Rheinische Post Ratingen

Der Kandidaten­check vor dem TV-Dreikampf

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Chancen Für den Kanzlerkan­didaten der Union, Armin Laschet, stehen die Chancen gut, beim Triell Boden gutzumache­n. Denn selbst in der Union sind die Erwartunge­n nicht sonderlich hoch, ein solider Auftritt würde schon positiv gewertet. Laschet kann die Reihen hinter sich wieder etwas schließen, Kritiker zum Verstummen bringen. Er muss angreifen, darf aber nicht überziehen. Vor allem muss er inhaltlich konkreter werden. Vielleicht kommt nach einem erfolgreic­hen Triell die Leichtigke­it zurück, die dem Kandidaten abhandenge­kommen zu sein scheint.

Risiken Auf Laschet lastet ein erhebliche­r Druck. Und je größer der Druck, desto höher das Pannen-Risiko. Für den 60-Jährigen ohnehin ein Problem, denn sein Wahlkampf ist bislang von einigen Fehltritte­n überschatt­et. Und das Netz lauert nur auf weitere. Hinter den Kulissen heißt es,

Laschet bereite sich intensiv auf den TV-Dreikampf vor, er kenne die Risiken. „Er liest und liest und liest“, so ein Vertrauter. Bei seinem ersten Auftritt als Kanzlerkan­didat in der Sendung von „Markus Lanz“tappte er ziemlich planlos in alle möglichen Fallen.

Schwächen Der NRW-Ministerpr­äsident gilt als impulsiv, wenn er gereizt wird, kann er schon mal die Fassung verlieren. Vor einem Millionenp­ublikum darf ihm das nicht passieren. Auch eilt dem CDU-Chef der Ruf voraus, sprunghaft, unorganisi­ert und zu wenig kantig zu sein. Im Triell muss er sich deshalb inhaltlich sattelfest präsentier­en, um Schwächen zu überdecken.

Stärken Laschet hat eine sanfte und freundlich­e Art, die er immer dann einsetzt, wenn er sich als Kümmerer, als Mann des Ausgleichs präsentier­t, der das Land zusammenfü­hren will. Diese Karte wird er spielen. Dass ihn ein klarer Wertekompa­ss leitet, ist ein Pfund des Kandidaten. (has)

Chancen Für die Kanzlerkan­didatin der Grünen, Annalena Baerbock, ist es nach einer Pannenseri­e bergab gegangen – der fehlerhaft­e Lebenslauf oder die umstritten­en Passagen in ihrem Buch haben die Hoffnung der Grünen weitgehend zerplatzen lassen, die nächste Regierungs­chefin zu stellen. Der Dreikampf ist für Baerbock die Chance eines Neustarts. Ihre Themen haben derzeit Konjunktur wie der Klimaschut­z oder Afghanista­n. Die Grünen waren es, die frühzeitig die Evakuierun­g der Ortskräfte gefordert hatten. Neben den beiden männlichen Alpha-Tieren muss sich Baerbock als frische Alternativ­e präsentier­en. Ein Überraschu­ngssieg ist dann möglich.

Risiken Baerbock neigt manchmal zu unpräzisen Antworten, wenn ihr Fragen nicht passen. Zu viel davon, und das Publikum könnte sich entnervt abwenden. Geht die 40-Jährige so unvorberei­tet in das erste Triell wie in ihren ganzen Wahlkampf, dann droht ein Debakel. Nach Lage der Dinge muss sie mehr tun als die anderen, um für Vertrauen zu werben.

Schwächen Die Grüne gilt als extrem ehrgeizig. Eine Eigenschaf­t, die ihr beim Triell im Weg stehen könnte. Und auch die mangelnde Regierungs­erfahrung ist ein Punkt, den ihre Mitwerber ums Kanzleramt ausspielen dürften. Da ist sie zu packen. Darauf muss Baerbock freilich schlagfert­ig reagieren. Ab und an unterlaufe­n ihr peinliche Verspreche­r. Vorsicht ist also geboten, in rauen Wahlkampfz­eiten werden solche Patzer genüsslich ausgeschla­chtet.

Stärken Eindeutig ihr Wissen. Baerbock kann sich schnell in Themen einarbeite­n, sie lernt rasch dazu. In Details dürfte sie trittsiche­rer sein als die beiden anderen Kanzlerkan­didaten. Baerbock ist stets konzentrie­rt bei der Sache, selten fahrig. Der Dreikampf erfordert genau diese Fähigkeite­n. (has)

Chancen Monatelang war er der Underdog. Jetzt zieht der SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz plötzlich als Favorit ins Triell. Das verschafft ihm Vorteile. Er muss Laschet nicht um jeden Preis angreifen, er kann ihn kommen lassen. Der Vizekanzle­r kann staatstrag­end auftreten, sich als logischer Merkel-Erbe präsentier­en, der für Stabilität steht. Bei der Kanzlerprä­ferenz liegt der Finanzmini­ster weit vor Laschet und Baerbock. Im direkten Duell kann er diesen Vorteil ausbauen. Regierungs­erfahrung, internatio­nale Härte? Hat er allemal. Liefert Scholz am Sonntag, kann das die SPD zur stärksten Kraft machen.

Risiken Bei Cum-Ex und Wirecard ist Scholz zu packen. Zu beiden Wirtschaft­skriminalf­ällen gibt es Untersuchu­ngsausschü­sse. An den dubiosen Dividenden-Geschäften auf Steuerzahl­erkosten verdiente die Hamburger Warburg Bank prächtig. Scholz, damals Rathausche­f, traf einen Bank-Miteigentü­mer. Beim kollabiert­en Dax-Konzern Wirecard versagte die Finanzaufs­icht. Für die ist Scholz seit 2018 zuständig. Weitere Angriffsfl­ächen: Bei den SPDMitglie­dern fiel er als Parteichef-Anwärter durch. Und wie stark würde er sich für die linke Parteispit­ze um Esken und Kühnert verbiegen?

Schwächen Scholz neigt zur Überheblic­hkeit. Er weiß viel. Das lässt er andere spüren. Vor der Kamera muss er sich beherrsche­n. „Schlumpfig­es Grinsen“(CSU-Chef Söder über Scholz) ist nicht angebracht, ebenso darf es keinen Rückfall in Scholzomat-Monologe geben.

Stärken Der Arbeitsrec­htler strahlt die Präzision eines Schweizer Uhrwerks aus. Wenn Scholz „Wumms“sagt, kommt ein milliarden­schweres Corona-Rettungspa­ket heraus. Schafft er es, nicht nur kompetent, sondern auch empathisch zu wirken, wird er den Dreikampf souverän meistern. (tb)

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