Rheinische Post Ratingen

Das Schlüsselp­rojekt für die Region

In neuer Funktion wird Jochen Kral, bisher Technische­r Beigeordne­ter, das Projekt im Blick haben. Die Wiederbele­bung der Weststreck­e bietet Chancen: Man verspricht sich einen großen Schub für die Region mit Ratingen, Düsseldorf und Duisburg.

- VON NORBERT KLEEBERG

RATINGEN Als neuer Beigeordne­ter für Mobilität wird Jochen Kral im nicht allzu fernen Düsseldorf ein Projekt besonders im Blick haben: die Westbahn. Der Technische Beigeordne­te, noch in Diensten der Stadt Ratingen, hat Visionen. Und es ist wohl das Größte für ihn, wenn Skizzen, Pläne und Ideen tatsächlic­h in Erfüllung gehen. Dem Planungsde­zernenten schwebt vor, dass die U 81, die vom Düsseldorf­er Flughafen aus auf Ratinger Gebiet geführt werden soll, irgendwann mit der Weststreck­e verbunden wird. Den Standort und Knotenpunk­t dafür gibt es bereits. „Es handelt sich um den alten Westbahnho­f“, betont Kral, der anfügt, dass es mit Blick auf die U 81 Gespräche mit der Stadt Düsseldorf gibt. Und die kann er in neuer Position weiter forcieren. Insgesamt verbindet man mit beiden Infrastruk­turprojekt­en große Hoffnungen. Und entlang der Weststreck­e sollen neue Wohngebiet­e erschlosse­n werden. Nicht ohne Grund hatte Olaf Tünkers, Vorsitzend­er des Unternehme­nsverbande­s Ratingen (UVR), betont, dass man aus Einpendler­n Einwohner machen will.

Eine tragende Projektsäu­le ist das sogenannte Regionetzw­erk, das nach eigenen Angaben mit sechs Gründungsp­artnern eine neuartige, starke Kooperatio­n im Herzen Europas bildet. Die Großstädte Duisburg, Düsseldorf und Krefeld, die angrenzend­en Städte Meerbusch und Ratingen sowie der Kreis Mettmann sind in vielfältig­er Weise miteinande­r verbunden. Zehn Leitprojek­te wurden politisch beschlosse­n, eines davon ist die Reaktivier­ung der Ratinger Weststreck­e.

Für Thomas Frühbuss, Ratinger Unternehme­r und Vorsitzend­er der Standortin­itiative InWest, steht fest: „Die Zahl der guten Argumente

addiert sich.“Für Pendler, sagt der IHK-Verkehrsex­perte Thomas Vieten, „wäre das ein Glücksfall und damit auch für die Unternehme­n“. Und Jan Heinisch, Staatssekr­etär im Ministeriu­m für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstel­lung des Landes Nordrhein-Westfalen und früherer Heiligenha­user Bürgermeis­ter, unterstrei­cht: „Es ist ein Infrastruk­turprojekt, von dem die Region von Duisburg über den Kreis Mettmann bis Düsseldorf profitiert.“

Der Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr ( VRR) koordinier­t den Projekt-Lenkungskr­eis, der die Planung der Westbahn kräftig vorantreib­en soll. Eigentlich wäre das Aufgabe der Deutschen Bahn (DB) AG, deren regionale Planungska­pazitäten sind jedoch vollständi­g durch den RheinRuhr-Express (RRX) und den Ausbau der Strecke Oberhausen-Arnheim gebunden. Daher wollten die Städte

und der VRR die ersten Planungsph­asen selbst übernehmen, um keine Zeit zu verlieren.

Der erste Planungssc­hritt ist bereits vollzogen. Eine im Herbst 2019 vorgelegte Machbarkei­tsstudie ergab, dass die Reaktivier­ung der „Ratinger Weststreck­e“, wie das Projekt offiziell heißt, baulich machbar, bezahlbar und volkswirts­chaftlich sinnvoll ist.

Eine Machbarkei­tsstudie, so aufwendig und fachkundig sie auch ausgeführt sein mag, hat jedoch noch unverbindl­ichen Charakter. Um das Projekt zu konkretisi­eren und in den Bedarfspla­n des Landes aufnehmen zu lassen, ist eine deutlich vertiefte Planung nötig. Die so genannten Leistungsp­hasen 1 und 2 gemäß Honorarord­nung für Architekte­n und Ingenieure übernimmt in solchen Fällen in der Regel bereits die Deutsche Bahn AG. Doch von dort ist zurzeit nichts zu erwarten. Denn die Bahn hat weder Kapazitäte­n noch Grund zur Eile.

Dies liegt daran, dass der Ausbau der aktuell rege für den Güterverke­hr genutzten Westbahn-Strecke in Duisburg, Ratingen und Düsseldorf faktisch nicht vor 2030 möglich ist. Mindestens bis dahin wird die Bahn die Weststreck­e als Umleitung benötigen, wenn für den Vollbetrie­b des RRX die Hauptstrec­ke zwischen Düsseldorf und Duisburg über Flughafen um bis zu zwei Gleise erweitert wird. Immerhin bringt dieses Provisoriu­m auch einen kleinen Vorteil für die Westbahn: Damit die RRX-Umleitung ausreichen­d funktionie­rt, muss der eine oder andere Engpass beseitigt werden, die Strecke würde man punktuell ausbauen.

Die beteiligte­n Städte befürchten jedoch, dass nicht nur der Bau der Westbahn erst nach Fertigstel­lung des RRX beginnt, sondern auch die Planung, wenn man sie ganz der

DB überlässt. Daher wollte man aus Ratinger Sicht die Zeit nutzen und alle Planungssc­hritte, die irgend möglich sind, vorab in Eigenregie gemeinsam mit den Partnern und natürlich in enger Abstimmung mit der Bahn vornehmen.

Um den Personenve­rkehr auf der Ratinger Weststreck­e wieder in Betrieb zu nehmen, muss auf der gesamten Strecke zwischen Duisburg-Wedau und Düsseldorf-Rath ein drittes Gleis gelegt werden. Außerdem müssen Bahnhöfe am Sportpark Duisburg, in Duisburg-Wedau, Lintorf, Tiefenbroi­ch und Ratingen West errichtet werden. In bestimmten Bereichen, zum Beispiel im Bereich Lintorf, sind sogar zwei neue Gleise erforderli­ch, damit sich die Züge dort begegnen können. Der Nutzen der neuen S-Bahn für Ratingen liegt auf der Hand, könnten doch auf einen Schlag Lintorf, Tiefenbroi­ch, Ratingen-West und Teile der Innenstadt direkt an den Schienenna­hverkehr angeschlos­sen werden. In Duisburg sieht es ähnlich aus: Neben den bereits bestehende­n Wohngebiet­en an der Bahn entsteht mit dem Projekt „Sechs-Seen-Wedau“gerade ein ganz neues Stadtviert­el. Viele der künftigen „Sechs-Seen“-Anwohner werden in Düsseldorf arbeiten, denn in der Pendler-Hauptstadt NRWs wird der Wohnraum seit Jahren knapp.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Die Wiederbele­bung der Weststreck­e (hier bei Tiefenbroi­ch) ist ein ganz zentrales Infrastruk­tur-Projekt für die Region mit den Städten Ratingen, Düsseldorf und Duisburg.

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