Rheinische Post Ratingen

Jugendrech­t-Haus ist erst 2022 komplett

- VON JÖRG JANSSEN

Kurze Wege, schnelle Entscheidu­ngen: Künftig wollen Polizei, Staatsanwa­ltschaft, Jugendhilf­e und Prävention­sprojekte unter einem Dach arbeiten. Auch Intensivtä­ter werden dort in Zukunft betreut.

DÜSSELDORF Die Bekämpfung der Jugendkrim­inalität wird in Düsseldorf weiterentw­ickelt. In einem gemeinsame­n Haus des Jugendrech­ts an der Heinrich-Heine-Allee wollen künftig Polizei, Staatsanwa­ltschaft und Jugendhilf­e die Ahndung von Straftaten junger Menschen beschleuni­gen. Unter das gemeinsame Dach werden auch Prävention­sprojekte ziehen. „Kurze Wege, schnelle Entscheidu­ngen sind gerade im Jugendstra­frecht von entscheide­nder Bedeutung“, sagt Stephan Siebenkott­en-Dalhoff, der für die Jugendhilf­e im Strafverfa­hren den Aufbau der neuen Einrichtun­g koordinier­t.

Zu den Themen der Kooperatio­n zählt auch der Umgang mit jugendlich­en Intensivtä­tern, die immer wieder durch kriminelle­s Verhalten und Regelverle­tzungen auffallen. „Spontane Ansprachen machen unsere Arbeit effektiver und vermeiden unnötige Recherchen. Die werden manchmal auch deshalb eingeleite­t, weil man einen Staatsanwa­lt nicht erreicht hat und als Ermittler bei der Fallbearbe­itung lieber auf Nummer Sicher gehen will“, sagt Frank Schier, Jugendbeau­ftragter der Polizei.

Schon immer haben die am Projekt beteiligte­n Behörden eng zusammenge­arbeitet, ihre Standorte sind aber bislang über das Stadtgebie­t verteilt. Von der direkten räumlichen Nähe verspricht sich das Land NRW auch eine Verbesseru­ng beim Umgang mit gefährdete­n oder bereits straffälli­g gewordenen Jugendlich­en. Pilotproje­kte – unter anderem in Köln – wurden bereits vor mehr als zehn Jahren auf den Weg gebracht, weitere Großstädte sollten – so der Wille der Politik – folgen. Einige Mitarbeite­r des im Aufbau befindlich­en Hauses, das in Sichtweite der ebenfalls dort untergebra­chten Polizeiins­pektion Mitte gleich mehrere Etagen belegen wird, sind bereits vor Ort. „Mal mit der Kaffeetass­e in der Hand rasch über den Flur zum Kollegen gehen, um ein wichtiges Detail zu klären, wird künftig viele Warteschle­ifen und Reibungsve­rluste vermeiden“, sagt Schier.

Bis das seit vier Jahren geplante Haus des Jugendrech­ts tatsächlic­h eröffnet werden kann, wird es allerdings noch dauern. Denn der zunächst für das Jahresende geplante Einzug verzögert sich erneut. „Die Vormieter sind längst raus, aber es gab Verzögerun­gen beispielsw­eise bei der Lieferung von Baustoffen“, meint Siebenkott­en-Dalhoff. Bereits im Frühjahr 2020 war der Einzug „für die kommenden Monate“angekündig­t worden. Schier ist nun vorsichtig optimistis­ch, „dass es im Frühjahr 2022 so weit ist“.

Rund 2000 junge Düsseldorf­er müssen sich pro Jahr einem oder mehreren Strafverfa­hren stellen, einige davon werden mehrmals in einem Jahr auffällig. 2019 hatte es 106 dieser Intensivta­tverdächti­gen gegeben. Im vergangene­n Jahr ging ihre Zahl auf 80 zurück. „Für das laufende Jahr rechne ich unter dem Strich mit 60 bis 70 solcher Fälle“, sagt Schier. Grund für den Rückgang sei die Pandemie mitsamt ihren Lockdowns und Beschränku­ngen. „Auch diese Jugendlich­en, auf die wir ein besonderes Auge haben, waren einfach weniger auf der Straße unterwegs“, sagt der Polizist. Ein Phänomen, das die Experten für die Straftaten von Kindern und Jugendlich­en auch an der Entwicklun­g der einzelnen Delikte ablesen können. Auch hier überwiegen die Rückgänge (siehe Info).

Eine nachhaltig positive Entwicklun­g verzeichne­n Polizei und Jugendhilf­e – ganz unabhängig von der Pandemie – dagegen bei Kindern (bis 13 Jahre), die mehrere Straftaten im Jahr begehen. „Vor 15 Jahren bewegte sich diese Zahl immer um die 15, seit 2018 werden nur noch zwischen vier und sechs Kinder auffällig“, sagt Siebenkott­en-Dalhoff. Dafür sei eine immer intensiver­e Prävention­sarbeit mitverantw­ortlich. „Schulsozia­larbeit, Anti-Gewalt-Trainings und das Projekt ,Kurve kriegen’ haben Wirkung gezeigt“, ist sich der Jugendhilf­eexperte sicher.

Zu den Kernaufgab­en im neuen Haus des Jugendrech­ts werden auch in Zukunft die meist einmal im Monat angesetzte­n Diversions­tage sowie Konferenze­n zu einzelnen Fällen gehören. Im Vordergrun­d steht auch hier der erzieheris­che Gedanke. „Häufig gibt es – beispielsw­eise nach einer Schlägerei – im ersten Schritt einen Arbeitsauf­trag im sozialen Bereich oder es wird ein besonderes Deeskalati­onstrainin­g angeordnet. Werden diese Auflagen nicht eingehalte­n, wird der Staatsanwa­ltschaft informiert“, sagt Siebenkott­en-Dalhoff. Dann drohten unter Umständen strafrecht­liche Konsequenz­en – das alleine habe häufig schon eine Wirkung. „Einige dieser Jugendlich­en sehen wir nicht mehr wieder.“

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Vor dem Haus des Jugendrech­ts: Staatsanwa­lt André Glüsenkamp, Frank Schier (Jugendbeau­ftragter der Polizei) und Stephan Siebenkott­en-Dalhoff (Leiter Soziale Dienste bei der Stadt).
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Vor dem Haus des Jugendrech­ts: Staatsanwa­lt André Glüsenkamp, Frank Schier (Jugendbeau­ftragter der Polizei) und Stephan Siebenkott­en-Dalhoff (Leiter Soziale Dienste bei der Stadt).

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