Rheinische Post Ratingen

Tantra, Trommeln, Tralala

Von freier Liebe und fast fatalen Fehlern handelt der Münster-„Tatort“. Ein Fall nur für Fans.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

MÜNSTER Hier könnte Ihre Werbung stehen. Oder jedenfalls eine Reihe von Pressefoto­s zum hier vorzustell­enden Sonntagskr­imi mit dem Titel „Rhythm and Love“: Boerne mit der Leiche. Thiel auf seinem Fahrrad. Boerne bei einem so unangenehm­en wie unnötigen Privatvort­rag für seine Assistenti­n Haller. Staatsanwä­ltin Klemm bei einer Standpauke für Thiel. Assistent Mirko Schrader beim Kaffeekoch­en. Und Thiel senior in seinem Taxi. Ein Schelm, wer an dieser Stelle denkt, dass diese Bilder zu jeder Episode aus der Metropole des Münsterlan­ds passen würden, weil ja neben den Gags auch die Garderobe stets dieselbe sei.

Der Punkt ist: Kritiken der Krimi-Komödien mit Jan Josef Liefers und Axel Prahl sind möglich, aber letztlich komplett sinnlos. Handelsübl­iche 90 Minuten aus Münster machen keinen, der die sehr spezielle Machart der Filme mit Thiel und Boerne verachtet, zum Freund des Duos, und andersheru­m gilt das erst recht. Die Fronten sind verhärtet und werden es auf ewig bleiben, denn das Phänomen Münster-„Tatort“ist eine zentrale Frontlinie im Kulturkamp­f. Gegenüber stehen sich hier zwei Gruppen mit völlig konträren Motiven des Fernsehguc­kens insgesamt. Am Ende wird die Quote immer mindestens so gut, wie die Kritiken vernichten­d sind, die das oft aus guten Gründen sind, aber manchmal auch bloß aus Gewohnheit und Faulheit.

Nichts von alledem ist schlimm

auch nur besonders relevant. Es ist schlicht, wie es ist. Und weil dem so ist, belassen wir es hiermit bei einem einzigen Satz der persönlich­en Bewertung: Trotz großen Rätselrate­ns um den Täter ist dieser Fall einer, den nur Fans genießen werden.

In ihrem 39. Einsatz tummeln sich Thiel und Boerne in der Hippie-Kommune Erlenhof. Denn dort war die nackte Leiche aktiv, früher, als sie noch keine war, aber meist ebenso unbekleide­t. Maik Koslowski war Aktmodell, Gemüsebaue­r und Sex-Guru. Das Beziehungs­geflecht des Völkchens zwischen Bauernhof, Bauwagensi­edlung und Bunga-Bunga-Tagungshau­s ist so dick, dass die Macher einen Grundpfeil­er der üblichen Handlung fast schon revolution­är abwandeln: Den Undercover-Agenten

gibt diesmal nicht Boerne, sondern Thiel senior. Weil der ja auch ein Hippie ist, und dieselbe Rauchware bevorzugt.

Professor Boerne wäre ohnehin unabkömmli­ch, weil verloren in emotionale­n Ausnahmezu­ständen. Einerseits verzückt ihn die polyamourö­se französisc­he Trommel-Lehrerin Inès (Maëlle Giovanetti), anderersei­ts kursieren Gerüchte um eine Plagiats-Affäre, die ihn mal wüten und mal winseln lassen. Thiel hat parallel damit zu kämpfen, dass sowohl sein Assistent als auch Boernes berufliche bessere Hälfte Silke Haller mit ihren Gedanken ganz woanderssi­nd.

Sonst noch was? Ach so, ja natürlich. In den Episodenha­uptrollen des atmosphäri­sch schön in Szene gesetzten Kommunen-Kappes geben sich sowohl Künstler- als auch tatsächlic­her Adel vor der Kamera die Ehre: Nikolai Kinski ist beispielsw­eise der Sohn aus dritter Ehe von Klaus Kinski, August Wittgenste­in („Ku’damm”, „Das Boot”) heißt mit vollem Namen August-Frederik Prinz zu Sayn-Wittgenste­in-Berleburg. Das sind die harten Fakten. Machen Sie sich einen schönen Sonntagabe­nd damit.

„Tatort: Rhythm and Love”, Das Erste, 20.15 Uhr

 ?? FOTO: WDR ?? Etwas weniger störrisch als die teils verdächtig­en Kommunarde­n: Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) mit Alpakas.
FOTO: WDR Etwas weniger störrisch als die teils verdächtig­en Kommunarde­n: Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) mit Alpakas.

Newspapers in German

Newspapers from Germany