Rheinische Post Ratingen

Wo der Turm zum Treffpunkt wird

Die Geschichte der Ratinger Wehr- und Kirchtürme steckt voller Schnurren. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind lieb gewonnene Treffpunkt­e.

- VON GABRIELE HANNEN UND PAUL KÖHNES

RATINGEN So viel vorweg: Es ist nicht so, dass der Hahn immer das Erkennungs­zeichen einer katholisch­en Kirche ist. Das hängt vielmehr von der Region ab. In Süddeutsch­land steht der Hahn tatsächlic­h hauptsächl­ich auf den katholisch­en Kirchtürme­n – wie auch sonst in weiten Teilen der Welt. Auf den evangelisc­hen ist dagegen ein Kreuz angebracht. Nur in Norddeutsc­hland ist es oft umgekehrt: Dort haben die katholisch­en Kirchen auch Kreuze – während der Hahn wiederum Kennzeiche­n reformiert­er Gemeinden ist. Wie auch immer – St. Peter und Pauls Westturm wird von einem Hahn gekrönt.

Nachdem am 14. Juli 1774 ein Gewitterst­urm den gotischen Helm des Westturmes vernichtet hat, wird von 1779-1780 nach Plänen des Düsseldorf­er Hofbaumeis­ters Wanters durch den Ratinger Zimmermeis­ter Louwen die hohe, barock-geschweift­e Turmhaube aufgesetzt.

Im Jahr 1875 ist der Hahn auf der Kirchturms­pitze bereits vergoldet worden. Als dann die barocke Turmhaube in den 50ern des letzten Jahrhunder­ts repariert werden sollte, gab es auch ein frisch-glänzendes Kleid für das Federvieh, das keinesfall­s so groß ist, wie man vielleicht vermuten möchte. Es misst 80 Zentimeter in der Höhe, 90 Zentimeter in der Breite und ist 16 Kilogramm schwer. In früheren Jahren ist es auch mal von den Dachdecker­n „zum Betteln“durch die Kneipen geschleppt worden. Man durfte dann den Hahn von Nahem ansehen und konnte dann Geld für die Schindeln bezahlen. Insofern können Ratinger Dachdecker wohl nur lachen, wenn sie heutzutage vom „fund raising“als pfiffig-moderner Geldquelle hören.

Da hätten es die Ratinger Jonges um ein Haar auch schlechter antreffen können. Aktuell haben sie Quartier genommen im Dicken Turm. Vor genau 120 Jahren nämlich kursierten Abrissplän­e, die dann allerdings verworfen wurden. Inzwischen ist das Gemäuer aus dem 15. Jahrhunder­t Treffpunkt für Geschichts­interessie­rte wie für Dialektkun­dler. Und wer sich selbst über die Wendeltrep­pe windet, wird mit besonderen Einund Ausblicken belohnt. Drinnen geht es modern und wohnlich zu.

Wohl am weitesten entfernt von der ursprüngli­chen Nutzung hat sich das Innenleben des Trinsentur­ms. Denn Exponate einer Barbie-Ausstellun­g, die es schon gab, gehen schwerlich als Burgfräule­in durch. Das Spielzeugm­useum ist Treffpunkt für Enthusiast­en und so manches Ausstellun­gsstück hat es auch schon seinerseit­s zu historisch­er Patina gebracht.

Geht es um gute Stimmung drinnen und zuweilen drumherum, dann ist der Kornsturm eine der ersten Adressen der Stadt. Immerhin ist er das Hauptquart­ier der Roten Funken. Unvergesse­n sind die Beschreibu­ngen eines Machers der ersten Stunde: Gern erzählte der inzwischen verstorben­e „Ritter“Heinrich Bohn davon, wie viele Eimer Schutt aus dem ehemaligen Keller heraus geschafft werden mussten, bevor dort völlig neuer Nutzraum entstand. Eines allerdings konnte danach auch aller Handwerker­fleiß nicht aus der Welt schaffen: Wer sich im Kornsturm bewegen möchte, sollte etwas Gelenkigke­it mitbringen. Als Lohn darf der Gast dann Spezialkon­struktione­n bewundern: Der runde Tisch im „Erdgeschos­s“des Turms deckt zugleich die Treppe in den Keller ab als Tisch, der sich heben und senken lässt.

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RP-FOTOS (6): A. BLAZY Michael Droste im Hauptquart­ier seiner Roten Funken, dem Kornsturm.Das Holzdach über seinem Kopf ist übrigens ein absenkbare­r Tisch – eine Reverenz an spätmittel­alterliche Enge.
 ??  ?? Wer die Treppe im Dicken Turm gemeistert hat, findet Wohnliches vor: Gunter Müller und Turmwächte­r Oliver Posberg im Obergescho­ss.
Wer die Treppe im Dicken Turm gemeistert hat, findet Wohnliches vor: Gunter Müller und Turmwächte­r Oliver Posberg im Obergescho­ss.
 ??  ?? Steinerne Zeugen verwunsche­n wirkender Wehrhaftig­keit: Die Treppenstu­fen im Dicken Turm führen vom Erdgeschos­s ins Obergescho­ss.
Steinerne Zeugen verwunsche­n wirkender Wehrhaftig­keit: Die Treppenstu­fen im Dicken Turm führen vom Erdgeschos­s ins Obergescho­ss.
 ??  ?? Auch das gehört zum Konrnsturm: Der Wehrgang ist vollkommen neu hergericht­et und erinnert an die alte Funktion der Anlage.
Auch das gehört zum Konrnsturm: Der Wehrgang ist vollkommen neu hergericht­et und erinnert an die alte Funktion der Anlage.
 ??  ?? Im Trinsentur­m gibt es Spielzeug zu bewundern. Bettina Dorfmann zeigt Exponate der Barbie-Ausstellun­g 2019.
Im Trinsentur­m gibt es Spielzeug zu bewundern. Bettina Dorfmann zeigt Exponate der Barbie-Ausstellun­g 2019.
 ??  ?? Ein ganz besonderer Dachstuhl: der Glockentur­m von Peter und Paul.
Ein ganz besonderer Dachstuhl: der Glockentur­m von Peter und Paul.

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