Rheinische Post Ratingen

Impfzentru­m: Fachkräfte beschimpft

Die Verunsiche­rung unter Bürgern ist groß. Ärzte und Helfer müssen die Folgen der sich ständig ändernden Bestimmung­en ausbaden und viel Kritik einstecken. Man sei der Prellbock und bekomme den Unmut der Impflinge ab.

- VON VALESKA VON DOLEGA UND NORBERT KLEEBERG

RATINGEN Wer blickt da noch durch? Nahezu täglich ändern sich die Rahmenbedi­ngungen. Und so geht das momentane Gezerre ums Impfen in die nächste Runde. Letzter Stand der Dinge ist: Jeder, der will, soll sich impfen lassen können. Denn Gesundheit­sminister Jens Spahn will für die Coronaschu­tzimpfunge­n mit dem Vakzin Astrazenec­a die Priorisier­ung aufheben. Die Verunsiche­rung bei Bürgern ist groß.

„Ich weiß gar nicht mehr, wie ich mich impfen lassen soll“, sagt Karla Schmitt total verunsiche­rt. Sie ist impfwillig, „das Wichtigste ist doch: Hauptsache geimpft“. Aber erst geriet Astrazenec­a in Verruf, jetzt ist es „plötzlich toll, ich weiß nicht, was ich noch glauben soll“. Ganz pragmatisc­h geht Frank Winja die Sache an: „Ich würde jeden Impfstoff nehmen, Hauptsache ist: Ich werde geimpft.“Über das Wirrwarr, das die Politik auslöst, kann er nur lachen. „Da scheint die eine Hand nicht zu wissen, was die andere tut“, betont der 60-Jährige. „In anderen Ländern scheint das Thema besser umgesetzt zu werden“, meint er.

Auch der Abstand zwischen erstem und zweitem Impftermin soll neuerdings flexibler gestaltet werden. „Was denn nun?“, fragt Dietmar Schwarz. „Dann waren die Bestimmung­en, die vorher galten, bloß Quatsch?“

Die Verunsiche­rung ihrer Patienten bekommen die Ärzte im Impfzentru­m Erkrath tagtäglich zu spüren, wie Thomas Nasse, einer der ärztlichen Leiter des Impfzentru­ms, berichtet. „Wir sind der Prellbock und bekommen den Unmut

der Impflinge ab“, beschreibt er die Reaktion der Leute auf die sich ständig ändernden Bestimmung­en aus der Politik.

Im Bemühen, ihre Patienten „bestens zu versorgen“, werden die Ärzte ebenso wie Helfer hemmungslo­s beschimpft. „Wir sind die Bösen und baden an vorderster Front aus, was die Politik einfädelt“, sagt der Arzt. „Ich habe großes Verständni­s für die Verunsiche­rung und den Unmut“, die sich so oft von der Politik ändernden Vorgaben „lassen sich schwer bis gar nicht erklären“.

Denn ausgearbei­tete Konzepte sowohl zur Impfstoffb­estellung wie auch zur Impfung selbst würden damit auf den Kopf gestellt. Einbestell­te Impflinge würden nachfragen, „warum bekomme ich ‚nur’ Astrazenec­a und nicht das gute Biontech“,

berichtet er aus dem Alltag. Heftige Debatten bis zu Anfeindung­en sind nicht selten.

Gabriele Glücks, kürzlich noch empört über das Chaos rund ums Impfzentru­m, findet nun „nichts als lobende Worte“. Der erste Termin zur Impfung platzte, „aus dem Impfzentru­m kam ein Anruf zur Neuverabre­deung“, berichtet sie begeistert.

Seit auch die Hausärzte gegen Corona

impfen, hat sich die Quote derer verdoppelt, die ihren Impftermin in Erkrath nicht antreten. Die „NoShow-Quote“heißt das intern bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g. Die Zahl ist in Erkrath von anfangs zwei, manchmal drei Prozent der Impflinge pro Tag auf über sieben Prozent angestiege­n.

Dass damit Impfstoff übrig bleibt, scheint den Leuten egal zu sein. „Deshalb haben wir die herzliche Bitte: Sagen Sie Impftermin­e ab, die Sie nicht brauchen!“, appelliert die Sprecherin des Kreises, Daniela Hitzemann, an alle, die nicht kommen können. Das Zentrum führte zuletzt Warteliste­n mit Menschen aus Risikogrup­pen, Angehörige­n von Schwangere­n, Menschen, die Senioren betreuen, und jenen aus gefährdete­n Berufsgrup­pen oder mit Vorerkrank­ungen. Da wird dann angerufen und gefragt, ob man Zeit hat, spontan zu kommen.

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RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Am Impfzentru­m in Erkrath, das für den Kreis Mettmann und damit auch für die Stadt Ratingen zuständig ist, herrscht großer Andrang.

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