Design und Bewusstsein
Im rechten Seiteneingang der Stadtkirche ist ein besonderer Sessel ausgestellt. Er sieht einfach aus und ist aus Kiefernholz zusammengezimmert. Er hat eine breite, einladende Sitzfläche. Man sieht: Das ist echte Handarbeit. Es steckt aber auch Gestaltung drin. Da sind nicht einfach nur ein paar Bretter zusammengenagelt worden.
Der Stuhl heißt „Sedia 1“und ist nach einem Entwurf des italienischen Designers Enzo Mari gebaut worden. Mari hat vor etwa 50 Jahren sein programmatisches Buch mit dem Titel „Autoprogettazione“veröffentlicht, was soviel wie „selber machen“heißt. Es enthält 19 Anleitungen zum Bauen von Designmöbeln. Enzo Mari markierte dort seine Position in der Designerwelt und setzte ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft. Nachhaltig und lokal sollten seine Möbel produziert werden, in Handarbeit und in einem Design, dass jedem zugänglich ist. Kleiderschränke und Betten, Sessel, Regale und Bänke hat er entworfen. Jeder kann diese Möbel nachbauen, es braucht aber schon ein bisschen mehr Geschick, als für den Aufbau eines Billyregals.
Diese demokratische Möbelidee hat eine Berliner Flüchtlingsinitiative vor einigen Jahren aufgegriffen. Sie entwickelte mit fünf afrikanischen Geflüchteten eine Designmanufaktur. Mit crowdfunding wurde die notwendige Finanzierung sichergestellt. Dieses Projekt entwickelte sich zu einem realen Handwerksbetrieb mit Lernwerkstatt. Geflüchtete bauten Möbel nach den Entwürfen von Enzo Mari und verkauften sie. Heute wird es von einem gemeinnützigen Träger geführt. Arbeit ist die beste Integration. Es gibt viel zu tun.
Der Sessel der Stadtkirche hat eine besondere Lehne. Ihr Holz ist schon verwittert und hellblau angemalt, die Farbe blättert. Die Holzplanke stammt von einem Flüchtlingsschiff, dass auf der italienischen Insel Lampedusa angekommen ist. Dieser Sessel, eine Sonderedition, erinnert an diejenigen, die auf der gefährlichen Flucht über das Mittelmeer ihr Leben verloren haben. Er ist aber gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie Integration gelingt.