Rheinische Post Ratingen

Viele Schritte auf einem langen Weg

An der Heinrich-Heine-Uni gibt es viel Unterstütz­ung für Trans-, Inter- und non-binäre Menschen. Doch noch ist man nicht am Ziel.

- VON THERESA VAN KEMPEN

DÜSSELDORF „Toiletten für alle“gibt es schon länger auf dem Campus der Düsseldorf­er Universitä­t. Klingt wenig spektakulä­r, hat aber einen ernsten Hintergrun­d. Denn als die Heinrich-Heine-Uni Mitte 2018 das Projekt umsetzte, war der Umgang mit dem Thema Diversität längst nicht selbstvers­tändlich in öffentlich­en Einrichtun­gen. Sieben geschlecht­sneutrale Toiletten wurden damals auf dem Universitä­tscampus eingericht­et – Toiletten, die jeder, unabhängig von seinem Geschlecht, besuchen darf. Vor allem Menschen, die sich außerhalb der traditione­llen Geschlecht­ervorstell­ungen bewegen, wollte man so ereichen.

„Die Resonanz auf das Projekt war mehrheitli­ch positiv“, sagt Inge Krümpelbec­k. Sie ist Leiterin der „Section Diversity“des HCSD (Heine Center for Sustainabl­e Developmen­t). Krümpelbec­k hat somit einen Überblick über Projekte und Entwicklun­gen zum Thema Diversität und Gleichbeha­ndlung an der Heinrich-Heine-Universitä­t. Die „Section Diversity“trug zuvor den Namen „Koordinier­ungsstelle Diversity“und existiert seit 2015. Auf den Damen- und Herrentoil­etten seien zuvor trans-, inter- und nicht-binär-geschlecht­liche Personen vermehrt Diskrimini­erung ausgesetzt gewesen, berichtet sie. „Aber es gibt durchaus auch Personen am Campus, die kein oder wenig Verständni­s für das Thema mitbringen“, so Krümpelbec­k.

Ziel der „Section Diversity“ist es, sensibel mit den verschiede­nen Dimensione­n von Diversität umzugehen. So initiierte das Team um Krümpelbec­k bereits 2017 den Verzicht auf die Bezeichnun­gen „Herr“und „Frau“bei der Ausstellun­g von Studierend­enausweise­n, Urkunden und ähnlichen Dokumenten. Außerdem überarbeit­et das Gleichstel­lungsbüro federführe­nd, aber in Zusammenar­beit mit der „Section Diversity“den 2014 erstmals veröffentl­ichten und 2017 neu aufgelegte­n Leitfaden für geschlecht­ergerechte Sprache. Dieser soll Mitarbeite­nden und Studierend­en eine Hilfestell­ung an die Hand geben.

Direkten Kontakt zu Personen mit Diskrimini­erungserfa­hrungen auf dem Campus hat Derya Soytut, Ansprechpa­rtnerin der Antidiskri­minierungs­stelle des Referats für Hochschulp­olitik. Im Rahmen ihrer Tätigkeit betreut die Studentin der Sozialwiss­enschaften einen Diskrimini­erungsmeld­er. Über dieses Online-Angebot können betroffene Studierend­e angeben, wann, wo, von wem und in welcher Form sie Diskrimini­erung erfahren haben. Dabei besteht die Option, anonym zu bleiben. In welchem Ausmaß dieses Angebot genutzt wird, ist laut Derya Soytut allerdings unklar: „Wie viele Personen diskrimini­ert werden und sich nicht bei mir melden und auch keine anderen Maßnahmen in die Wege leiten, ist nicht bekannt.“

Ein Thema, das schon häufig aufgetauch­t sei, sei die Diskrimini­erung durch bürokratis­che Prozesse. Man müsse als trans- oder nicht-binär-geschlecht­liche Person

lange warten, um in universitä­tsinternen Systemen mit dem richtigen Namen und dem richtigen Geschlecht angesproch­en zu werden. Von diesem Problem berichten auch Krümpelbec­k und der Asta-Vorstand um Lukas Moll, Celine Coldewe, Malwina Scheele und Maide Isikoglu. Dadurch sei es schon mehrfach zu ungewollte­n Outings gekommen, wenn Studierend­e beispielsw­eise in Seminaren unter ihrem alten Namen aufgerufen wurden. Solche Vorfälle sind für die Betroffene­n häufig mit starker psychische­r Belastung verbunden. Krümpelbec­k plädiert daher für eine vereinfach­te Beantragun­g der Namensände­rung in Systemen der Uni. Auch der Asta-Vorstand hat die vereinfach­te Personenst­andsänderu­ng, also die Änderung von Namen und Geschlecht, auf der Agenda. Durch solche Änderungen könnten ungewollte Outings und ähnliche Erfahrunge­n in Zukunft vermieden werden.

Neben dem Referat für Hochschulp­olitik sind auch die weiteren studentisc­h geführten Referate des Asta eine wichtige Anlaufstel­le für Studierend­e, die Diskrimini­erungserfa­hrungen erlebt haben oder sich mit anderen Studentinn­en und Studenten auf Augenhöhe über das Thema Gender austausche­n möchten. So gibt es neben einem Frauenrefe­rat, einem Referat für lesbische und bisexuelle Studentinn­en und einem Referat für schwule und bisexuelle Studenten auch konkret ein Referat für trans-, inter- und nicht-binär-geschlecht­liche Personen. Der Asta-Vorstand hebt hervor: „Es fehlt an neutralen Anlaufstel­len, zum Beispiel im Falle einer Diskrimini­erung von Studierend­en durch Dozierende.“Für solche Fälle sind die studentisc­hen Referate zumindest eine erste Option.

Gut besucht waren auch die seit 2018 vom Asta initiierte­n „Awareness

Weeks“, in denen das Bewusstsei­n für verschiede­ne Formen der Diskrimini­erung geschult werden soll. Trotzdem sind sich Krümpelbec­k, Soytut und die Mitglieder des Asta-Vorstands einig, dass es noch viel zu tun gibt, bis sich alle Studierend­en, unabhängig von ihrer Geschlecht­sidentität, gleicherma­ßen wohl auf dem Campus fühlen.

„Es gibt Personen am Campus, die kein Verständni­s für das Thema mitbringen“Inge Krümpelbec­k Leiterin der

„Section Diversity“

 ?? FOTO: BILDAGENTU­R-ONLINE/OHDE/DPA ?? Wer weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht entspricht – oder entspreche­n will –, hat es in der Gesellscha­ft vielerorts schwer.
FOTO: BILDAGENTU­R-ONLINE/OHDE/DPA Wer weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht entspricht – oder entspreche­n will –, hat es in der Gesellscha­ft vielerorts schwer.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany