gegen Rassismus in der Kita
Heike Kasch von der Integrationsagentur der Diakonie zeigt in Seminaren, dass schon Kinderbücher diskriminierend sein können.
FLINGERN Heike Kasch braucht nur ein paar Kinderbücher, um zu zeigen, dass schon in Kitas diskriminiert und ausgegrenzt wird. Denn in vielen Kitas sieht es immer noch so aus wie in vielen Buchhandlungen: Kinder- oder auch Jugendbücher, in denen die Kinder zum Beispiel schwarz sind, Aisha oder Vijay heißen oder deren Mütter Kopftücher tragen, findet man darin selten. Doch das sei problematisch, sagt die Diplom-Sozialwissenschaftlerin: „Für Kinder ist das sehr schwierig. Wenn ich mich zum Beispiel mit meinem Hautton nicht wiederfinde, wenn ich immer nur Bücher sehe, in denen weiße Menschen abgebildet sind, dann gibt es mich nicht. Und dann kann sogar der Eindruck entstehen: Ich bin gar nicht erwünscht.“
Die Diplom-Sozialwissenschaftlerin engagiert sich bei der Integrationsagentur der Diakonie Düsseldorf gegen Rassismus und Diskriminierung. Kasch, die auch Anti-Bias-Trainerin und Fachkraft Rechtsextremismus/Prävention/ Intervention ist, hat dafür Seminare entwickelt für unterschiedliche Zielgruppen, für Kitas ebenso wie für Schulen, Universitäten, Polizei und Museen oder für zugewanderte Menschen. „Viele Menschen wünschen sich eine Sensibilisierung zu dem Thema, Handlungsmöglichkeiten und Ideen“, sagt die 56-Jährige. Die Nachfrage nach den Seminaren sei kontinuierlich hoch, unabhängig von aktuellen Debatten.
Kita-Teams für die Schulungen zu erreichen, sei allerdings anfangs etwas schwierig gewesen. Der allgemeine Tenor aus den Kitas: Wir diskriminieren doch nicht und wir sind auch nicht rassistisch. Also überlegte man sich einen neuen Ansatz bei der Diakonie – Bücher. Und bei den Sichtungen und Besprechungen der Bücher finden die Teilnehmer dann doch schnell einen Zugang zu ihren eigenen Vorurteilen und Vorbehalten. Sie stellen dann zum Beispiel fest, dass es für ein Kind kränkend sein kann, wenn man sagt, dass es wie „Schoko“aussehe. Oder dass sie sehr wohl Vorbehalte gegen die
Herkunft eines Kindes haben und auch unsicher sind, wie sie mit den Eltern des betreuten Kindes umgehen sollen.
Gerade für die Arbeit mit Kita- und Schul-Teams hat Heike Kasch geradezu einen „Schatz“aufgebaut, wie sie es nennt. Es ist eine umfangreiche Literatursammlung mit Kinderund Jugendbüchern zur sogenannten vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung. Tatsächlich gebe es inzwischen eine Fülle an Büchern, die Vielfalt und Normalität sichtbar machten, sagt Kasch. Etwa „Du gehörst dazu: Das große Buch der Familien“. „Darin sieht man die Lebenssituationen von Kindern und Erwachsenen in allen Facetten, die man sich vorstellen kann“, sagt Kasch.
Während in vielen Büchern Familien noch immer in der Konstellation Mutter, Vater, zwei Kinder, Haustier und Eigenheim dargestellt werden, werden in den gesammelten Büchern auch andere Konstellationen gezeigt, die muslimische Familie ebenso wie die alleinerziehende Mutter oder der alleinerziehende Vater, die Patchworkfamilie oder auch die Familie, die in einem Hochhaus lebt. Wichtig sei es, dass diese Merkmale nie als negativ dargestellt werden und dass zum Beispiel die Hautfarbe nicht als solche benannt, nicht thematisiert wird, sondern eben „normal“ist, sagt die Sozialwissenschaftlerin. Ein anderes Beispiel: Auch das Leben in einem Hochhaus müsse nicht nur mit Nachteilen verbunden sein, es könne ja durchaus auch schön sein, weil man zum Beispiel gerade deswegen so viele Freunde und Freundinnen direkt im Haus hat.
Viele Teilnehmer ihrer Seminare, die wegen Corona zurzeit online durchgeführt werden, seien immer wieder sehr erstaunt über das, was sie über sich und die Gesellschaft erfahren würden. In den Seminaren können die Teilnehmer auch eigene Diskriminierungserfahrungen austauschen. Die habe jeder, sagt Kasch, ob wegen Herkunft, Religion, Geschlecht, Alter oder etwa einer Krankheit.
Diskriminierung, Rassismus und Ausgrenzung sichtbar zu machen und gesellschaftliche Zusammenhänge in Bezug auf ein „Schubladendenken“zu hinterfragen und sich kritisch mit eigenen Privilegien auseinanderzusetzen (etwa weil man einen deutschen Namen und Pass hat), ist das Ziel. Indem man sich kritisch mit seinen eigenen Bildern und Vorstellungen von sich und den „anderen“beschäftige, könne man eine vorurteilsbewusste Haltung entwickeln und damit etwas zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen.
Die Aha-Effekte aus den Seminaren würden dann in den Kitas oder in anderen Bereichen des Miteinanderlebens
und -arbeitens spürbar. Ein Anfang in den Kitas sei etwa, wenn die Bücherbestände überprüft und um Bücher mit Diversität erweitert werden. Oder indem eine Erzieherin, die sich schwer tut mit dem Kontakt zu einer Mutter, versucht, etwas dagegen zu tun, sich zum Beispiel „Brückenbauer“sucht, wie Sprach- und Kulturmittler.
Eine entsprechend sensible Sprache ist ein weiterer wichtiger Grundstein im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, auch innerhalb von Teams. „Wenn ich häufiger Begriffe suche, die eben nicht diskriminieren oder Rassismus verbreiten, dann passiert auch etwas in meinem Denken“, meint Kasch. Man fange an, reflektierter nachzudenken, frage sich, warum man den einen Begriff eigentlich besser nicht mehr gebrauchen sollte und wo er denn herkomme. „Viele unserer heutigen Ausdrücke sind tatsächlich von der Kolonialzeit geprägt. Und ich frage mich dann: Welche Begriffe benutze ich eigentlich tagtäglich, die andere Menschen verletzen?“, meint Kasch.
Manche Teams, auch aus Kitas, sieht Heike Kasch mehr als einmal in ihren Seminaren. Sie kommen etwa noch mal, wenn sich die Zusammensetzung des Teams verändert hat oder weil sie noch mal tiefgehend und praxisnah über Diskriminierung reflektieren und erfahren wollen, wie sie etwas verändern können. Damit gehen sie dann immer mehr auch den Weg von Heike Kasch, einer Kämpferin gegen Rassismus und Ausgrenzung.