Neun billige Jahre für Ratingen-Pendler
Das „WeltWirtschaftsInstitut“hat berechnet, wie viele Jahre sich Immobilienerwerb im Umland rechnet und ab wann das Pendeln den Kostenvorteil aufzehrt. Bei einem Arbeitsweg Ratingen-Köln liegt die Grenze bei knapp neun Jahren.
KREIS METTMANN Viele Städte im Kreis Mettmann gelten allgemein als gute Adressen für Menschen, die zwar in Köln arbeiten, aber lieber außerhalb des Großstadttrubels in einer schönen Umgebung wohnen möchten. Aber lohnt sich ein Umzug aus der Domstadt nach Ratingen oder Heiligenhaus auch in finanzieller Hinsicht? Die Immobilienpreise legen den Schluss nahe. Immerhin kostet der Quadratmeter in Köln im Schnitt gut 4200 Euro. In den Umlandkreisen liegen die Durchschnittspreise dagegen mindestens 1500 Euro niedriger. Wer in der Kölner City arbeitet, darf allerdings nicht vergessen, dass beim Umzug in den so genannten Speckgürtel, zu dem auch der Kreis Mettmann zählt, diverse Pendelkosten anfallen.
Das Hamburgische „WeltWirtschaftsInstitut“(HWWI) hat jetzt für die Postbank eine Modellrechnung entwickelt, mit der sich diese Pendelkosten beziffern lassen. Im Postbank-Wohnatlas 2021 kann jeder nachlesen, wie viele Jahre sich der Immobilienerwerb im Umland rechnet und wann der Kostenvorteil durch die Pendelei aufgezehrt ist. Dabei wurde neben den Kosten für das Ticket im ÖPNV oder für das Auto samt Benzin auch der höhere Zeitaufwand einbezogen.
Das Ergebnis ist spannend: Am längsten vom günstigeren Wohnungskauf im Kreis Mettmann profitieren Pendler aus Langenfeld. Ihr Kaufpreisvorteil gegenüber Köln ist bei täglicher Fahrt mit dem Auto nach 15 Jahren und vier Monaten aufgezehrt, bei Nutzung von Bus und Bahn sogar erst nach gut 19 Jahren.
Hilden oder Erkrath landen bei der Modellrechnung im Mittelfeld: Zwischen knapp zehn und elf Jahre können Pendler mit dem Pkw in beiden Städten Geld sparen, beim ÖPNV haben Haaner jedoch bessere Karten. Mit 16,5 Jahren ist die Zeitspanne in der Gartenstadt hier deutlich größer als in Hilden (12 Jahre).
Besonders spannend ist der Blick über die Kreisgrenzen hinweg, etwa nach Leverkusen. Dort rechnet sich Pendeln per ÖPNV 34 Jahre und vier Monate lang, mit dem Auto immerhin noch 22 Jahre und sieben Monate. Die Nachbarstadt Leichlingen bringt es auf 20 (ÖPNV) und 12,9 Jahre (Pkw).
Erstmals wurden im neuesten Pendelkostenrechner übrigens auch Faktoren wie Homeoffice und eigenes Arbeitszimmer eingerechnet. Verglichen wurde jeweils der
Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung in Köln mit dem Erwerb in den angrenzenden Landkreisen zum kreisweiten Durchschnittspreis. In die Pendelkosten-Analyse wurden jeweils die vier bevölkerungsreichsten Städte der Landkreise sowie alle Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern einbezogen. Der Kaufpreisvorteil wurde mit den jährlichen Pendelkosten verrechnet.
Im Corona-Lockdown haben die großen Innenstädte viel von ihrem Glanz verloren, quirlige Szeneviertel erstarben – der Wunsch, der Stadt zu entfliehen, ist gewachsen. In den Umlandkreisen zeigt sich dem Atlas zufolge daher häufig ein ziemlich großes Preisgefälle: Käufer müssen für eine verkehrsgünstig gelegene Wohnung meist mit einem Aufschlag rechnen. Vor diesem Hintergrund haben die Experten des HWWI auch berechnet, wie lange der günstigere Umlandpreis sich rechnet, wenn zwei Homeoffice-Tage pro Woche eingeplant sind, die neue Wohnung mit Arbeitszimmer 20 Quadratmeter größer ist und der Preis außerdem 20 Prozent über dem kreisweiten Durchschnitt liegt.
In dieser Kategorie kommt Haan nur noch auf knapp fünf finanziell vorteilhafte Pendlerjahre, Hilden sogar nur auf dreieinhalb.
„In der Corona-Pandemie haben die Menschen viel Zeit zu Hause verbracht“, sagt Frank Boes, Regionalbereichsleiter der Postbank Immobilien GmbH. Das habe Wünsche geweckt: mehr Platz, ein eigener Garten, mehr Ruhe jenseits der Stadtgrenze: Der Umzug vor die Tore der Metropole sei dank Homeoffice plötzlich auch mit dem Job vereinbar: „„Allerdings sollten sich Kaufinteressierte von den günstigeren Preisen im Umland nicht blenden lassen, sondern lieber genau rechnen und auch die Pendelkosten einbeziehen.“Der neue Wohnatlas kann da durchaus helfen.