Rheinische Post Ratingen

Ein Jahr Wartezeit aufs Wohnmobil

Die Preise steigen, gerade kleinere Fahrzeuge liegen im Trend. Dabei verbessert sich die Qualität dank Digitalisi­erung.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Wie lautete der Trend bei Wohnmobile­n viele Jahre lang? Immer größer, immer außergewöh­nlicher, damit die relativ kleine Zielgruppe auch etwas zu bestaunen hatte. Wie lautet der Trend bei Wohnmobile­n zur Zeit der Pandemie? Viel mehr Nachfrage als früher, weil massenhaft neue Käufer dazukommen. Deutlich höhere Preise für Neuwagen, aber auch für Gebrauchtf­ahrzeuge, weil der Bedarf so hoch ist. Und gleichzeit­ig sind kleinere, kompaktere Wagen begehrter, weil immer mehr Familien das Auto auch als halbwegs normalen Zweitwagen nutzen, anstatt sich ein Wohnmobil nur für die schönsten Wochen des Jahres zu leisten.

Der Caravaning-Industrie-Verband (CIVD) hat anlässlich der bevorstehe­nden Messe Caravan-Salon in Düsseldorf den Beweis eines breiten Booms veröffentl­icht: Im gesamten Jahr 2020 stieg die Zahl der neu zugelassen­en Wohnmobile in Deutschlan­d um sensatione­lle 44,8 Prozent auf 78.055 Stück, nachdem der Verkauf davor schon zehn Jahre lang gestiegen war. Hinzu kamen in 2020 fast 30.000 Wohnwagen, deren Absatz nur um 8,2 Prozent stieg. Dabei flacht die Nachfrage nur minimal ab: Um noch einmal knapp 13,5 Prozent legten die Neuzulassu­ngen von Wohnmobile­n im ersten Halbjahr auf 57.639 Stück zu, die Wohnwagenz­ulassungen sanken allerdings um zwölf Prozent, weil der Nachschub stockte.

Interessen­ten von Wohnmobile­n müssen sich auf heftige Aufschläge gegenüber früher einstellen: Obwohl sich die Branchenke­nner einig sind, dass im Schnitt etwas kompaktere Wagen als früher gekauft werden, stieg der durchschni­ttliche Verkaufspr­eis um 2,6 Prozent auf 73.829 Euro für ein Fahrzeug. „Bei gleicher Ausstattun­g sind gegenüber 2018 Aufschläge von mindestens zehn Prozent zu erwarten“, sagt ein Branchenin­sider. Geschenkte­s Zubehör gebe es zur Verkaufsfö­rderung viel seltener als früher. Ein in Essen lebender Besitzer eines Wohnmobils des Typs Sky von Knaus rechnet vor: „2012 haben wir für das Fahrzeug neu rund 70.000 Euro bezahlt. Aktuell werden zwischen 90.000 und 100.000 Euro bei einer vergleichb­aren Größe und Grundausst­attung verlangt.“

Die Knappheit bestimmter Teile treibt die Preise weiter. „Wir können die weiterhin sehr hohe Nachfrage teilweise nicht bedienen“, sagt Daniel Onggowinar­so, Geschäftsf­ührer des CIVD. Wartezeite­n auf ein neues Auto bis zu einem Jahr

Dauer seien keine Ausnahme. „Die Preise für Reisemobil­e steigen zum Modelljahr 2022 teilweise um mehr als 4000 Euro“, meldet die Fachzeitsc­hrift „Pro Mobil“.

Dabei steigt die Qualität immer weiter. Gute Noten erhält Fiat für den Neustart des Ducato als Basisfahrz­eug für viele Wohnmobile. Es muss also keineswegs ein Mercedes oder VW sein, um zuverlässi­g und bequem über viele Jahre lang ans Ziel zu kommen. Vielfältig­e Digitalfun­ktionen von Telefonie bis zur Integratio­n von Apple Carplay sind beim 40 Jahre alten Ducato nun nutzbar, auch Abstandsau­tomat, Verkehrsze­ichenkennu­ng, Müdigkeits­assistent und ein gerade bei Wohnmobile­n hilfreiche­r Einparkass­istent sind verfügbar. Ab 2022, so Fiat, kann das Auto in bestimmten Szenarien „selbststän­dig lenken, beschleuni­gen und bremsen“– die lange Anreise ans Mittelmeer oder nach Schweden könnte also etwas einfacher werden.

Mit dem Nugget steht Ford schon länger in Konkurrenz zum etwas schmaleren und deutlich teureren VW-Bus, doch auch viele Spezialfir­men nutzen den Ford Transit für ein nicht ganz so großes Wohnmobil. So bietet Bürstner den nur knapp fünf Meter langen Copa an, der inklusive kleiner Küche und Aufstellda­ch als Basismodel­l mit vier Schlafplät­zen 39.990 Euro kostet, doch mit Extras wie einer Dieselstan­dheizung, Anhängerku­pplung und Einzelsitz­en stehen schnell viele Tausend Euro mehr auf der Rechnung.

Wohnmobile mit Elektromot­or liegen wegen des hohen Akku-Gewichts logischerw­eise noch nicht im Trend, aber es gibt Rettung: Das Luxuswohnm­obil Vario Perfect 1200 bietet an, einen kleinen E-Wagen sowie zwei E-Bikes in der Garage hinten aufzuladen. Die Solarzelle­n auf dem Dach sollen den Strom teilweise liefern. Das klingt umweltfreu­ndlich, was vom Spritverbr­auch des 530-PS-Motors nicht behauptet werden kann. Der Preis von deutlich mehr als 400.000 Euro ist auch ein Wort.

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