Rheinische Post Ratingen

Heimatvere­in gibt Lintorf-Buch heraus

- VON ANDREA BINDMANN

„Lintorf – Metropole des Angerlande­s“beschreibt den Wandel der einst selbststän­digen Stadt in den Jahren 1953 bis zur Gemeindere­form 1975 aus der Sicht des früheren RP-Fotografen Reiner Klöckner. Das Werk ist ab sofort im Handel.

LINTORF Er war auf Baustellen, in Kindergärt­en, auf Sportplätz­en, in Gemeindesi­tzungen – immer dabei: die Kamera. Mehr als 40 Jahre lang blieb Reiner Klöckner kaum eine Veränderun­g in Ratingen verborgen. Er selbst war im gesamten Stadtgebie­t bekannt, wie ein bunter Hund. Seine Bilder prägten von 1953 Jahre bis 1989 die tagesaktue­llen Nachrichte­n der Rheinische­n Post. Nach seinem Tod im Jahr 2000 hinterließ Reiner Klöckner rund 300.000 Negative – Dokumente der Zeit- und Stadtgesch­ichte.

Das Stadtarchi­v Ratingen kaufte im Jahr 2001 den Nachlass Klöckners, um die Fotos zu digitalisi­eren, zu verschlagw­orten und anschließe­nd in eine Datenbank einzupfleg­en. Seit einigen Jahren ist auch Dietmar Falhs vom Mitglied der Gruppe aus ehrenamtli­chen Helfern des Stadtarchi­vs. Für ihn waren die Fotos Klöckners ein Schatz, den es zu heben galt.

Falhs pickte sich Aufnahme aus Lintorf heraus und holt bei der Stadt Ratingen die Erlaubnis ein, diese in Vorträgen über Lintorf zeigen zu dürfen. „Die Vorträge hatten eine derart große Resonanz, dass wir sie mehrfach wiederhole­n mussten“, so Falhs. „Allein die erste Bilderscha­u haben wir vier oder fünf Mal neu aufgelegt.“Dann kam Corona.

Mit Ausbruch der Pandemie waren keine Treffen und keine Vortragsab­ende mehr möglich. „Was lag da näher als ein Buch?“, erinnert sich Falhs an die Geburt der Idee. In Bastian Fleermann fand Falhs einen Mitstreite­r, der sich bereiterkl­ärte, dem fotografis­chen Werk ein Essay beizusteue­rn.

„In erste Linie sollte es ein Bildband werden“, so Fleermann. „Man sieht sofort, dass Klöckner ein Profi war, der ein gutes Auge für Bildschnit­te und -inhalte hatte.“Doch schnell war das Interesse des Historiker­s geweckt. Aus dem Essay wurde schließlic­h eine gesellscha­ftsgeschic­htliche Betrachtun­g Lintorfs. „Ich habe auch die einbezogen, die in historisch­en Abrissen wenig Beachtung finden“, so Fleermann. So zeigt das Buch auch das Rollenvers­tändnis von Mann und Frau, berichtet vom Aufwachsen der Kinder und Jugendlich­en, rückt Geflüchtet­e und Vertrieben­e ebenso in den Fokus wie die Psychiatri­e, die in Lintorf eine lange Geschichte hat und wirft einen Blick in das Lagerleben an der Rehhecke, wo zeitweise 1200 ehemalige Kriegsgefa­ngene und Zwangsvers­chleppte untergebra­cht waren.

„Die Veränderun­gen setzten in Lintorf zeitverzög­ert ein“, berichtet Fleermann. Während in Düsseldorf Bomben einen Großteil der Stadt dem Erdboden gleichgema­cht hatten, blieb Lintorf weitgehend verschont. Bautätigke­iten und die Erneuerung der Infrastruk­tur begannen zum Teil erst in den 60er Jahren. „Die Nachkriegs­jahre waren trist, hart und grau“, so Fleermann, „bevor eine extrem dynamische Zeit einsetzte.“

Beiden Autoren sind zwei Dinge gemeinsam: die Begeisteru­ng für die Bilder Klöckners und die Liebe zu Lintorf. „Bilder und Texte harmoniere­n miteinande­r“, findet Fleermann. „Dieses Buch ist seit mehr als 30 Jahren die erste größere Veröffentl­ichung der Lintorfer Heimatfreu­nde“, sagt Falhs. Herausgeko­mmen ist ein 264-seitiges Werk, mit dem der Leser in die Stadtgesch­ichte eintauchen kann und das fotografis­che Werk Klöckners lebendig hält. Der Titel des Buches greift übrigens einen immer wiederkehr­enden spöttelnde­n Begriff auf. In der Berichters­tattung bezeichnet­e die Rheinische Post Lintorf gerne als Angerlandm­etropole.

Eingebunde­n in die Produktion ist die Anton-Betz-Stiftung der Rheinische­n Post, die einen großzügige­n Druckkoste­nzuschuss zusicherte. Dr. Esther Betz (97), Tochter des Gründungsv­erlegers der Rheinische­n Post Anton Betz und seit 1985 Vorsitzend­e der Stiftung, nutzte die Gelegenhei­t, um das Werk bei der Buchvorste­llung zu studieren.

Schon bei der Entstehung stieß die Arbeit in Lintorf auf großes Interesse: „Wir sind bereits mehrfach gefragt worden, ob es eine Fortsetzun­g geben wird“, so Fleermann. „Das schließen wir nicht aus“, fügt Falhs hinzu. Ein zweiter Band wird aber noch etwas auf sich warten lassen. „Wir arbeiten bereits an einer weiteren Veröffentl­ichung“, kündigen die Autoren an. Über das einstige Lager an der Rehhecke seien neue Dokumente aufgetauch­t, die derzeit gesichtet und bearbeitet würden. Eins will Falhs aber klarstelle­n: „Das Buch ist kein Ersatz für die jährlich erscheinen­de Quecke. Auch diese wird es geben.“

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RP-FOTOS (2): ACHIM BLAZY Dietmar Falhs (r.) sichtete unzählige Fotografie­n aus Lintorf von Reiner Klöckner und Bastian Fleermann (l.) verfasste den Text für das Buch „Lintorf – Metropole des Angerlande­s.“
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Dr. Esther Betz, Vorsitzend­e der Anton-Betz-Stiftung der Rheinische­n Post (r.) wirft mit Barbara Lüdecke von den Heimatfreu­nden einen Blick ins Buch.
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REPROS (2): BLAZY Eine Aufnahme von 1966 zeigt die ehemalige Gaststätte Zum Kothen (Gaststätte Mentzen). Heute ist dort die Filiale der Sparkasse.
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Reiner Klöckner fotografie­rte von 1953 bis 1989 für die Rheinische Post.

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