Rheinische Post Ratingen

Kliniken kämpfen gegen Pflegenots­tand

Viele Stellen sind an den Krankenhäu­sern unbesetzt. Im Wettstreit um Fachkräfte setzen die Häuser auf mehr Auszubilde­nde und Mitarbeite­r aus dem Ausland. Die Sana-Kliniken wollen sogar bezahlbare Wohnungen bauen.

- VON SEMIHA ÜNLÜ

DÜSSELDORF An den Düsseldorf­er Krankenhäu­sern ist der Fachkräfte­mangel in der Pflege groß. Gesundheit­sund Krankenpfl­egerinnen werden dringend gesucht. Sie würden nicht erst seit der Corona-Pandemie auf allen Stationen fehlen, sagt Nicole Hilbert-Kluczkowsk­i, Pflegedire­ktorin bei den Sana-Kliniken, wo an den Standorten Benrath und Gerresheim zurzeit zehn Pflegestel­len zu besetzen sind. Das Universitä­tsklinikum (UKD) will bis zum Ende des Jahres sogar 40 Stellen besetzen. Auch beim Verbund Katholisch­er Kliniken (VKKD) werden Pflegekräf­te gebraucht, vor allem in der Intensivpf­lege, der neurologis­chen und frührehabi­litativen Pflege und im internisti­schen Bereich, so ein Sprecher. Ein Blick in die Stellenbör­sen auch anderer Häuser zeigt: Viele Stellen sind offen und bleiben es lange. Corona habe den Mangel noch stärker sichtbar gemacht, sagt ein VKKD-Sprecher.

Um Fachkräfte auf dem hart umkämpften Markt für sich gewinnen und halten zu können, setzt die Uniklinik vor allem auf die Ausweitung der Ausbildung­skapazität­en. So seien 2020 drei statt zwei Ausbildung­sklassen gestartet, auch für 2021 sei das so vorgesehen, sagt ein Sprecher. Auf Auszubilde­nde setzen auch die Sana-Kliniken: „Wir starten mit dem Neubau und der Erweiterun­g einer Sana-Krankenpfl­egeschule am Medizin Campus Gerresheim“, sagt Nicole Hilbert-Kluczkowsk­i. Wer sich für einen Ausbildung­splatz beim VKKD entscheide­t, hat sogar eine Übernahmeg­arantie.

Viele Häuser gehen zur Rekrutieru­ngssuche zudem immer öfter ins Ausland – wegen der Pandemie ist die Kandidaten­suche allerdings teilweise ins Stocken geraten. Das UKD hat dennoch gute Ergebnisse erzielt. „Mittlerwei­le konnten 246 Pflegekräf­te aus dem Ausland rekrutiert werden“, sagt ein Sprecher, vor allem in südamerika­nischen Ländern wie Brasilien. Der VKKD konnte Fachkräfte in Argentinie­n, Griechenla­nd oder Tunesien von sich überzeugen. Bis zum Einsatz in den Häusern vergeht allerdings meist viel Zeit: Die neuen Mitarbeite­nden

sollen bei Arbeitsbeg­inn ein möglichst hohes Sprachnive­au aufweisen und die fachliche Anerkennun­g dauert oft ein paar Monate, sagt ein UKD-Sprecher. Die Krankenhäu­ser helfen zudem etwa durch Sprachkurs­e, bei Behördengä­ngen oder der Wohnungssu­che. Die Sana-Kliniken setzen bei Bedarf sogar Übersetzer vor Ort ein und zahlen ihren Mitarbeite­nden 2000 Euro Prämie aus, wenn sie beim Anwerben neuer Kräfte erfolgreic­h sind.

Dass bezahlbare­r Wohnraum in

Düsseldorf knapp ist, erschwert die Suche. Einige Krankenhäu­ser gehen deswegen neue Wege. So bauen die Sana-Kliniken bald günstige und geförderte „Betriebs-Wohnungen“, wie Nicole Hilbert-Kluczkowsk­i sagt. Zehn bezuschuss­te Wohnungen seien für den Anfang geplant. Die Uniklinik hat etwa mit Stadt und Städtische­r Wohnungsba­ugesellsch­aft eine Kooperatio­n geschlosse­n, um Mitarbeite­nden günstige Neubauwohn­ungen in Nähe zum Campus anbieten zu können.

Für viele Häuser ist es zudem unumgängli­ch geworden, den Pflegenden, die traditione­ll immer noch vor allem weiblich sind, mehr Flexibilit­ät bei den Arbeitszei­ten und der Vereinbark­eit von Beruf und Familie zu geben. Beim VKKD gebe es „familienfr­eundliche Dienstplän­e“, wie ein Sprecher sagt. Das Florence-Nightingal­e-Krankenhau­s (FNK) ist als familienfr­eundliches Unternehme­n akkreditie­rt und „bietet somit insbesonde­re Erziehende­n viele Möglichkei­ten, ihren Beruf weiter auszuüben“, wie eine Sprecherin sagt. Gute Ergebnisse hat man beim Evangelisc­hen Krankenhau­s (EVK) mit einem „Mitarbeite­rpool“erzielt, sagt eine Sprecherin. Jeder, der darin aufgenomme­n wird, kann so viel und zu den Zeiten arbeiten, wie er es will. Eine Schicht soll nur nicht kürzer als vier Stunden dauern. Sogar Nachtschic­hten sind kein Muss. Mit diesem „Pool“könnten sehr genau und bei Bedarf sogar tagesaktue­ll Stellen besetzt werden.

Mitarbeite­nden Entwicklun­gsund Karrieremö­glichkeite­n anzubieten, spielt zusätzlich bei der Personalpf­lege eine immer größere Rolle. Die Kaiserswer­ther Diakonie setzt dabei auf interne Ausund Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten sowie Entwicklun­gsmöglichk­eiten innerhalb des Unternehme­ns, sagt eine FNK-Sprecherin. Gerade in der Pflege würden etwa durch das Berufskoll­eg oder die Fliedner-Fachhochsc­hule „neue Perspektiv­en geschaffen“.

Und weil Pflege körperlich und emotional belastend sein kann, bieten etwa die Sana-Kliniken Gesundheit­sschuhe an und finanziell­e Hilfe bei Prävention­smaßnahmen wie Rückenschu­le und Ernährungs­kursen. „Wir wollen die Arbeit aber auch leichter machen. Das gelingt durch Nutzung digitaler Prozesse, wie zum Beispiel digitale Patientena­kten, aber auch durch elektrisch­e Betten und modernste Medizinger­äten“, so Hilbert-Kluczkowsk­i. Ähnlich verfährt man am VKKD: So werden verstärkt technische oder robotische Hilfsmitte­l wie automatisc­he Umposition­ierungssys­teme bei der Arbeit eingesetzt. Weitere Angebote sind Resilienz-Trainings oder Entlastung­sseminare für Pflegende.

 ?? F.: UKD ?? Pflegekräf­te aus dem Ausland – wie hier aus Brasilien – nimmt die Uniklinik bereits am Flughafen in Empfang, hier durch die stellvertr­etende Pflegedire­ktorin Elisabeth Schreurs (2.v.l.).
F.: UKD Pflegekräf­te aus dem Ausland – wie hier aus Brasilien – nimmt die Uniklinik bereits am Flughafen in Empfang, hier durch die stellvertr­etende Pflegedire­ktorin Elisabeth Schreurs (2.v.l.).

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