Rheinische Post Ratingen

Der Faktenchec­k zum ersten Triell

Die Steuer- und Klimapolit­ik bietet durchaus Chancen zur Profilieru­ng. Doch manches war unpräzise, falsch oder anders als im Programm.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) gingen in Details. Doch nicht immer lagen sie richtig, auch die Wahlprogra­mme sehen bisweilen anders aus.

Aussage Baerbock sagt, man könne für Klimaschut­z sorgen, ohne die Bürger zu belasten. Sie führt das Energiegel­d an, das in der Schweiz als Ausgleich über die Krankenver­sicherung gezahlt wird.

Bewertung Stimmt teilweise. In der Schweiz gibt es eine Abgabe auf den Ausstoß von Kohlendiox­id (CO2), einen Teil erhalten Bürger über die

Krankenver­sicherung zurück – weil dort alle Schweizer registrier­t sind. Aber: Baerbock (wie auch Laschet und Scholz) wiegen die Bürger in falscher Sicherheit. Wenn die CO2Abgabe eine Lenkungswi­rkung haben soll, wird sie wehtun müssen. Sonst gibt es keinen Anreiz, energieärm­er zu wohnen oder zu fahren.

Aussage Laschet sagt, man könne das Energiegel­d nicht einfach über die Steueriden­tifikation­snummer erstatten, was die Grünen planen. Bewertung Stimmt. Zwar hat jeder von Geburt an eine Steuer-Identifika­tionsnumme­r, aber die ist nur mit einem Konto verbunden, wenn der Betroffene Steuern zahlt.

Aussage Baerbock wirft Laschet vor, die Mieter mit den Kosten des Klimaschut­zes alleinzula­ssen. Bewertung Stimmt. Zunächst wollte die große Koalition, dass sich Mieter und Vermieter die Kosten der von Jahr zu Jahr steigenden CO2-Abgabe teilen. Das wäre sinnvoll: Beide haben Einfluss auf den Verbrauch – der Mieter über sein Heizverhal­ten, der Vermieter über die Wahl der Heizung. Doch die Union rebelliert­e mit Blick auf die Wohnungswi­rtschaft. Nun müssen Millionen Mieter die CO2-Kosten alleine zahlen.

Aussage Um das Leben von HartzIV-Kindern zu verbessern, will Laschet die Eltern in Arbeit bringen.

Baerbock fragt, wer denn bis dahin den Schulranze­n zahle. Ein höherer Kinderfrei­betrag nutze Familien nichts, die keine Steuern zahlen. Bewertung Stimmt so nicht. Richtig ist zwar, dass höhere Kinderfrei­beträge nur Bürgern helfen, die Steuern zahlen. Es stimmt aber nicht, dass Kinder aus Hartz-IV-Familien sich den Ranzen vom Munde absparen müssen, wie Baerbock meint. Im Sozialgese­tzbuch II ist geregelt, dass das Jobcenter für den „persönlich­en Schulbedar­f der Schüler“wie Ranzen, Schreibmat­erial, Sportzeug aufkommt. 2021 wird ein persönlich­er Schulbedar­f von 154,50 Euro anerkannt, so das Bundesarbe­itsministe­rium.

Aussage Laschet sagt, in einem ersten Schritt wolle die Union den Soli komplett abschaffen. Dann wolle man kleine und mittlere Einkommen entlasten.

Bewertung Das steht im Wahlprogra­mm der Union klarer: „Wir werden den Solidaritä­tszuschlag für alle schrittwei­se abschaffen und gleichzeit­ig kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommens­teuer entlasten.“Gleichzeit­ig. Laschet hatte schon früher Verwirrung gestiftet. In einem Interview hatte er gesagt: „keine Steuererle­ichterung im Moment“, woraufhin CSU-Chef Markus Söder widersproc­hen hatte: „Steuersenk­ungen sind das Herzstück unserer Steuerpoli­tik.“

Aussage Scholz lehnte Steuersenk­ungen ab und erklärte, man solle das Steuersyst­em etwa besser austariere­n, „indem Leute, die in meiner Einkommens­kategorie oder da drüber liegen, etwas mehr zahlen“. Bewertung Da ist das Wahlprogra­mm härter. Die SPD will den Spitzenste­uersatz um drei Punkte auf 45 Prozent erhöhen (und später greifen lassen). Sie will aber auch eine Vermögenss­teuer einführen. Das hätte gravierend­e Folgen etwa für Familienun­ternehmen: Das Bruttoinla­ndsprodukt wäre nach acht Jahren mit Vermögenst­euer um bis zu 6,2 Prozent niedriger als ohne die Steuer, warnte Ifo-Chef Clemens Fuest am Montag.

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