Minister des Äußersten
Heiko Maas ist in seinem Amt gefordert wie nie. Doch an seiner Amtsführung gibt es auch Kritik wie nie. Im Fokus steht seine Afghanistan-Politik.
BERLIN Jetzt geht es um viel. Für Tausende afghanische Ortskräfte, die noch im Land sind und den Zorn der Taliban fürchten müssen, geht es um ihr Leben. Für die Bundesregierung um ihre Handlungsfähigkeit. Und für Heiko Maas (SPD) mindestens um seinen Ruf. Spätestens seit dem Einmarsch der Taliban am 15. August steht auch der deutsche Außenminister im Feuer. Für Maas kommt es in diesen Tagen dicke. Er muss – wie auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer – mit dem Vorwurf leben, die Situation zu spät erkannt zu haben.
Das Auswärtige Amt ist ein großes
Haus, ein weltvernetztes Ministerium, krisenerprobt und eigentlich reaktionsschnell. Aber jede Krise ist anders. Libyen ist nicht Syrien, und Irak ist nicht Afghanistan. Schon zu Normalzeiten steht der Bundesaußenminister unter Dauerbeschallung. Aber nun ist Maas stärker gefordert denn je in seiner bisher gut dreijährigen Amtszeit. Maas ist ein Außenminister, der – bis zum Fall von Kabul – ohne große Ausschläge regiert hat. Keine besonderen Höhen, aber eben auch keine gravierenden Fehler. Solide, aber unauffällig in der Welt der diplomatischen Schwergewichte.
In dieser Afghanistan-Krise, die sich zur Katastrophe, ja zum Debakel für den Westen entwickelt hat, erlebt das Land den SPD-Politiker aus dem Saarland als Bundesminister des Äußersten. Nah dran an der Katastrophe, für die ihm wegen objektiver oder subjektiver Zögerlichkeit eine Mitverantwortung gegeben wird. Dabei bleibt die Frage unbeantwortet, ob die Regierenden in diesem Bundestagswahlkampf nicht bewusst eine Debatte über die afghanische Katastrophe vermieden haben, weil sie keine nächste Flüchtlingsdebatte auslösen wollten. Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour etwa sagte unserer Redaktion: „Der Regierung fehlte der Mut, Empathie zu zeigen, aus Angst vor einer Flüchtlingsdebatte“in der Endphase dieses Wahlkampfes.
Nie war Maas in diesem hohen
Amt so gefordert wie im Moment. Und nie war die Kritik an seiner Amtsführung größer als in diesen Tagen. Ab Sonntag geht er auf eine Reise in die Nachbarländer Afghanistans, wo er für die Aufnahme weiterer Schutzsuchender werben will. Nach Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan, Katar und in die Türkei.
Dort wird es maßgeblich um die Frage gehen, wie die Staatengemeinschaft die Menschen verteilen will, die es aus Afghanistan heraus geschafft haben – und wie man weitere herausholen kann. Nach Angaben des Auswärtigen Amts befinden sich derzeit noch rund 300 Deutsche im Land und mehr als 10.000 afghanische Staatsangehörige, die entweder als ehemalige Ortskräfte oder als anderweitig schutzbedürftig identifiziert worden seien. Noch immer würden sich Menschen bei den deutschen Stellen melden, hieß es.
Die Bundesregierung denkt im Verbund mit anderen Industriestaaten und mit ihren europäischen Partnern längst darüber nach, wie man Afghanistans Nachbarn unterstützen kann im Umgang
mit den geflohenen Menschen.
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagte unserer Redaktion: „Wir erwarten, dass die Bundesregierung und andere Staaten die teils schwer traumatisierten Menschen zügig aus der Region ausfliegen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass Familien nicht auseinandergerissen werden.“Es gelte, in internationalen Gesprächen darauf hinzuwirken, weiteren besonders gefährdeten Menschen zu helfen, an sichere Orte zu gelangen. „Dies sollte auch durch eine vorübergehende nachträgliche Erteilung von Visa und einen beschleunigten Familiennachzug unterstützt werden“, sagte Beeko.