Mit den Taliban reden – wohl oder übel
Nun wird im Westen also über die Frage diskutiert, ob man nach dem Desaster in Afghanistan offizielle Verhandlungen mit den Taliban aufnehmen sollte. Dahinter steht wohl noch immer die Idee, durch diplomatische Ächtung und das Aussetzen von Hilfszahlungen könne man das Land unter islamistischen Herrschern international isolieren. Das dürfte eine naive Hoffnung sein. Das lehrt nicht nur die Geschichte. Das lässt sich auch daran ablesen, dass China und Russland längst „freundliche Beziehungen“zu den Taliban aufgenommen haben. Auch die USA haben ja bereits unter Donald Trump mit den Taliban verhandelt, was den Machthabern in den afghanischen Provinzen das Signal gegeben haben dürfte, dass die Zeit der alten Regierung abgelaufen war.
Wer also in Afghanistan noch Einfluss nehmen will, und sei es, um Menschen aus dem Land zu bringen, die sich für eine andere Gesellschaft engagiert haben, muss natürlich mit den neuen Machthabern sprechen. Allerdings ist der Ausgangspunkt für solche Gespräche nach dem Abzugsdesaster denkbar schlecht. Das Nato-Bündnis steht in der moralischen Pflicht, seine Unterstützer aus dem Land zu bringen, auch um noch ein Minimum an Verlässlichkeit zu beweisen. Der Westen will also etwas, Druckmittel hat er nicht mehr. Natürlich werden die Taliban das ausnutzen.
Zudem gibt es „die Taliban“nicht, sondern militärische, politische, religiöse Flügel einer islamistischen Bewegung, mit heterogenen Zielen. China und Russland haben sich zur Umarmung entschieden, um Einfluss zu behalten auf das, was sich nun herausbildet. So offensiv opportunistisch müssen westliche Staaten nicht vorgehen, aber auch sie haben weiter Interessen in Afghanistan. Und Verantwortung für die, die sie im Glauben ließen, ihr Land sei auf einem guten Weg.
BERICHT WÖLFE IM SCHAFSPELZ, POLITIK