Die Welt aus der Geruchsperspektive
(schwi) Anne Walberg (Emmanuelle Devos) hat sie, die Nase. Nicht irgendeine Nase. Sondern eine, die nicht nur erkennt, dass ihr neuer Chauffeur Guillaume (Grégory Montel) geraucht hat, sondern auch die Zigarettenmarke und das Anbaugebiet des Tabaks genau bestimmen kann. Früher gehörte sie zu den gefragtesten Parfumeurinnen und schaffte es sogar auf das Cover der „Vogue“. Aber dann fiel ihr Geruchssinn von einem Tag auf den anderen aus. Ihre Karriere nahm ein jähes Ende und konnte nicht wiederbelebt werden, nachdem die Nase sehr viel später wieder funktionierte.
Ihre Agentin versorgt Anne seitdem mit Jobs jenseits der Parfum-Industrie: Ein Damentaschenhersteller muss den Gerb-Gestank des Leders neutralisieren. Ein Chemiekonzern möchte seine Abgase geruchsfreundlicher gestalten. Eine Höhle mit gefälschten Wandbildern aus der Urzeit für Touristen soll den gleichen Geruch wie die Originalhöhle bekommen.
Guillaume kutschiert die eigensinnige Duft-Ingenieurin kreuz und quer durch Frankreich zu ihren kuriosen Terminen. Der geschiedene Enddreißiger hat eigentlich andere Sorgen, als die Launen seiner Kundin zu ertragen. Aber er braucht den Job, weil er nur mit einem festen Arbeitsvertrag eine größere Wohnung und damit auch das geteilte Sorgerecht für seine Tochter bekommen kann. Mit komödiantischem Feingefühl lässt Grégory Magne in „Das Parfum des Lebens“zwei grundverschiedene Charaktere aufeinanderprallen und voneinander lernen. Während der Chauffeur seine so introvertierte wie zickige Kundin in die Grundlagen des Sozialverhaltens einführt, lernt er mit Anne die Welt aus der Geruchsperspektive kennen.
Glücklicherweise hat Magne der Versuchung widerstanden, aus diesem Ansatz eine romantische Liebesgeschichte zu konstruieren, und gibt sich mit einer zaghaft wachsenden Freudschaftsbeziehung zufrieden, in der Lebens- und Sinnesfreuden gemeinsam neu entdeckt werden.
„Parfum des Lebens“, Frankreich 2020 – Regie: Grégory Magne, mit Emmanuelle Devos, Grégory Montel,
100 Minuten