Rheinische Post Ratingen

HSV verabschie­det sich vom Ziel Aufstieg

Die Hamburger Mannschaft erliegt einmal mehr dem nervlichen Druck. Trainer Thioune ist tief getroffen.

- VON FRANKO KOITZSCH UND OLIVER JENSEN

HAMBURG (dpa) Kommt der Frühling, ist der Hamburger SV von der Rolle. Geht es um den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga, versagen den Profis die Nerven. Das Trauerspie­l aus dem Volkspark wird zum Klassiker. Derzeit vollzieht sich Akt drei. Viele Protagonis­ten aus den vermurkste­n Aufführung­en der beiden Vorjahre sind erneut dabei, nicht wenige sind neu. Die Mechanisme­n aber sind immer gleich. „Wir brauchen nicht über Dinge zu reden, die sich nicht realisiere­n lassen, wenn man keine Fußballspi­ele gewinnt“, sagt Trainer Daniel Thioune nach dem 1:1 gegen den Karlsruher SC in der 2. Liga. „Wir haben in den letzten Wochen sehr wenig gewonnen. Da müssen wir uns nicht über irgendwelc­he Relegation­splätze unterhalte­n.“

Seit fünf Spielen ist das Team sieglos. Nur drei Siege gab es in der Rückrunde. So viele hat auch der Vorletzte Würzburger Kickers. Fünf Punkte ist Greuther Fürth auf einem direkten Aufstiegsp­latz entfernt. Beide haben noch drei Partien. Von hinten drückt Holstein Kiel, das noch sechs Spiele zu bestreiten hat, aber nur zwei Punkte hinter dem HSV liegt. „Natürlich muss man sich Sorgen machen“, gesteht Torhüter Sven Ulreich. Der dritte verpasste Aufstieg in Serie ist nah.

Thioune nimmt der Absturz seiner Mannschaft sichtlich mit. Mit leiser Stimme analysiert er das Gesehene und Geschehene und kann selbst nicht so recht fassen, dass der Hinrunden-Primus so eklatant abschmiert. Eine privilegie­rte Position habe seine Mannschaft nach der Hinrunde gehabt, klagt Thioune, die dazu hätte führen müssen, „dass eine ordentlich­e Rückrunde ausgereich­t hätte, um dann den einen oder anderen Platz weiter oben zu stehen“.

Auch der 46 Jahre alte Coach mit starker persönlich­er Ansprache, mit Begeisteru­ngspotenzi­al und fußballeri­scher Ideenvielf­alt erleidet jetzt, was seine Vorgänger Hannes Wolf und Dieter Hecking ertragen mussten. „Uns hat die Leichtigke­it in unserem Spiel gefehlt“, sagt Thioune. Jene Leichtigke­it, „die im Kopf nicht da war, Beine und Körper gehemmt hat“. Da konnte auch Mentaltrai­ner Martin Daxl, auch Reflexions­coach oder Potenzialt­rainer genannt, nicht helfen.

Es hat den Eindruck, als wäre in Hamburg dieser Psycho-Druck stärker als bei anderen Zweitligis­ten, als würden die negativen Erfahrunge­n der Vergangenh­eit den Profis Fesseln anlegen und jeglichen Mut rauben. Definitiv vorbei ist es für den HSV noch nicht. Die Hoffnung ruht auf dem psychische­n Umkehreffe­kt: Wenn eh alles in die Grütze geritten wurde, dann muss man sich auch keinen Kopf mehr machen. „Die Scheißegal-Mentalität ist vielleicht etwas, was helfen kann“, sagt Thioune. Jetzt geht es noch gegen Nürnberg (Platz 12.), Osnabrück (17.) und Braunschwe­ig (16.). Thoiune: „Am Ende werden wir sehen, ob diese Scheißegal-Mentalität dazu führt, dass wir ein bisschen mehr einsammeln.“

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FOTO: DPA Betretene Miene: Hamburgs Daniel Thioune.

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