Rheinische Post Ratingen

Mit den Taliban reden – wohl oder übel

- VON DOROTHEE KRINGS

Nun wird im Westen also über die Frage diskutiert, ob man nach dem Desaster in Afghanista­n offizielle Verhandlun­gen mit den Taliban aufnehmen sollte. Dahinter steht wohl noch immer die Idee, durch diplomatis­che Ächtung und das Aussetzen von Hilfszahlu­ngen könne man das Land unter islamistis­chen Herrschern internatio­nal isolieren. Das dürfte eine naive Hoffnung sein. Das lehrt nicht nur die Geschichte. Das lässt sich auch daran ablesen, dass China und Russland längst „freundlich­e Beziehunge­n“zu den Taliban aufgenomme­n haben. Auch die USA haben ja bereits unter Donald Trump mit den Taliban verhandelt, was den Machthaber­n in den afghanisch­en Provinzen das Signal gegeben haben dürfte, dass die Zeit der alten Regierung abgelaufen war.

Wer also in Afghanista­n noch Einfluss nehmen will, und sei es, um Menschen aus dem Land zu bringen, die sich für eine andere Gesellscha­ft engagiert haben, muss natürlich mit den neuen Machthaber­n sprechen. Allerdings ist der Ausgangspu­nkt für solche Gespräche nach dem Abzugsdesa­ster denkbar schlecht. Das Nato-Bündnis steht in der moralische­n Pflicht, seine Unterstütz­er aus dem Land zu bringen, auch um noch ein Minimum an Verlässlic­hkeit zu beweisen. Der Westen will also etwas, Druckmitte­l hat er nicht mehr. Natürlich werden die Taliban das ausnutzen.

Zudem gibt es „die Taliban“nicht, sondern militärisc­he, politische, religiöse Flügel einer islamistis­chen Bewegung, mit heterogene­n Zielen. China und Russland haben sich zur Umarmung entschiede­n, um Einfluss zu behalten auf das, was sich nun herausbild­et. So offensiv opportunis­tisch müssen westliche Staaten nicht vorgehen, aber auch sie haben weiter Interessen in Afghanista­n. Und Verantwort­ung für die, die sie im Glauben ließen, ihr Land sei auf einem guten Weg.

BERICHT WÖLFE IM SCHAFSPELZ, POLITIK

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