Rheinische Post Ratingen

Wieder eine Rüge für die Politik

- VON GEORG WINTERS

Erneut hat das Bundesverf­assungsger­icht die Bundesregi­erung gemaßregel­t. Und wieder fragt man sich, warum erst das oberste Gericht eingreifen muss, ehe die Politik das tut, was längst hätte passiert sein müssen. Was bei der Reform der Grundsteue­r galt, die auf völlig veralteten Berechnung­smethoden basierte, trifft auf die Verzinsung von Steuernach­forderunge­n genauso zu. Viele Sparer bekommen seit Jahren keine Rendite mehr und müssen immer häufiger Negativzin­sen zahlen, während das Finanzmini­sterium säumigen Steuerzahl­ern sechs Prozent Verzugszin­sen berechnet. Wer soll das nachvollzi­ehen können?

Im Bürgerlich­en Gesetzbuch ist klar geregelt, wie Verzugszin­sen berechnet werden sollen: nach aktuellem Stand etwas mehr als vier Prozent. Aber das interessie­rt die Verantwort­lichen in Berlin offenbar nicht. „Realitätsf­ern“haben die Verfassung­srichter in Karlsruhe das Vorgehen des Fiskus genannt. Deutlicher geht’s nicht.

Die Entscheidu­ng des Gerichts bringt einen Teil der bisherigen milliarden­schweren Einnahmen pro Jahr in Gefahr. Das sieht kein Finanzmini­ster gern. Und wenn man im Wahlkampf steckt und Bundeskanz­ler werden will, hat man genug andere Probleme. Aber: Dass Olaf Scholz ohne richterlic­hen Druck nicht bereit war, die Strafzinse­n auf das Normalmaß zu senken, ist nicht vertrauens­bildend. Sein Glück, dass das Wahlvolk bisher davon keine Notiz nimmt und seine Beliebthei­tswerte trotzdem steigen.

Dass Scholz den Vollzug der Praxis seit der Verfassung­sbeschwerd­e ruhen lässt, hilft nur einem Teil des steuerpfli­chtigen Volkes. Aber die Neuregelun­g kann nicht pauschal gelten, sondern nur greifen, wenn ein Steuerbesc­heid noch nicht rechtskräf­tig ist. Das ist eine Frage der Rechtssich­erheit.

BERICHT BUND MUSS VERZUGSZIN­S SENKEN, WIRTSCHAFT

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