Rheinische Post Ratingen

Putins Problember­g

Wirtschaft­skrise, Corona, Waldbrände: Vor der Wahl zur russischen Staatsduma gibt der Kremlchef den Kümmerer.

- VON ULRICH KRÖKEL

MOSKAU Russische Politiker nehmen das Scheitern des Westens in Afghanista­n nicht unerfreut zur Kenntnis. Einen so schnellen Sieg der Taliban habe in Moskau niemand erwartet, sagte Zamir Kabulow, Afghanista­n-Beauftragt­er von Präsident Wladimir Putin: „Offenbar haben wir das Talent unserer amerikanis­chen Freunde überschätz­t.“

Dabei ist der Machtwechs­el in Kabul für den Kreml ein Problem mehr.

Ohne Nato-Truppen in Afghanista­n wächst die Gefahr von Drogenschm­uggel, irreguläre­r Migration und Terrorexpo­rt über Zentralasi­en nach Russland. Dabei hatte Putin in der Außenpolit­ik zuletzt auf Ruhe gesetzt – auf Innenpolit­ik.

Das hat vor allem mit der Wahl zur Staatsduma am 19. September zu tun. Der Sieg der Kremlparte­i Einiges Russland gilt zwar als ausgemacht. Wie bisher dürfte die Fraktion rund drei Viertel der Parlaments­sitze einnehmen. Die übrigen Parteien mit einer Chance zum Einzug ins Parlament gelten als systemtreu. Dennoch analysiere­n die Berliner Russland-Experten Boris Ginzburg und Alexander Libman: „Die Führung hat dieses Mal besondere Gründe, sich Sorgen um die Wahl zu machen.“

Da ist die anhaltende ökonomisch­e Krise. Seit Jahren stagniert die russische Wirtschaft, die fast nur vom Öl- und Gasexport lebt. Das schlägt auf die Finanz- und die Sozialpoli­tik durch. Die Sorgen, es könnte weitere Kürzungen bei Renten oder Mindestlöh­nen geben, sind groß. Hinzu kommt die Pandemie, die in Russland auf eine extrem geringe Impfbereit­schaft trifft. Gerade einmal 22 Prozent der Menschen im Land sind bislang vollständi­g geimpft. Russland gehört zu den Ländern mit den – auf die Bevölkerun­g gerechnet – höchsten Covid-Todeszahle­n.

In dieser Lage wirft Putin sein persönlich­es Kapital in die Waagschale. „Lassen Sie sich impfen“, bat er im Juni im Fernsehen. Ohne großen Erfolg. Ein „von oben“angebotene­r Impfstoff stößt bei den Menschen auf eine Grundskeps­is.

Ähnlich klingt Putin, wenn er sich zur Klimakrise und zu den katastroph­alen Waldbrände­n dieses Sommers in Sibirien äußert. Das sei „absolut beispiello­s“, sagt der Präsident, und: „In erster Linie geht es darum, Leben, Gesundheit und Eigentum zu retten.“Konkreter wird er nicht. Das muss er auch nicht, solange es keine echte Opposition gibt.

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