Wo der Turm zum Treffpunkt wird
Die Geschichte der Ratinger Wehr- und Kirchtürme steckt voller Schnurren. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind lieb gewonnene Treffpunkte.
RATINGEN So viel vorweg: Es ist nicht so, dass der Hahn immer das Erkennungszeichen einer katholischen Kirche ist. Das hängt vielmehr von der Region ab. In Süddeutschland steht der Hahn tatsächlich hauptsächlich auf den katholischen Kirchtürmen – wie auch sonst in weiten Teilen der Welt. Auf den evangelischen ist dagegen ein Kreuz angebracht. Nur in Norddeutschland ist es oft umgekehrt: Dort haben die katholischen Kirchen auch Kreuze – während der Hahn wiederum Kennzeichen reformierter Gemeinden ist. Wie auch immer – St. Peter und Pauls Westturm wird von einem Hahn gekrönt.
Nachdem am 14. Juli 1774 ein Gewittersturm den gotischen Helm des Westturmes vernichtet hat, wird von 1779-1780 nach Plänen des Düsseldorfer Hofbaumeisters Wanters durch den Ratinger Zimmermeister Louwen die hohe, barock-geschweifte Turmhaube aufgesetzt.
Im Jahr 1875 ist der Hahn auf der Kirchturmspitze bereits vergoldet worden. Als dann die barocke Turmhaube in den 50ern des letzten Jahrhunderts repariert werden sollte, gab es auch ein frisch-glänzendes Kleid für das Federvieh, das keinesfalls so groß ist, wie man vielleicht vermuten möchte. Es misst 80 Zentimeter in der Höhe, 90 Zentimeter in der Breite und ist 16 Kilogramm schwer. In früheren Jahren ist es auch mal von den Dachdeckern „zum Betteln“durch die Kneipen geschleppt worden. Man durfte dann den Hahn von Nahem ansehen und konnte dann Geld für die Schindeln bezahlen. Insofern können Ratinger Dachdecker wohl nur lachen, wenn sie heutzutage vom „fund raising“als pfiffig-moderner Geldquelle hören.
Da hätten es die Ratinger Jonges um ein Haar auch schlechter antreffen können. Aktuell haben sie Quartier genommen im Dicken Turm. Vor genau 120 Jahren nämlich kursierten Abrisspläne, die dann allerdings verworfen wurden. Inzwischen ist das Gemäuer aus dem 15. Jahrhundert Treffpunkt für Geschichtsinteressierte wie für Dialektkundler. Und wer sich selbst über die Wendeltreppe windet, wird mit besonderen Einund Ausblicken belohnt. Drinnen geht es modern und wohnlich zu.
Wohl am weitesten entfernt von der ursprünglichen Nutzung hat sich das Innenleben des Trinsenturms. Denn Exponate einer Barbie-Ausstellung, die es schon gab, gehen schwerlich als Burgfräulein durch. Das Spielzeugmuseum ist Treffpunkt für Enthusiasten und so manches Ausstellungsstück hat es auch schon seinerseits zu historischer Patina gebracht.
Geht es um gute Stimmung drinnen und zuweilen drumherum, dann ist der Kornsturm eine der ersten Adressen der Stadt. Immerhin ist er das Hauptquartier der Roten Funken. Unvergessen sind die Beschreibungen eines Machers der ersten Stunde: Gern erzählte der inzwischen verstorbene „Ritter“Heinrich Bohn davon, wie viele Eimer Schutt aus dem ehemaligen Keller heraus geschafft werden mussten, bevor dort völlig neuer Nutzraum entstand. Eines allerdings konnte danach auch aller Handwerkerfleiß nicht aus der Welt schaffen: Wer sich im Kornsturm bewegen möchte, sollte etwas Gelenkigkeit mitbringen. Als Lohn darf der Gast dann Spezialkonstruktionen bewundern: Der runde Tisch im „Erdgeschoss“des Turms deckt zugleich die Treppe in den Keller ab als Tisch, der sich heben und senken lässt.