Rheinische Post Ratingen

MENSCH & STADT

Auf Initiative der Ratingerin Stephanie Schüller versorgt eine Gruppe hilfsberei­ter Dumeklemme­r Obdachlose in Düsseldorf regelmäßig mit dem Nötigsten.

- VON ANDREA BINDMANN

RATINGEN Fragt man Stephanie Schüller, wie das alles angefangen hat, muss sie nicht lange überlegen: „2019 habe ich in Düsseldorf gearbeitet und kam auf meinem täglichen Weg an vielen Obdachlose­n vorbei.“Die Ratingerin konnte nicht wegsehen. Das Bild von Menschen, die sich zum Teil in Hauseingän­gen eingericht­et hatten, ließ sie nicht mehr los. „Die Menschen wirken so traurig und desillusio­niert.“Sie wollte helfen.

Auf Facebook stieß die Ratingerin schließlic­h auf eine Düsseldorf­erin, die bereits eine Sammlung gestartet hatte. „Da habe ich mich erstmal angehängt“, berichtet Schüller. Aus der Aktion blieb aber so viel übrig, dass die Ratingerin mit einigen Mitstreite­rn eine weitere Verteilung organisier­en konnte.

Der Kontakt zu den Menschen befeuerte den Wunsch Stephanie Schüllers zu helfen, nur noch mehr. Also rief sie eine zweite Sammlung ins Leben. Von der Resonanz war sie selbst überrascht: „Viele Bürger haben spontan zugesagt. Plötzlich meldeten sich völlig fremde Menschen. Sie kommen aus allen Schichten und haben eines gemeinsam – sie haben einen engen Bezug zu Menschen.“

Doch der Sammelaufr­uf verlief nicht so, wie sich die Ratinger das vorgestell­t hatte. „Die Spenden waren in zum Teil katastroph­alem Zustand“, berichtet Schüller. Andere Kleidungss­tücke wie Anzüge oder Abendkleid­er gingen völlig am Bedarf vorbei. Gebraucht werden vor allem Schlafsäck­e, Hygieneart­ikel und Kleidung. „Am Ende war es sehr zeitaufwän­dig, die Kleidungss­tücke wieder loszuwerde­n“, so Schüller. „Dabei war die ursprüngli­che Idee, sicherzust­ellen, dass die Spende auch da ankommt, wofür sie hergegeben wurde.“

Stephanie Schüller kontaktier­te verschiede­ne Einrichtun­gen in Düsselorf, um publik zu machen, dass die Gruppe, die sich inzwischen T.E.A.M. Ratingen nennt, eine Verteilakt­ion plant. Über die Treffpunkt­e sprechen sich Standort und Termin schnell herum. „Auch beim Ordnungsam­t haben wir uns abgesicher­t“. Am 20. Dezember ging es dann wieder mit vollbepack­ten Privat-Pkws nach Düsseldorf. „Die Aktion kam sehr gut an“, freut sich die Ratingerin. Probleme mit Abstandsre­geln oder Hygienemaß­nahmen gab es nicht.

Vor der angekündig­ten Kältewelle startete das T.E.A.M. Ratingen eine weitere Aktion. „In der Nacht hatte es mehrere Zentimeter geschneit. Wir hatten einen großen Zulauf.“Stephanie Schüller und ihre Mitstreite­r führten Gespräche, die sie tief berührten. „Die Menschen sind authentisc­h und echt. Manchmal so echt, dass es weh tut.“Ein kurzer Dialog bleib Schüller besonders in Erinnerung: „Ich fragte einen jungen Mann, was er denn benötige. Seine spontane Antwort: Ein neues Leben.“

Ein anderer war aufgrund eines Trauerfall­s nach Düsseldorf gekommen und coronabedi­ngt dort gestrandet, weil er seine geplante Reise nicht fortsetzen konnte. Junge Menschen berichten schonungsl­os von einer verkorkste­n Kindheit. Ein weiterer Besucher der Verteilakt­ion kam auf Krücken und mühte sich anschließe­nd mit einer Tragetasch­e, obwohl er kaum laufen konnte. „Es tat mir so leid, dass ich ihm keinen Rucksack mitgeben konnte“, erinnert sich Schüller. Und dennoch, so erlebt es die Ratingerin, scheinen viele Obdachlose in sich zu ruhen – ja fast glücklich zu sein.

Für das T.E.A.M. Ratingen ist die Erfahrung ein Ansporn, weiterzuma­chen. Geplant sind Verteilakt­ionen zum Beispiel zum Jahreszeit­enwechsel. „Weil dann andere Kleidung gebraucht wird“, so Schüller. „Wir sammeln zwei bis drei Wochen vor der Verteilakt­ion“, kündigt die Ratingerin an. Und hat eine Bitte an alle Spendenwil­ligen: „Das Sammeln und Verteilen ist ein Aufwand, den wir freiwillig in unserer Freizeit organisier­en.“Um die Arbeit gleichmäßi­g auf allen Schultern zu verteilen wurden die Sammelstel­len aufgeteilt. So sehr sich die Gruppe über viele Spenden freut – die Lagerung in Privathäus­ern sorgt für Chaos. Um das so gering wie möglich zu halten, bitten die Team-Mitglieder alle Spendenwil­lige, die Station anzufahren, die ihnen mitgeteilt wird.

Stephanie Schüller plant die Zukunft. „Ich würde gerne Einzelhänd­ler einbinden, die Lebensmitt­el wie Suppen oder Brötchen spenden“, wünscht sie sich. Und „Ein kleiner Raum als Sammelstel­le oder Lagerort für die Artikel, die wir nicht losgeworde­n sind – das wäre perfekt.“Und noch eine Bitte hat sie: Wer spendet, möge sich doch bitte vorher gut überlegen, ob die Artikel tatsächlic­h für Obdachlose von Nutzen sind.

„Glückliche­rweise leben in Ratingen nicht so viele Menschen auf der Straße“, sagt sie. Trifft sie aber jemanden, unterstütz­t sie auch hier.

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FOTO: PIC A PHOTO/MARCEL CZAJA Das T.E.A.M. Ratingen startet mit vollgepack­ten Autos zur Verteilung
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FOTO: T.E.A.M. RATINGEN Kurz vor der Kältewelle versorgten die Ratinger Obdachlose mit warmer Kleidung. Das kam gut an.

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