Tanzende Häuser und funkelndes Glas
Kontraste in Tschechien: In Prag treffen moderne Architektur auf barocke Statuen und traditionelle Glaskunst.
In der Fabrikhalle ist es stickig und laut. Mehrere Brennöfen laufen auf Hochtouren. Trotz luftiger Bekleidung und surrender Ventilatoren tropft den Künstlern Schweiß von der Stirn. Konzentriert verfolgt jeder seinen Arbeitsgang, bevor er das Werkstück an den nächsten weitergibt. Schließlich handelt es sich bei Glas um äußerst zerbrechliche Materie
„Warum sollte diese alte Kunst des Glasblasens nicht weiter gepflegt werden? Die Gäste können den Besuch dieser Künstlerwerkstätten mit Wanderungen durch das idyllische Kristall-Tal verbinden.“Das Tal führt über 70 Kilometer, von Steinschönau bis Harrachsdorf zwischen den Höhen des Isergebirges, durch eine landschaftlich reizvolle Gegend.
„So voll war die Kirche nie bei meinen Gottesdiensten.“Jiri Pacinek, ein Mitarbeiter der Glashütte Ajeto führt durch das mit Glaskunstwerken bestückte Gotteshaus. Das Geständnis stammt vom örtlichen Geistlichen während der Ausstellung: Nacht der Kirchen. Auf dem Weg zur Werkstatt: ein Baum aus Glas, gläserne Blüten, versteckt zwischen echten Artgenossen.Üppige Lüster mit geschliffenen Kristallglas-Anhängern baumeln von der Decke.
Skurrile Glas-Kreationen dekoriert auf Podesten, und in den Glas-Schaukästen zahllose Beispiele der Glasperlen-Kunst, sind im Glas- und Bijouteriemuseum Jablonec ausgestellt. Schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in Gablonz und Umgebung Glaskurzwaren erzeugt. Gegen Ende des Jahrhunderts eroberte Imitationsschmuck aus unedlen Metallen die Modewelt. Als Gegenstück zur traditionellen Goldkette fand das farbenprächtige Geschmeide schnell Anklang bei den Damen. Gablonzer Modeschmuck war weltweit bekannt.
Die Sonne verschwindet hinter Wolken und verschafft der Stadt Erleichterung von der sommerlichen Hitze, bevor die abendliche Abkühlung eintritt. Mit ihr füllen sich Plätze und Straßen. Prag ist trotz wichtiger geschichtlicher Vergangenheit eine Stadt, in der Gegenwart pulsiert. „Habt ihr schon mal so komische Häuser gesehen?“Die Besucher stehen kopfschüttelnd vor dem „Tanzenden Haus“. Bei den ungewöhnlichen Formen stellt sich die Frage, wie hält alles zusammen? Seinen Spitznamen erhielt das 1996 verwirklichte Bürogebäude nach dem berühmten Tanzpaar Fred Astaire und seiner Partnerin Ginger Rogers. Idee und Pläne stammten von dem tschechischen Architekten Vlado Milunic und dem Kanadier Frank Gehry. Entgegen aller Gesetze von Statik und Gleichgewicht erscheint es, als wären die Beiden mitten in einer imaginären Melodie erstarrt. Vielleicht ist es auch eine Form des Kubismus, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Prag auf fruchtbaren Boden fiel. Diese Kunstrichtung zieht die Schräge
der Geraden vor. Egal, ob es sich dabei um Kaffeetassen, Möbel oder gar Gebäude handelt.
Die Ablegestelle unter dem Gewölbe wirkt gespenstisch. Leise, mit Elektromotor setzt sich die Barke in Bewegung. „Eigentlich bin ich während der Woche auf dem Rhein mit einem Schleppkahn unterwegs,“erklärt Kapitän Radan
den Bootsgästen. „Das hier ist nur ein bisschen Zubrot in meiner Freizeit.“Um mehr als durchschnittlich 5000 Euro Rente im Jahr zu erhalten, sind viele Tschechen gezwungen, mehrere Arbeiten anzunehmen. Das Boot gleitet fast geräuschlos durch das Wasser der Moldau. Nur das Plätschern der Wellen am Bug ist zu vernehmen. Vom Wasser aus wird eine völlig andere Perspektive auf die Stadt vermittelt. Hoch oben auf den Felsen erstreckt sich die Burgstadt Hradschin mit dem St. Veits Dom, und am gegenüberliegenden Ufer die alte Festung Vyšehrad mit dem bedeutenden Friedhof sowie der Hl.-Peter-und-Paul-Basilika. Seit über 1000 Jahren ist die Prager Burg ein Symbol der Macht. Einst Sitz der Herrscher beherbergt sie heute den Präsidenten.
Unter dem gewaltigen Brückenbogen aus Sandsteinquadraten ist von dem emsigen Treiben oberhalb nicht viel bemerkbar. Das Boot verharrt kurz, als Radan Melodien von Smetanas Moldau aus Lautsprechern ertönen lässt. Die Karlsbrücke, die sich erst seit 1870 so nennen darf, wurde 1357 von Karl IV. gestiftet. Der böhmische König wollte in Prag ein spirituelles und kulturelles Zentrum Europas erschaffen. Zwischen vielen barocken Statuen, die erst im 17. Jahrhundert hier ihren Platz fanden, machen Porträtmaler und Musikgruppen auf sich aufmerksam. Vor den Figuren mit Blick über Fluss und Stadt posieren Paare für Selbstporträts mit ihren Mobiltelefonen. Kaum jemand gedenkt des tschechischen Heiligen Johannes Nepumuk, der hier gefoltert und von dieser Brücke in die Moldau geworfen wurde.