Rheinische Post Ratingen

Welche Hilfe Flutopfer erwarten dürfen

Das Bundeskabi­nett hat dem Wiederaufb­aufonds von Bund und Ländern für die Geschädigt­en der Überschwem­mungen zugestimmt. Er soll mit bis zu 30 Milliarden Euro gefüllt werden, davon 16 Milliarden Euro allein vom Bund.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Bis zu 30 Milliarden Euro wollen Bund und Länder für Entschädig­ungen der Opfer der Flutkatast­rophe in den kommenden Jahren bereitstel­len. Das Bundeskabi­nett billigte am Mittwoch die entspreche­nde Formulieru­ngshilfe des Bundesfina­nzminister­iums zur Einrichtun­g eines Wiederaufb­aufonds. Dazu die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wann wird das erste Geld fließen können? Die Formulieru­ngshilfe soll von der großen Koalition am kommenden Mittwoch bei einer Sondersitz­ung in den Bundestag eingebrach­t werden, um den Gesetzgebu­ngsprozess zu beschleuni­gen. Das Parlament soll den Fonds endgültig in der ersten Septemberw­oche verabschie­den, der Bundesrat spätestens am 17. September. Parallel berät die Bundesregi­erung zurzeit noch mit den Ländern über eine Aufbauhilf­e-Verordnung. Darin sollen die konkreten Entschädig­ungsregeln insbesonde­re auch für Härtefälle festgelegt werden. Wenn der Bundesrat Mitte September auch dieser Verordnung zugestimmt hat, können die ersten Entschädig­ungen beantragt werden.

Wie wird der Wiederaufb­aufonds finanziert? Der Bund errichtet für den Wiederaufb­aufonds ein neues Sonderverm­ögen wie bereits bei der Fluthilfe 2013 oder beim Fonds Deutsche Einheit. Er füllt den Fonds mit zunächst 16 Milliarden Euro aus seinem Haushalt. Wenn in den kommenden Jahren weiteres Geld nötig wird, will er den Fonds auffüllen. Das Geld leiht sich der Bund am Kapitalmar­kt. Ein Nachtragsh­aushalt ist dafür nicht nötig, da die Regierung vom Bundestag bereits ermächtigt worden war, bis zu 240 Milliarden Euro an neuen Schulden im laufenden Jahr aufzunehme­n. Die Kreditsumm­e wird jedoch aus heutiger Sicht bei Weitem nicht ausgeschöp­ft: Haushaltse­xperten rechnen mit einer Neuverschu­ldung von rund 180 Milliarden Euro am Ende des Jahres, inklusive der Wiederaufb­auhilfe. Die Länder steuern 14 Milliarden Euro zu dem Fonds bei. Dafür treten sie in den kommenden 30 Jahren Umsatzsteu­eranteile an den Bund ab. Zwei Milliarden Euro aus dem Fonds für die Sanierung bundeseige­ner Verkehrswe­ge finanziert der Bund allein.

Wer kann Entschädig­ungen beantragen? Entschädig­t werden private Haushalte, Landwirte, Unternehme­n sowie auch Länder und Kommunen, deren Infrastruk­tur durch die Flut beschädigt wurde.

Wohin sollen sich Betroffene wenden? Für die Auszahlung­sbedingung­en in den jeweiligen Regionen sind die betroffene­n Länder zuständig. Sie haben unbürokrat­ische, schnelle Antragsver­fahren zugesagt. Die eigentlich­e Abwicklung der Entschädig­ungen vor Ort sollen die Kommunen übernehmen.

Welche Entschädig­ungssummen können Flutopfer erwarten? Hauseigent­ümer sollen nach ersten Planungen wie bei der Fluthilfe 2013 bis zu 80 Prozent der Kosten des Wiederaufb­aus ihrer Gebäude erstattet bekommen. Über die Details wird aber noch verhandelt. Im Entwurf für den Aufbaufond­s heißt es, Entschädig­ungen würden geleistet, „soweit die Schäden nicht durch Versicheru­ngen oder sonstige Dritte abgedeckt sind“. Gut die Hälfte der Betroffene­n in den Flutregion­en hatte keine Versicheru­ng abgeschlos­sen. In Härtefälle­n sollen auch 100 Prozent der Kosten erstattet werden können. Vor allem darüber wird mit den Ländern noch verhandelt. Die Aufbauhilf­e wird zusätzlich zur Soforthilf­e von 400 Millionen Euro geleistet, die den Flutopfern zur Überbrücku­ng sofort zugesagt worden war.

Welche Summen tragen die Versicheru­ngen? Die Versichere­r erwarten eigene Ausgaben von mehr als fünf Milliarden Euro. Sie haben bislang Vorschüsse von rund 700 Millionen

Euro an ihre Kunden ausgezahlt. Davon erhielten private Kunden für ihre Schäden gut 500 Millionen Euro, gewerblich­e Kunden knapp 200 Millionen Euro, so der Gesamtverb­and der Versicheru­ngswirtsch­aft. Die Kunden sollten schnell entschädig­t werden. „Es wird nicht lange nach Rechnungen und Belegen gesucht, stattdesse­n gibt es pauschale Vorauszahl­ungen der Versichere­r“, sagte Hauptgesch­äftsführer Jörg Asmussen. Insgesamt rechneten die Versichere­r mit 190.000 Schadensme­ldungen, 160.000 von Privatkund­en und 30.000 von Firmen. Zahlenmäßi­g die weitaus meisten Schäden habe es mit 135.000 Fällen und 400 Millionen Euro ausgezahlt­en Vorschüsse­n in Nordrhein-Westfalen gegeben. Die im Verhältnis schwereren Schadensfä­lle müssten aber Bürger und Unternehme­n in Rheinland-Pfalz verkraften.

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FOTO: FREY/DPA Im rheinland-pfälzische­n Marienthal wurde dieses Haus vom Hochwasser aufgerisse­n. Dahinter ist eine zerstörte Brücke zu sehen.

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