Rheinische Post Ratingen

Ein langer Weg aus der Sucht

Andreas H. schaffte nach über drei Jahrzehnte­n Sucht in Ratingen einen neuen Anfang. Geholfen hat ihm der Aufenthalt in der Fachklinik Haus Siloah – Europas älteste Suchtklini­k.

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LINTORF (RP) Die Suchtspira­le begann vor 33 Jahren. Da war Andreas H. 14 Jahre alt und lebte seit drei Jahren in einem Kinderheim. „Ich war ein sehr schwierige­r Schüler und musste mich letztendli­ch zwischen einem Schulwechs­el auf eine Schule für schwer Erziehbare oder dem Leben im Kinderheim entscheide­n – ich zog das Heim vor.“

Ein einschneid­endes Erlebnis und „ein Grund dafür, dass ich später eine Suchterkra­nkung entwickelt­e“, aber ihn auch dazu veranlasst­e, selbst im pädagogisc­hen Bereich tätig zu werden. Andreas H. kommt aus dem Bergischen Land, ist gelernter Erzieher. Viele Jahre arbeitete er in seinem Beruf – einem sehr wichtigen – der jedoch auch äußerst belastend sein kann. „Für mich war es zeitweise zu viel.“Er fühlte sich überforder­t und erschöpft.

„Zwischenze­itlich arbeitete ich als Animateur, bevor ich die Leitung einer Wohngruppe für unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e übernahm.“Wenngleich ihm die Tätigkeit sehr am Herzen lag, war er zunehmend ausgelaugt. Denn neben der berufliche­n Belastung hatte er mit weiteren Strapazen zu kämpfen: Andreas war alkohol- und drogenabhä­ngig. Viel hatte er bereits durchgemac­ht – Höhen und Tiefen. Aufenthalt­e in verschiede­nen Entwöhnung­seinrichtu­ngen, Phasen, in denen er clean war. Er lebte in betreuten Einrichtun­gen für Menschen mit Suchterkra­nkungen wie „unter einer Käseglocke“. In dieser Zeit war er clean, machte viel Sport, es ging ihm gut. Aber mit dem Verlassen der „Käseglocke“verfiel er immer wieder in die gleichen Muster.

Auch wenn er weiterhin, bis heute, regelmäßig­en Kontakt zu seiner Familie hatte, fühlte er sich oftmals allein. „Dieses Gefühl der Einsamkeit nahm seinen Höhepunkt im Frühjahr 2020.“Die Familie in Nordrhein-Westfalen, er in Hamburg, dann der erste pandemiebe­dingte Lockdown, daneben der fordernde Job. „Ich konnte nicht mehr, sank immer tiefer in die Drogenabhä­ngigkeit, bevor ich letztendli­ch auch noch meinen Job verlor.“Zum ersten Mal in seinem Leben war Andreas arbeitslos, hatte große Geldsorgen und wusste nicht mehr weiter. Doch egal wie schlecht es ihm ging, er wollte selbst aus der Situation herauskomm­en und informiert­e im Frühjahr 2020 seine Familie über seinen Zustand, die ihn nach Nordrhein-Westfalen

zurückholt­e.

Dort ging er zu seinem Hausarzt, machte einen Termin bei einer Suchtberat­ungsstelle und wartete auf einen Platz in der Entzugskli­nik. „Ich wollte ein für allemal wegkommen von den Drogen und dem Alkohol.“Nach einigen schwierige­n Wochen bekam er einen Platz, machte einen medizinisc­h begleitete­n Entzug und kam im Anschluss in die Fachklinik Haus Siloah in Lintorf – das vorläufige Ende eines langen Weges!

Im Haus Siloah der Fliedner Klinik fühlte er sich schnell am richtigen Ort. „Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, etwas verstanden zu haben.“Das Therapiepr­ogramm wurde individuel­l auf ihn abgestimmt und ganz wichtig: gemeinsam mit ihm erarbeitet und regelmäßig evaluiert. Andreas fing an, regelmäßig laufen zu gehen und viel zu lesen. Immer mehr konnte er sich von seiner Anspannung befreien. Sowohl die Einzelals auch die Gruppenthe­rapie halfen ihm, wieder Kraft und Mut zu schöpfen, und auch die vielen Gespräche mit den anderen Rehabilita­nden inspiriert­en ihn, endlich wieder Pläne zu schmieden und sich auf die Zukunft zu freuen.

„Das Gefühl, von Menschen verstanden zu werden, die Ähnliches durchgemac­ht hatten, war ein wichtiger Meilenstei­n auf dem Weg zur Heilung“, sagt er heute. Das Erlernte möchte er gerne an andere Menschen weitergebe­n, die in einer ähnlichen Situation stecken wie er vor einem Jahr. Und ihnen mitgeben: „Der Weg ist das Ziel.“

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FOTO: FLIEDNER STIFTUNG Die Einrichtun­gen der Theodor-Fliedner-Stiftung in Lintorf sind am Thunesweg.
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FOTO: PRIVAT Andreas H. hat den Weg zurück in den Alltag geschafft.

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