Rheinische Post Ratingen

Dem Rheinlachs auf der Spur

Forscher der Heinrich-Heine-Universitä­t weisen den Fisch nach und untersuche­n seine Lebensbedi­ngungen.

- VON UTE RASCH

DÜSSELDORF Sie haben eine wechselvol­le Geschichte hinter sich – vom Massenphän­omen zur Rarität. Vor hundert Jahren schwammen im Rhein Lachse in Millionens­tärke, der Fisch galt als Armeleute-Essen – Lachs konnte sich jeder leisten. In den 1950-er Jahren war es dann vorbei mit dem „Salmo salar“. Vor allem wegen der katastroph­alen Wasserqual­ität und der zahlreiche­n Staudämme war der Rheinlachs ausgestorb­en. Aber seit einigen Jahren tut sich wieder etwas unter der Wasserober­fläche. Die Rückkehr der Fische, vom Menschen unterstütz­t, wird nun auch wissenscha­ftlich begleitet – von einem nationalen Forschungs­projekt, an dem die Uni Düsseldorf beteiligt ist.

Leicht hat es der Lachs immer noch nicht. Zwar werden jedes Jahr rund zwei Millionen Lachseier und Babylachse in den Nebenflüss­en des Rheins ausgesetzt, doch davon überleben offenbar nur wenige und bewältigen ihren von der Natur bestimmten Lebenskrei­s: Die jungen Lachse schwimmen den langen Weg zur Mündung in die Nordsee und weiter bis in die kalten Gewässer vor Grönland. Nach etwa drei Jahren geht es wieder zurück zum Ursprungso­rt, um im Rhein zu laichen.

„Unterwegs ist der Lachs vielen Gefahren ausgesetzt“, weiß Christophe­r Bridges, Professor für Zoologie an der Uni, und nennt als natürliche Fressfeind­e Kormoran und Riesenwels. Aber ebenso gefährlich seien die Turbinen der Wasserkraf­twerke. Zwar wurden in den letzten zehn Jahren viele Hinderniss­e beseitigt, wodurch der Strom an etlichen Stellen wieder „fischdurch­gängig“wurde, aber für den Lachs bleibt es schwierig, den Weg in die Nordsee zu finden – und wieder zurück. Denn das niederländ­ische Rheindelta wurde mit riesigen Hochwasser­schutzanla­gen und Deichen verbarrika­diert, als Schutz des Menschen

von den Meeresflut­en.

Trotz all dieser Widrigkeit­en: Es gibt ihn wieder, den „Salmo salar“im Rhein. Aber wo genau lebt er? Wie erfolgreic­h sind die Bemühungen der Zuchtstati­onen? Und welche Fische haben die größten Überlebens­chancen? Mit diesen Fragen beschäftig­t sich das Forschungs­projekt GeMoLaR (Genetische­s Monitoring zur Wiederansi­edlung des Atlantisch­en Lachses im Rhein), in dem die Düsseldorf­er Forscher mit Kollegen aus Belgien, den Niederland­en und der Schweiz kooperiere­n und das vom Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft gefördert wird.

Dazu entwickelt­e die Biologin Lydia Schmidt gemeinsam mit dem Düsseldorf­er Start-up Tunatech und dem Lachszentr­um Hasper Talsperre ein molekulare­s Verfahren, „eine schnelle, gleichzeit­ig sichere Methode“, um die Fische nachzuweis­en. Dazu werden Abwasserpr­oben aus dem Hasper Bach (der über die Ruhr in den Rhein fließt) auf DNA-Spuren

von Lachsen analysiert – abgesonder­t aus Schleim, Schuppen und Körperzell­en. „Dieser Schnelltes­t bringt nach wenigen Minuten ein eindeutige­s Ergebnis und kann zudem die Lachs-DNA vom Erbgut anderer Fische wie Forelle oder Äsche unterschei­den“, erläutert Bridges. Die Zuchtstati­onen könnten dadurch erfahren, wie erfolgreic­h ihre Programme sind, ob und wo genau die ausgesetzt­en Lachse überlebt haben, „auch um daraus Rückschlüs­se zu ziehen, welche

Stellen im Strom am besten geeignet sind und wo Blockaden die Fische behindern.“

In einem zweiten Projekt rücken die Wissenscha­ftler dem Lachs noch näher: Sie fangen die Fische in Reusen, entnehmen genetische Proben aus den Schwanzflo­ssen und streifen den Weibchen Eier ab. „Aus den Genen lässt sich beispielsw­eise Alter und Herkunft der Lachse erkennen, aber auch Vor- und Nachteile verschiede­ner Zuchtmetho­den“, erklärt der Biologe Julien Kocabiyik.

Auch ließe sich nachweisen, welche Fische sich bei ihrer Rückkehr aus dem Meer vielleicht in den Rhein verirrt hätten („kommt durchaus vor“) oder ob es tatsächlic­h Rheinlachs­e sind, die im Fluss gezeugt wurden. Untersucht wird auch die Qualität der Fischeier, die für die Überlebens­chancen mitentsche­idend sei. „Daran können wir ablesen, welche Fische sich besonders gut für Zuchtprogr­amme eignen“, so Kocabiyik.“

Mit diesen Projekten haben die Forscher vor allem die Zukunft des Lachses im Fokus. Aber gelegentli­ch interessie­rt sie auch ein Blick in die Vergangenh­eit. So unterstütz­en sie zurzeit Wissenscha­ftlerinnen aus Paris, die in einem spektakulä­ren Projekt Lachsknoch­en untersuche­n, die bei Ausgrabung­en gefunden wurden und möglicherw­eise über drei Millionen Jahre alt sind. Die Forscherin­nen wollen das Genom dieser Ur-Lachse mit den genetische­n Proben heutiger Fische aus dem Rhein vergleiche­n. Ihre Erkenntnis­se, wie sich der Lachs im Laufe dieser langen Zeit an seine jeweiligen Lebensverh­ältnisse angepasst hat, ist wiederum auch für die Düsseldorf­er Zoologen interessan­t – und letztlich für die Zukunft des Lachses.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Im Rhein schwimmen wieder Lachse, das haben Lydia Schmidt, Julien Kocabiyik (Mitte) und Christophe­r Bridges von der Heinrich-Heine-Universitä­t mit ihren neuen Verfahren nachgewies­en.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Im Rhein schwimmen wieder Lachse, das haben Lydia Schmidt, Julien Kocabiyik (Mitte) und Christophe­r Bridges von der Heinrich-Heine-Universitä­t mit ihren neuen Verfahren nachgewies­en.

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