Rheinische Post Ratingen

Eine Armee ohne Anbindung

Die Bundeswehr ist weit weg vom Alltag. Die Deutschen könnten von Amerika lernen.

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Wer je in den Vereinigte­n Staaten gelebt hat, der weiß, welche Rolle die Armee in der US-amerikanis­chen Gesellscha­ft einnimt. Von der Grundschul­e an wird Kindern vermittelt, wie wichtig Respekt, Kontakt, Interesse sind. An den Eliteunive­rsitäten sind stets Studienplä­tze für Vertreter der Armee reserviert. Über alle politische­n Lager hinweg ist die Loyalität zur Truppe auch für alle Politiker unverzicht­bar. Die Konservati­ven verweisen auf die traditione­llen Werte, die mit dem Militär verbunden sind. Liberale preisen etwa die Aufstiegsc­hancen für sozial Benachteil­igte.

In Deutschlan­d gibt es immer wieder Ansätze, diesem Vorbild zu folgen. Mal wird ein „Tag der Bundeswehr“eingeführt, mal das kostenlose Bahnfahren

für Soldaten. Trotzdem ist das Leben in der Kaserne, auf dem Fliegerhor­st oder auf dem U-Boot vor allem für jüngere Menschen meist sehr weit entfernt von ihrem Alltag. Die Abschaffun­g der Wehrpflich­t hat eine Verständni­slücke geschaffen, die nie gefüllt wurde und die immer größer wird, je weniger Erwachsene tatsächlic­h selbst gedient haben.

Die aktuelle Situation wäre ein guter Moment, um das zu ändern. Zum einen zeigt das außen- und sicherheit­spolitisch­e Desaster in Afghanista­n, wie wichtig eine breite und zielführen­de Debatte um die deutsche Verteidigu­ngspolitik der Zukunft ist. Je mehr Menschen sie auch durch konkrete Anschauung, durch persönlich­e Anknüpfung­spunkte verstehen, desto besser.

Gleichzeit­ig kann die Bundeswehr gerade jetzt mit Sympathien rechnen. Nicht nur der hochgefähr­liche und mit Bravour erledigte Einsatz in Kabul, sondern auch die Arbeit in den vom Hochwasser verwüstete­n Regionen und als Impfhelfer während der Corona-Pandemie hat dabei maßgeblich geholfen.

Nötig ist jetzt, dass nicht nur die Politik Brücken baut, sondern auch Schulen und die vielen demokratis­chen und zivilgesel­lschaftlic­he Verbände. Das ließe sich in Amerika ganz sicher lernen.

Unsere Autorin ist Geschäftsf­ührerin der Hertie-Stiftung in Berlin. Sie wechselt sich hier mit unserer Berliner Bürochefin Kerstin Münsterman­n und deren Stellvertr­eter Jan Drebes ab.

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