Rheinische Post Ratingen

Das Afghanista­n-Debakel stellt auch den Mali-Einsatz infrage

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Auf die Frage, ob nach dem Afghanista­n-Debakel die Auslandsei­nsätze der Bundeswehr überprüft werden müssten, speziell der gefährlich­ste von allen, der in Mali, antwortete Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) in dieser Woche unserer Redaktion: Man werde „überprüfen, ob wir gut aufgestell­t sind und was wir möglicherw­eise besser machen müssen“. Der Druck auf die Ministerin wächst, dies auch zu tun.

Elf Einsätze auf drei Kontinente­n, „vom Balkan bis nach Zypern“, heißt es auf der Website des Verteidigu­ngsministe­riums nicht ohne Stolz. Rund 2500 deutsche Soldatinne­n und Soldaten würden einen „wesentlich­en Beitrag zu weltweiter Sicherheit und Stabilität“leisten. Vornehmlic­h durch Ausbildung von Streitkräf­ten vor Ort, wie bis vor wenigen Monaten noch in Afghanista­n, wie aber auch im Irak, im Libanon – und eben in Mali. Einem Land, für das die Deutschen im Rahmen einer UN- sowie EU-Mission über ein „robustes

Mandat“verfügen. Soll heißen, sie dürfen bei Angriffen ihre Waffen einsetzen.

Der Bundestag hatte erst im vergangene­n Mai das Mandat bis 2022 verlängert und eine Obergrenze von 1100 Soldatinne­n und Soldaten festgelegt. 480 Millionen Euro an Kosten sind veranschla­gt. Bisher wurden rund 15.000 malische Soldaten geschult. Doch Geld und militärisc­hes Engagement bringen nicht zwangsläuf­ig Stabilität. Der seit 2012 tobende Konflikt zwischen islamistis­chen Rebellen und Regierung ist noch lange nicht vorbei, auch nach acht Jahren deutscher und internatio­naler Präsenz nicht.

Der malischen Regierung fehlt es nicht nur an Macht und Einfluss, sondern sie gilt auch als eher unzuverläs­sig. Im August 2020 und Mai 2021 kam es zu zwei Putschen, nach denen jeweils die zuvor amtierende Regierung abgesetzt wurde. Normalität ist noch lange nicht in Sicht. Im Gegenteil: Wie gefährlich der Einsatz ist, bekam die Bundeswehr Ende Juni erneut zu spüren, nachdem sie zuvor schon mehrfach tödlichen Zwischenfä­llen nur knapp entgangen war: Bei einem Anschlag wurden zwölf deutsche Soldaten verletzt. In einer Analyse der Bundeszent­rale für politische Bildung heißt es, im Wüstenstaa­t habe sich eine „komplexe Gemengelag­e entwickelt, in der sowohl der ethnische Konflikt um die Tuareg, die sozioökono­mische Lage der Sahelzone als auch die Expansion radikal-islamistis­cher Kräfte eine Rolle spielen“. Gewalt und Terror sind daher an der Tagesordnu­ng. Und das seit fast zehn Jahren.

Das ist die Ausgangsla­ge, die für viele Experten Parallelen zu Afghanista­n aufweist. Der Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestags, Wolfgang Hellmich (SPD), sieht das zwar nicht so. Die Lage in Mali sei anders. Dennoch kommt er zu dem Ergebnis: „Wir müssen vor dem Hintergrun­d der Erfahrunge­n in Afghanista­n den Einsatz in Mali prüfen.“Ein Abbruch sei aber keine Option. Dadurch überließe man „dschihadis­tischen und islamistis­chen Terroriste­n in der gesamten Subsahara-Region nur das Feld“.

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