Handwerker verzweifelt gesucht
Über Internetseiten versuchen die von der Flut betroffenen Städte, Bedarf und Angebote zusammenzubringen. Das klappt nicht immer.
BAD MÜNSTEREIFEL Die Türen und Fenster vieler Gebäude in der historischen Altstadt von Bad Münstereifel sind sperrangelweit geöffnet; das durch die Flut durchnässte Mauerwerk muss dringend trocken werden – und das schnell, ehe die kalte Jahreszeit hereinbricht. Die Luft, die von draußen hereinströmt, ist für viele die einzige Möglichkeit, die Wände halbwegs trocken zu bekommen. „Das ist aber sehr mühsam. Es fehlen massiv Bautrockner. Wir brauchen sie händeringend“, sagt Helfer Thilo Waasem, der mit einem Freund in einem betroffenen Haus mit anpackt. Die Nachfrage ist so groß, dass sogar die wenigen im Einsatz befindlichen Geräte aus den Häusern gestohlen werden. „Türen und Fenster sind schon aufgebrochen worden, um die Trockner zu klauen“, sagt er, „sie müssen bewacht oder gut weggeschlossen werden. Das ist heftig.“
Bautrockner sind derzeit in allen von der Flut schwer getroffenen Kommunen ein extrem begehrtes Gut. Würde jemand mit 500 Bautrocknern vorbeikommen, würde er ihm den roten Teppich ausrollen, sagt Tobias Schneider, Pressesprecher der Stadt Stolberg. „Die Geräte werden gerade überall gebraucht“, sagt er. Genauso wie handwerkliche Unterstützung in allen Bereichen. Denn Fachleute seien derzeit absolute Mangelware. Dagegen benötige man keine Sachspenden mehr wie etwa Kleidung oder freiwillige Helfer, die Schutt wegräumen. Schneider: „Da ist das Angebot deutlich größer als der Bedarf.“
In Bad Münstereifel sieht die Situation dagegen etwas anders aus.
Dort gebe es derzeit eher zu wenige als zu viele Menschen, die mit anpacken wollen, sagt Stadtsprecherin Laura Huppertz. Besonders in der Woche sei kaum noch Hilfe vor Ort. „Der Bedarf ist noch da, und er ergibt sich immer wieder“, erklärt sie. Fehlen würden vor allem Handwerker, Gutachter und Fachleute aus allen Sparten des Baugewerbes. Außerdem werden mit Hinblick auf die kalte Jahreszeit vor allem Heizlüfter und Elektroheizkörper benötigt sowie Materialien, um Häuser mit Heizungen ausstatten zu können.
Es fehlen aber nicht nur Baugeräte und Handwerker, es mangelt auch an Nahrungsmitteln. „Wir brauchen dringend frisches Obst, am besten Äpfel und Bananen“, sagt Gabi, die in der Verpflegungsstelle arbeitet, die infolge der Flutkatastrophe provisorisch im Erdgeschoss des Rathauses des Eifelstädtchens eingerichtet worden ist. „Auch Kaffee und Zucker fehlt. Und ganz wichtig: Trinkwasser – am besten Stilles Wasser oder Medium. Das benötigen wir am allermeisten“, sagt sie.
In der Verpflegungsstelle treffen sich viele der freiwilligen Helfer, um sich bei einem Kaffee auszutauschen. „Wir koordinieren uns untereinander vor allem über Whatsapp-Gruppen“, sagt einer der Helfer. „Leider bekommen wir dadurch aber auch nicht die fehlenden Bautrockner, Ventilatoren und Handwerker“, sagt er. Um die Hilfsangebote besser zu lenken, gehen die Städte unterschiedliche Wege. Stolberg hat eine Art digitalen Marktplatz eingerichtet, über den sowohl Bürger ihren Bedarf kommunizieren können als auch Helfer ihre Angebote. „So lassen sich beide Seiten passgenau zusammenbringen“, sagt Schneider. Ähnlich verfährt auch Bad Münstereifel; Dort wird die Hilfe gleich über mehrere Seiten koordiniert.
In Schleiden ist die Stadt eine Kooperation mit einer privaten, ehrenamtlichen Helfervereinigung eingegangen, erzählt der Erste Beigeordnete, Marcel Wolter. „Die gehen sozusagen von Tür zu Tür und ermitteln so, was gebraucht wird“, sagt Wolter. Oft handele es sich um alltägliche Dinge, die im Ort derzeit nicht mehr zu bekommen seien wie beispielsweise spezielle Medikamente. Viele hätten auch kein warmes Wasser mehr, dort würden Duschcontainer aufgestellt, oder es gehe etwa darum, Wohnungen zu vermitteln.
Wie in Stolberg und in Bad Münstereifel fehlen auch in Schleiden vor allem Fachleute. Über den Kreis Euskirchen können sich diese in Listen
eintragen, auch wenn sie Material spenden wollen, vor Ort werde dann an Hilfesuchende vermittelt. Um aber etwa Uferbereiche von Bächen und Flüssen von Schwemmgut zu befreien, müsse schweres Gerät herangezogen werden. Das übernehme das Technische Hilfswerk, sagt Wolter. In Stolberg wurden dafür Pioniere der Bundeswehr eingesetzt, erklärt Pressesprecher Schneider. Freiwillige Helfer seien damit überfordert. Schleidens Beigeordneter Wolter erwartet, dass sich die Lage dahingehend weiterentwickelt, dass die benötigte Hilfe immer spezieller wird. Im Fokus stehen dabei vor allem Wohnraumvermittlung, funktionierende Heizungen und eine gesicherte Verpflegung. Der diesbezügliche Bedarf werde jetzt ermittelt. „Aber auch die Nachfrage nach psychologischer Hilfe wird zunehmen“, sagt Wolter, „denn viele Menschen waren und sind hier traumatischen Belastungen ausgesetzt.“
Gleichwohl werden regional neben den händeringend gesuchten Handwerkern auch weiterhin Hilfskräfte aller Art gebraucht, betont Sprecherin Laura Huppertz aus Bad Münstereifel. „Jede helfende Hand ist bei uns willkommen und trägt ihren Teil zum Wiederaufbau bei“, sagt Huppertz. Besonders groß ist die Nachfrage nach Elektrikern. „Allein die ganzen Stromzähler in den Gebäuden, die unter Wasser standen, müssen wieder repariert werden. Und das können nur Fachleute“, sagt Helfer Thilo Waasem. Große Hoffnung, die dringend benötigten Baugeräte und Handwerker kurzfristig zu bekommen, hat er derzeit allerdings nicht. Waasem: „Wo sollen die auch herkommen?“
„Es fehlen massiv Bautrockner. Wir brauchen sie händeringend“Thilo Waasem Helfer