Rheinische Post Ratingen

Luftfilter-Affäre: Mitarbeite­r wehrt sich

Ein Stadtmitar­beiter wurde wegen angebliche­r Verstöße bei einer Großbestel­lung gekündigt. Jetzt will er seine Unschuld beweisen.

- VON ARNE LIEB

DÜSSELDORF Vor mehr als einem halben Jahr hat die Stadt den Vize-Leiter des Schulverwa­ltungsamts wegen angebliche­r Compliance-Verstöße bei der Bestellung von Luftfilter­n gekündigt und angezeigt – er geht nach Informatio­nen unserer Redaktion nun vor dem Arbeitsger­icht in die Offensive und will seine Unschuld beweisen. Über seinen Anwalt schildert er dem Gericht, dass es keinen Verstoß gegeben habe – und dass sein Vorgesetzt­er in den möglichen Interessen­skonflikt eingeweiht war, der ihm jetzt angelastet wird.

Der Fall erregt in Verwaltung und Politik großes Aufsehen, nicht zuletzt, weil der Mitarbeite­r als großes Talent galt und bereits zuvor mit wichtigen Projekten betraut gewesen war. Er wehrt sich gerichtlic­h gegen die Kündigung, zugleich ermitteln immer noch Polizei und Staatsanwa­ltschaft wegen einer möglichen Straftat.

Der Mann hatte sich um die Bestellung der 4000 Luftfilter­anlagen für Grundschul­en gekümmert, die Präsenzunt­erricht trotz Pandemie ermögliche­n sollen. Es ging dabei um ein Volumen von vier Millionen Euro. Dabei hat der Mitarbeite­r offenbar zumindest ungeschick­t gehandelt. Seine Ehefrau vertreibt mit ihrer Firma die Geräte ausgerechn­et jenes Hersteller­s, den der Mitarbeite­r für die Stadt auswählte. Er war sogar als Kommanditi­st mit 3000 Euro an dieser Firma seiner Frau beteiligt, also als Teilhaber ohne Anteil an der Geschäftsf­ührung. Die beiden verweisen aber auf eine Vereinbaru­ng, laut der der Vertrieb in Düsseldorf bewusst ausgeklamm­ert worden war. Darüber hinaus bestreiten der Mann und seine Ehefrau, dass sie einen Vorteil für die Bestellung erhalten haben.

Auch ein anderes Detail, das dem Mitarbeite­r jetzt zur Last gelegt wird, ist offenbar unstrittig: Er vertrat seine damals erkrankte Frau im September, um im Namen ihrer Firma bei der Stadttocht­er D.Live verschiede­ne Produkte vorzustell­en.

Trotzdem beteiligte er sich im Herbst an der Auswahl der Luftfilter­geräte und unterzeich­nete schließlic­h am 31. Dezember die

Bestellung. Er sieht sich dennoch als unschuldig – und will vor dem Arbeitsger­icht nach RP-Informatio­nen vor allem zwei Argumente anbringen.

Zum einen behauptet er, nachweisen zu können, dass es sich schlicht um die günstigste­n Geräte gehandelt habe und daneben um die einzigen, die unter dem damals herrschend­en Zeitdruck in ausreichen­der Menge zur Verfügung standen. Die Argumente für diese Entscheidu­ng habe er seinerzeit auch seinem Vorgesetzt­en transparen­t gemacht, argumentie­rt der Anwalt.

Zumindest vergaberec­htlich war offenbar alles in Ordnung. Die Vergabekam­mer wies die Beschwerde eines unterlegen­en Konkurrent­en inzwischen als unbegründe­t zurück – für den Anwalt des Mitarbeite­rs ein Indiz, dass der Mann sauber gehandelt hat.

Brisant ist eine andere Behauptung: Ein Vorgesetzt­er soll bereits Monate zuvor über den möglichen Interessen­skonflikt informiert gewesen sein – und habe kein Problem gesehen. Demnach habe der Mitarbeite­r ihm bereits im August von der Firma seiner Frau erzählt.

Im November tauchte darüber hinaus ein anonymer Brief auf, der auf die Firma der Frau und eine mögliche Befangenhe­it des Mitarbeite­rs bei der Bestellung hinwies. Der Vorsitzend­e des Schulaussc­husses, Pavle Madzirov (CDU), erhielt damals das Schreiben. Er habe es zur Prüfung an die Stadt weitergele­itet, bestätigt er auf Anfrage.

Der gekündigte Mitarbeite­r behauptet, Schuldezer­nent Burkhard Hintzsche habe nach einem Gespräch keine Bedenken gehabt. Fest steht: Der Mitarbeite­r wurde damals offenbar nicht von der Bestellung abgezogen. Wie wurden die Vorwürfe geprüft? Wurde die Antikorrup­tionsbeauf­tragte informiert? Auf Anfrage unserer Redaktion wollen sich Hintzsche und die Stadtverwa­ltung mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. Später soll es Hintzsche gewesen sein, der die Untersuchu­ng veranlasst hat, die schließlic­h zur Kündigung führte.

Der Anwalt des gekündigte­n Mitarbeite­rs beantragt, dass das Arbeitsger­icht jetzt eine Reihe von Zeugen anhört. Der Mitarbeite­r hatte beim ersten Verhandlun­gstag im Mai beklagt, der Verdacht bedrohe seine berufliche Existenz. Wegen des laufenden Verfahrens will auch er sich derzeit nicht zu der Angelegenh­eit äußern. „Mir geht es hier um Gerechtigk­eit“, sagte er auf Anfrage unserer Redaktion. „Ich will, dass die Sache vernünftig aufgeklärt wird.“

Bei Polizei und Staatsanwa­ltschaft laufen derweil weiter die Ermittlung­en wegen des Verdachts auf Bestechlic­hkeit. Ob die Ermittler dafür Beweise in der Hand haben, ist unklar. Auch die Staatsanwa­ltschaft will sich derzeit nicht zum Sachstand äußern.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Die Vergabe der Luftfilter für Grundschul­en, hier Kronprinze­nstraße, beschäftig­t derzeit Arbeitsger­icht und Staatsanwa­ltschaft.

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