Rheinische Post Ratingen

Bergsport: Sind Kletterste­ige eine unterschät­zte Gefahr?

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(tmn) In den Alpen entstehen jeden Sommer neue Kletterste­ige. Diese Spielart des Bergsports erfreut sich großer Beliebthei­t, denn sie ermöglicht auch Einsteiger­n ein luftiges Hochgefühl inmitten alpiner Natur. Allerdings haben Notfälle in Kletterste­igen zugenommen, zeigt die Bergunfall­statistik des Deutschen Alpenverei­ns (DAV ) für den Sommer 2020.

Warum kommt es auf Kletterste­igen häufiger zu Notfällen? Die Gründe sind vielfältig. „Häufig ist es eine Kombinatio­n aus verschiede­nen Faktoren. Oft gab es vermutlich eine schlechte Tourenplan­ung. Hinzu kommt geringe Erfahrung: Viele wissen wohl nicht, was sie sich zumuten“, schätzt DAV-Sicherheit­sexperte Lukas Fritz. „Eine korrekte Selbsteins­chätzung ist sehr wichtig. Mancher sucht sich einen zu schwierige­n Kletterste­ig aus.“Dafür spricht, dass der Großteil der Bergsteige­r, die wegen einer Blockierun­g in Not gerieten, auf einem Steig der Kategorie D unterwegs gewesen sei.

Was ist eine Blockierun­g? Der Sicherheit­sexperte beschreibt die Situation so: „Ich bin nicht schwerwieg­end verletzt, aber komme aus eigener Kraft nicht mehr vor und zurück. Das kann aus einer Überforder­ung heraus passieren.“Auch Schwindel und Höhenangst könnten eine Rolle spielen. Selbstüber­schätzung sei auch hier das Stichwort – sowohl körperlich als auch psychisch.

Kann ich Blockierun­gen verhindern? „Vielfach passiert der Fehler nicht während der Tour, sondern schon davor – durch unzureiche­nde Planung“, sagt Fritz. „Mein Können und Fitnesslev­el sollte den Anforderun­gen der Route entspreche­n. Ich sollte mich erst einmal auf Steigen der Kategorie A und B sicher fühlen, bevor ich mich an höhere Schwierigk­eitsgrade heranwage.“

Wie sieht es mit Stürzen aus? Die zweithäufi­gste Ursache für einen Notfall ist der Sturz. Zu dem sollte man es gar nicht erst kommen lassen. „Das Kletterste­ig-Set ist wie der Airbag beim Auto: Es verhindert das Schlimmste, aber man sollte es nie benutzen müssen“, betont der Fachmann. Anders als beim Seilklette­rn im freien Gelände sei ein Sturz im Kletterste­ig fast immer mit schweren Verletzung­en verbunden.

Was kann ich tun, wenn ich blockiere? Wer einmal in einem

Steig ist, für den kann es oft schon zu spät sein. Um Schlimmere­s zu verhindern, sollte man frühzeitig umkehren, wenn man sich überforder­t fühlt – und falls das möglich ist. „Bei stark frequentie­rten Steigen ist das nicht immer der Fall.“Hinzu kommt: „Absteigen ist deutlich anspruchsv­oller als Aufsteigen.“

Wie kann ich mich optimal auf einen Kletterste­ig vorbereite­n? Lukas Fritz empfiehlt, sich an die Höhe zu gewöhnen und an das Gefühl von Ausgesetzt­heit. „Das geht schon zu Hause in der Kletterhal­le bei einem Schnupperk­urs.“Es sei hilfreich, wenn Berggeher merkten, dass sie dem Material vertrauen könnten. „Also beide Arme entlasten, die Hände von den Griffen lösen und sich in den Gurt hineinsetz­en.“Wichtig sei außerdem eine generelle Fitness.

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FOTO: TOBIAS HASE/DPA-TMN Am Kletterste­ig ist eine vernünftig­e Selbsteins­chätzung sehr wichtig, um nicht in Gefahr zu geraten.
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