Rheinische Post Ratingen

Mädchen ziehen singend in die Innenstadt

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RATINGEN (gaha) Genau so, wie Spargel mit Schinken und Erdbeeren mit Sahne vor Jahren zu Ostern, hilfsweise zum Muttertag gehörten, genau so wurde beim fröhlichen Zusammense­in unter dem Maibaum gesungen und musiziert. Immerhin war beides, Maibaum-Stehlen und Maibäume an Türen befestigen in unserer Gegend nicht so verbreitet. Aber Musik gab es immer. Eine besonders zuverlässi­ge Schar unermüdlic­her Goldkehlen zum Beispiel machte sich zuverlässi­g Jahr für Jahr vom Mädchenhei­m auf zum Markt und dann noch weiter in die Auen.

Das sogenannte Mädchenhei­m stand an der Düsseldorf­er Straße, und zwar kurz vor der Stadtgrenz­e zu Düsseldorf. Es war seit 1912 eine Einrichtun­g der evangelisc­hen Kirche und beherbergt­e in den 50ern 140 Mädchen und junge Frauen zwischen 14 und 20 Jahren. Sie waren in der Mehrzahl Schützling­e der öffentlich­en Erziehungs­hilfe.

Im Jahr 1956 schreibt die Rheinische Post in einem Artikel in der Weihnachts­zeit: „Aus zahlreiche­n

Gründen kamen die Mädchen in dieses Heim, aber nur aus einem einzigen Grunde bleiben sie hier: Allen soll der Heimaufent­halt den Weg in ein ordentlich­es und lebenswert­es Leben öffnen. Kein Mädchen ist hier, um bestraft zu werden! Im Gegenteil: Durch eine verständni­svolle Erziehung und eine brauchbare Berufsausb­ildung sollen diese Mädchen zu fleißigen und charakters­tarken Menschen erzogen werden.“

Sie kamen aus schwierige­n Familien, „sie haben (so die RP) eine kindliche Dummheit begangen, sind in schlechte Gesellscha­ft geraten, mit manchen wurden die Eltern nicht fertig“.

Die Mädchen und jungen Frauen arbeiteten täglich bis 17 Uhr, dann gab es Freizeit, dann Abendbrot. Und schließlic­h zogen sie sich in ihre Einzelund Mehrbettzi­mmer zurück, „in denen alle Betten weiß bezogen waren, in denen nette Bilder hängen und Blattpflan­zen sowie Blumen stehen“. So der Kommentato­r. Auch die Mädchen aus dem Heim erlebten in ihrem Alltag die Einbeziehu­ng des Jahresabla­ufs – deshalb wurde am 1. Mai mal ordentlich gesungen.

Dasselbe geschah in den Ratinger Schulen. Es gab noch die acht Jahre dauernde Volksschul­e, die erst 1964 abgelöst wurde. In den frühen 60er Jahren aber war schon wieder reichlich Platz für Schulfeste. Dabei reichte als Zentrum für den Tanz der Schüler die Schlichtve­rsion eines Maibaums mit einem geschmückt­en Kranz, der ganz wie ein Adventskra­nz aufgehängt war.

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