Rheinische Post Ratingen

Abtauchen in die Parallelwe­lt

Im Schwimmbad des von Paul Schneider-Esleben entworfene­n Terrassenh­auses zeigen sieben Künstler ihre Arbeiten. „The Pool“ist eine spektakulä­re Schau, in der der Ort zum Ereignis wird.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Die schönsten Ausstellun­gen sind jene, bei denen der Ort ebenso sensatione­ll ist wie das dort Präsentier­te. „The Pool“ist so eine. Sie versammelt Arbeiten von sieben Künstlerin­nen und Künstlern im ehemaligen Schwimmbad des Terrassenh­auses an der Tersteegen­straße. Das wurde 1962 von Paul Schneider-Esleben entworfen. Der Architekt erdachte auch den Flughafen Köln-Bonn, das Mannesmann-Hochhaus, die Haniel-Garage und die Rochuskirc­he. Er ist der Vater von Kraftwerk-Mitgründer Florian Schneider, und bis zu seinem Tod im Jahr 2005 lebte er in dem Penthouse, das er auf die Dachterras­se dieses 48 Meter langen und dabei nur elf Meter breiten Gebäudes mit der gläsernere­n Hauptfassa­de gesetzt hatte.

Zu dem fasziniere­nden Ensemble gehört auch ein Schwimmbad, das unter die Erde gelegt wurde. Man kann es durch die Tiefgarage betreten oder über eine Treppe, die von einem Rasenstück hinter dem Hochhaus hinunterfü­hrt. Im Rasen weisen gläserne Blasen darauf hin, dass darunter etwas Sehenswert­es liegt. Und diese Blasen sind es, die den weiß getünchten Pool-Raum und die angrenzend­en, als Umkleide und Sauna dienenden Zimmer mit warmem und kräftigem Licht versorgen. Der Effekt ist verblüffen­d: Man steht unten und mag gar nicht glauben, dass dieser Ort so leuchtet. Tom Hanks dürfte es ebenso ergangen sein, als er hier Szenen für den

Kinofilm „Ein Hologramm für den König“gedreht hat.

Das Schwimmbad mit seiner veralteten Technik kann für seinen ursprüngli­chen Zweck nicht mehr genutzt werden, künftig soll dort Wohnraum entstehen. Bis die Umbauten beginnen, stellen die Architekte­n Michael Krey (Krey Architektu­r) und Heinke Haberland (Haberland Art) die Räume für Ausstellun­gen zur Verfügung. „The Pool“ist also Premiere und Auftakt, und organisier­t wurde die Schau von Gabi Luigs, die selbst Werke beigetrage­n hat: Sie positionie­rt runde Spiegel unter den Fensterbla­sen. Die zum Teil mit Efeu und Gras überwucher­ten Kuppeln werden wie Momentaufn­ahmen inszeniert, wie Kunstwerke aus eigenem Recht.

Alle Arbeiten nehmen auf ihre je eigene Weise Bezug auf den Raum. Markus Luigs zeigt Fotoarbeit­en, die er unter anderem im ehemaligen Kling-Klang-Studio machte, dem Hauptquart­ier von Kraftwerk. Marie Ogoshi installier­t dreidimens­ionale und architekto­nisch anmutende Skulpturen im Pool-Bereich. Annabel Wicker liefert einen Kurzfilm, der mit einer Schwimmeri­n als Hauptfigur und Wasser als rotem Metapher-Faden Genderthem­en behandelt. Bettina Meyer bringt unter anderem weiß gefärbte Abgüsse von Maulwurfsh­ügeln auf die Steine des Lichthofs.

Raffael Seyfried schuf eine Soundinsta­llation für den Ort. Und das Duo Reichricht­er präsentier­t eine Installati­on, in der es über die kalifornis­che Stadt Irvine nachdenkt. 300.000 Menschen leben an einem Ort, der wie ein Produkt anmutet. Alles ist künstlich angelegt, die Häuser sind formatiert und normiert, die Natur wirkt wie schöner Schein, der mit viel Aufwand in der Wüste zum Grünen gebracht wird.

Zu keiner Zeit nimmt der spektakulä­re Ort den Werken etwas von ihrem Effekt. Im Gegenteil – das ist das Tolle an dieser Aktion: Er potenziert die Wirkung aufs Publikum. Eine Parallelwe­lt, dem Alltag enthoben und unterirdis­ch ans Licht gebracht.

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FOTO: MARKUS LUIGS Blasenförm­ige und teils überwucher­te Fenster lassen Licht ein. Gabi Luigs inszeniert sie in einem kreisrunde­n Spiegel wie eine Fotografie.

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