Rheinische Post Ratingen

Wie Laschet zu Siegfried wurde

Richard Wagners Opern besitzen eine politische Dimension. Mancher Staatsmann könnte als Figur in Bayreuth auftreten. Doch wer spielt wen? Ein Opern-Casting von Baerbock über Laschet und Söder bis zu Steinmeier.

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4. Armin Laschet

Der Unions-Kanzlerkan­didat ist Siegfried – und ein Held, wie er nicht im Buche steht. Ihm fehlt das Reckenhaft­e, er ist fast kleinwüchs­ig, was bei Tenören oft vorkommt. Einen tumben Toren nennen ihn nur jene, die ihn unterschät­zen. Beim Rennen um den CDU-Vorsitz hat er einen schweren heimischen Widersache­r erlegen müssen, nämlich Friedrich Merz. Über den sang Siegfried: „Nach bessrem Gesellen sucht‘ ich, als daheim mir einer sitzt“. Nun will er Merz ins Wahlkampft­eam holen und glaubt, sämtliche Feinde im eigenen Lager neutralisi­ert zu haben. Ein kapitaler Irrtum. Ein Mann namens Hagen wartet auf Siegfried, um ihn eines Tages, in einem unbedachte­n Moment, von hinten zu erlegen. 5. Robert Habeck

Der promoviert­e Germanist wäre für den Sängerstre­it auf der Wartburg, eine romantisch­e Variante der Bundestags­wahl, bestens geeignet. Doch weil er in seiner weichen, nachdenkli­chen Art kein anderer ist als Wolfram im „Tannhäuser“, übt er sich in Verzicht. Gern ist er an der Luft und freut sich der Natur: „ein stolzer Eichwald, herrlich, frisch und grün“. Von der Politik hoffte er einst, dass es ohne Hauen und Stechen abgehen möge: „Gebannt lass mich die Sünde sehen aus diesem ed’len, reinen Kreis!“Hat er Träume? Gewiss. Doch als er merkt, dass seine Partei lieber jemand anderen – nämlich eine Frau – in führender Position haben möchte, lenkt er ein: „Du nahst als Gottgesand­te, ich folg‘ aus holder Fern‘.“ 6. Annegret Kramp-Karrenbaue­r Die frühere CDU-Vorsitzend­e ist Fricka, die Gattin Wotans in „Rheinund gold“„Walküre“. Sie wurde mehrere Male schwer enttäuscht und hat sich verdrossen aus ihren Ämtern geschliche­n. Jetzt übt sie sich in Verteidigu­ng. Es waren ein paar Männer aus der eigenen Partei, die sie düpierten. Ihnen singt sie mit seherische­r Klage nach: „Was ist euch Harten doch heilig und wert, giert ihr Männer nach Macht!“Trotzdem ist Fricka loyal; als es darauf ankommt, hält sie die Treue, auch wenn es sie viel Überwindun­g kostet.

7. Annalena Baerbock

Die grüne Kanzlerkan­didatin könnRettun­g te bringen, immerhin ist sie Göttin, und zwar die Bio-Göttin Freia aus „Rheingold“, deren Äpfel ewige Jugend garantiere­n. Freia muss sich der Riesen erwehren, die sie als Pfand für den Lohn mitnehmen, der ihnen – für den Bau der Burg Walhall – noch nicht gezahlt wurde. Einer der Riesen verliebt sich in Freia, deshalb springt sie gern Trampolin, um mit ihm auf Augenzu höhe sein. Obwohl sie bei Wagner wenig singt, hoffen von Freia alle, dass sie neuen Schwung in die Welt bringt. Eine Illusion? Wenn Gefahr droht, ruft sie nach den Realos in ihrer Sippe: „Wo harren meine Brüder, dass Hilfe sie brächten?“Bei Wagner taucht sie nur in „Rheingold“auf, danach verschwind­et sie.

8. Heiko Maas

Als Bundesauße­nminister hat er das Amt des unentwegt Reisenden geSeine erbt. Einsatzort­e sind Krisengebi­ete. Seinen Job hasst er, endlich möchte er auch bürgerlich ankommen und die kneifenden Maßanzüge ausziehen, weswegen er kein Geringerer ist als der vom Schicksal getriebene fliegende Holländer, der singt: „Ewig meine Qual!“Seine letzte Hoffnung auf Erlösung ist eine Koalition mit den Grünen, auch wenn Annalena Baerbock in einer anOper deren (nämlich „Rheingold“) mitspielt. Sie hält er versehentl­ich für Senta, den von Visionen durchglüht­en jungen Sopran im „Fliegenden Holländer“.

9. Frank-Walter Steinmeier

Er ist der Hans Sachs aus den „Meistersin­gern“, ein Bariton von höchstem Gewicht. Immer schon hatSPD-Politiker te der ausgreifen­de politische Ambitionen, nun ist er Bundespräs­ident und in manchen Situatione­n der oberste Mahner. Wann immer Gefahren in der Luft liegen, singt er seinen berühmtest­en Satz: „Habt acht! Uns dräuen üble Streich‘!“Sachs, im Hauptberuf Schuster, ist eine der wenigen grundsympa­thischen Figuren bei Wagner. Seine Rede auf der Festwiese am Ende der „Meistersin­ger“nimmt die Rhetorik der modernen Fernsehans­prache vorweg.

10. Angela Merkel

Die noch amtierende Kanzlerin ist die Urmutter Erda aus den beiden Opern „Rheingold“und „Siegfried“. Wenn sie auftaucht, meistens wie eine Unerwartet­e, wird Klartext geredet, und alle können sich warm anziehen. Sie sieht das Ende sehr präzise kommen: „Höre! Höre! Höre! Alles, was ist, endet!“Welches Ende sie genau meint (große Koalition, Tourismusv­erband Uckermark, Freundscha­ft mit Putin), wird aus ihren raunenden Worten nicht klar. Die Klänge um sie herum künden von Trauer, aber auch von höherem Wissen, wie die Dinge wirklich zu regeln sind. Kein Wunder: Wenn jemand Erfahrung mit Überlängen hat, dann sie. Der vierteilig­e „Ring des Nibelungen“dauert 16 Stunden, ihre vierteilig­e Kanzlersch­aft währt 16 Jahre. In Bayreuth zählt sie eh schon zum Inventar.

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