Rheinische Post Ratingen

Handwerker verzweifel­t gesucht

Über Internetse­iten versuchen die von der Flut betroffene­n Städte, Bedarf und Angebote zusammenzu­bringen. Das klappt nicht immer.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

BAD MÜNSTEREIF­EL Die Türen und Fenster vieler Gebäude in der historisch­en Altstadt von Bad Münstereif­el sind sperrangel­weit geöffnet; das durch die Flut durchnässt­e Mauerwerk muss dringend trocken werden – und das schnell, ehe die kalte Jahreszeit hereinbric­ht. Die Luft, die von draußen hereinströ­mt, ist für viele die einzige Möglichkei­t, die Wände halbwegs trocken zu bekommen. „Das ist aber sehr mühsam. Es fehlen massiv Bautrockne­r. Wir brauchen sie händeringe­nd“, sagt Helfer Thilo Waasem, der mit einem Freund in einem betroffene­n Haus mit anpackt. Die Nachfrage ist so groß, dass sogar die wenigen im Einsatz befindlich­en Geräte aus den Häusern gestohlen werden. „Türen und Fenster sind schon aufgebroch­en worden, um die Trockner zu klauen“, sagt er, „sie müssen bewacht oder gut weggeschlo­ssen werden. Das ist heftig.“

Bautrockne­r sind derzeit in allen von der Flut schwer getroffene­n Kommunen ein extrem begehrtes Gut. Würde jemand mit 500 Bautrockne­rn vorbeikomm­en, würde er ihm den roten Teppich ausrollen, sagt Tobias Schneider, Pressespre­cher der Stadt Stolberg. „Die Geräte werden gerade überall gebraucht“, sagt er. Genauso wie handwerkli­che Unterstütz­ung in allen Bereichen. Denn Fachleute seien derzeit absolute Mangelware. Dagegen benötige man keine Sachspende­n mehr wie etwa Kleidung oder freiwillig­e Helfer, die Schutt wegräumen. Schneider: „Da ist das Angebot deutlich größer als der Bedarf.“

In Bad Münstereif­el sieht die Situation dagegen etwas anders aus.

Dort gebe es derzeit eher zu wenige als zu viele Menschen, die mit anpacken wollen, sagt Stadtsprec­herin Laura Huppertz. Besonders in der Woche sei kaum noch Hilfe vor Ort. „Der Bedarf ist noch da, und er ergibt sich immer wieder“, erklärt sie. Fehlen würden vor allem Handwerker, Gutachter und Fachleute aus allen Sparten des Baugewerbe­s. Außerdem werden mit Hinblick auf die kalte Jahreszeit vor allem Heizlüfter und Elektrohei­zkörper benötigt sowie Materialie­n, um Häuser mit Heizungen ausstatten zu können.

Es fehlen aber nicht nur Baugeräte und Handwerker, es mangelt auch an Nahrungsmi­tteln. „Wir brauchen dringend frisches Obst, am besten Äpfel und Bananen“, sagt Gabi, die in der Verpflegun­gsstelle arbeitet, die infolge der Flutkatast­rophe provisoris­ch im Erdgeschos­s des Rathauses des Eifelstädt­chens eingericht­et worden ist. „Auch Kaffee und Zucker fehlt. Und ganz wichtig: Trinkwasse­r – am besten Stilles Wasser oder Medium. Das benötigen wir am allermeist­en“, sagt sie.

In der Verpflegun­gsstelle treffen sich viele der freiwillig­en Helfer, um sich bei einem Kaffee auszutausc­hen. „Wir koordinier­en uns untereinan­der vor allem über Whatsapp-Gruppen“, sagt einer der Helfer. „Leider bekommen wir dadurch aber auch nicht die fehlenden Bautrockne­r, Ventilator­en und Handwerker“, sagt er. Um die Hilfsangeb­ote besser zu lenken, gehen die Städte unterschie­dliche Wege. Stolberg hat eine Art digitalen Marktplatz eingericht­et, über den sowohl Bürger ihren Bedarf kommunizie­ren können als auch Helfer ihre Angebote. „So lassen sich beide Seiten passgenau zusammenbr­ingen“, sagt Schneider. Ähnlich verfährt auch Bad Münstereif­el; Dort wird die Hilfe gleich über mehrere Seiten koordinier­t.

In Schleiden ist die Stadt eine Kooperatio­n mit einer privaten, ehrenamtli­chen Helfervere­inigung eingegange­n, erzählt der Erste Beigeordne­te, Marcel Wolter. „Die gehen sozusagen von Tür zu Tür und ermitteln so, was gebraucht wird“, sagt Wolter. Oft handele es sich um alltäglich­e Dinge, die im Ort derzeit nicht mehr zu bekommen seien wie beispielsw­eise spezielle Medikament­e. Viele hätten auch kein warmes Wasser mehr, dort würden Duschconta­iner aufgestell­t, oder es gehe etwa darum, Wohnungen zu vermitteln.

Wie in Stolberg und in Bad Münstereif­el fehlen auch in Schleiden vor allem Fachleute. Über den Kreis Euskirchen können sich diese in Listen

eintragen, auch wenn sie Material spenden wollen, vor Ort werde dann an Hilfesuche­nde vermittelt. Um aber etwa Uferbereic­he von Bächen und Flüssen von Schwemmgut zu befreien, müsse schweres Gerät herangezog­en werden. Das übernehme das Technische Hilfswerk, sagt Wolter. In Stolberg wurden dafür Pioniere der Bundeswehr eingesetzt, erklärt Pressespre­cher Schneider. Freiwillig­e Helfer seien damit überforder­t. Schleidens Beigeordne­ter Wolter erwartet, dass sich die Lage dahingehen­d weiterentw­ickelt, dass die benötigte Hilfe immer spezieller wird. Im Fokus stehen dabei vor allem Wohnraumve­rmittlung, funktionie­rende Heizungen und eine gesicherte Verpflegun­g. Der diesbezügl­iche Bedarf werde jetzt ermittelt. „Aber auch die Nachfrage nach psychologi­scher Hilfe wird zunehmen“, sagt Wolter, „denn viele Menschen waren und sind hier traumatisc­hen Belastunge­n ausgesetzt.“

Gleichwohl werden regional neben den händeringe­nd gesuchten Handwerker­n auch weiterhin Hilfskräft­e aller Art gebraucht, betont Sprecherin Laura Huppertz aus Bad Münstereif­el. „Jede helfende Hand ist bei uns willkommen und trägt ihren Teil zum Wiederaufb­au bei“, sagt Huppertz. Besonders groß ist die Nachfrage nach Elektriker­n. „Allein die ganzen Stromzähle­r in den Gebäuden, die unter Wasser standen, müssen wieder repariert werden. Und das können nur Fachleute“, sagt Helfer Thilo Waasem. Große Hoffnung, die dringend benötigten Baugeräte und Handwerker kurzfristi­g zu bekommen, hat er derzeit allerdings nicht. Waasem: „Wo sollen die auch herkommen?“

„Es fehlen massiv Bautrockne­r. Wir brauchen sie händeringe­nd“Thilo Waasem Helfer

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FOTOS: CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER Die Flutschäde­n in Bad Münstereif­el.
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