Rheinische Post Ratingen

Nur Fliegen ist schöner – aber auch besser?

Kurzstreck­enflüge innerhalb Deutschlan­ds sehen die Grünen als wenig zukunftstr­ächtig an. Sie wollen lieber den umweltfreu­ndlicheren Schienenve­rkehr attraktive­r machen.

- VON MARTIN BEWERUNGE

Im Wahljahr wollen die Bürger wissen, woran sie sind. Deshalb suchen wir uns die wichtigste­n Aussagen der Parteien heraus und legen sie auf die Goldwaage: Wie realistisc­h ist das Programm, was bedeutet es für die Menschen? Darüber diskutiere­n wir mit Machern, Kritikern und Experten. Das Ergebnis können sie jeden Samstag bei uns im Aufwacher-Podcast als Spezialfol­ge hören und als Zusammenfa­ssung in der Zeitung sowie online nachlesen.

Die These Über den Wolken… kostet die Freiheit schon lange kein Vermögen mehr. Vor Corona boomten die Billigflie­ger, jettete man mal eben von Düsseldorf nach Hamburg. Das soll sich ändern finden die Grünen – auch wenn nur 2,5 Prozent aller CO2-Emissionen weltweit auf den Luftverkeh­r entfallen. „Nach der Pandemie wollen wir kein Zurück zum unbegrenzt­en Wachstum des Luftverkeh­rs, sondern diesen am Ziel der Klimaneutr­alität ausrichten. Kurzstreck­enflüge wollen wir ab sofort Zug um Zug verringern und bis 2030 überflüssi­g machen, indem wir massiv Bahnangebo­te ausweiten und für faire Wettbewerb­sbedingung­en sorgen, die die ökologisch­en Kosten wiederspie­geln“, heißt es im Parteiprog­ramm.

Der Plan Unter einem fairen Wettbewerb versteht Stefan Gelbhaar auch die Einführung einer Kerosinste­uer für innerdeuts­che Flüge. Letztere seien im Vergleich zu Fernbus und Bahn praktisch steuerfrei, argumentie­rt der verkehrspo­litische Sprecher der Grünen im Bundestag. Insbesonde­re die Schienenve­rbindungen zwischen den Metropolen, etwa zwischen Köln und Berlin oder zwischen Frankfurt und Berlin, sei ausbaufähi­g, findet der 45-Jährige. Wo dies bereits geschehen sei, habe der Flugverkeh­r deutlich nachgelass­en. Und natürlich seien viele Flugreisen durch Video-Konferenze­n ersetzbar. Das habe sich in der Corona-Krise deutlich gezeigt. Damit sich auch Geringverd­iener Fernreisen leisten könnten, müsse die Möglichkei­t von Sozialtick­ets geprüft werden.

Die Gegenrede Eine neue Kerosinste­uer hält Bernd Reuther für wenig zielführen­d, zumal es ja schon eine Luftverkeh­rssteuer gebe, die es abzuschaff­en gelte. Inlandsflü­ge blieben wichtig, da zwei Drittel davon von Geschäftsr­eisenden absolviert würden, die ihre Termine mit der Bahn nicht schaffen würden, gibt der FDP-Bundestags­abgeordnet­e aus Wesel, der zugleich Mitglied im Verkehrsau­sschuss ist, zu bedenken. Das sei auch im Sinne der sozialen Marktwirts­chaft. Bei einem Drittel der innerdeuts­chen Flüge handele es sich zudem um Zubringerf­lüge für weitergehe­nde Reisen. Besser sei es, Kerosin durch umweltfreu­ndlichere synthetisc­he Kraftstoff­e oder Wasserstof­f zu ersetzen, fordert der 50-Jährige.

Die Einordnung „Fliegen ist mit Sicherheit kein Beitrag zum Klimaschut­z“, stellt Jana Wolf fest – auch wenn der Schaden dadurch vergleichs­weise gering sei. Aber für den Klimaschut­z müssten alle Bereiche in den Blick genommen werden, findet die Berliner Korrespond­entin der Rheinische­n Post. Anderersei­ts ermögliche Fliegen das weltweite Reisen, auch das dürfe die Politik nicht aus den Augen verlieren. Dass eine Kerosinste­uer dazu beitrage, die Zahl der Inlandsflü­ge wirksam zu verringern, hält Jana Wolf für wenig wahrschein­lich: Zum einen sei dem Gros der Geschäftsr­eisenden der Preis egal, zum anderen sei nicht sicher, dass die Mehrbelast­ung auch an die Passagiere weitergege­ben werde. Schließlic­h sei ein attraktive­r Ticketprei­s für die Airlines überlebens­wichtig. Während die FDP vornehmlic­h die Interessen der Wirtschaft im Auge habe, seien die Grünen ehrlicher: „Klimaschut­z“, so Wolf, „muss Verhaltens­änderungen mit sich bringen. Wir stehen da vor einer wirklich großen Aufgabe.“Koalitions­verhandlun­gen über die Umweltvert­räglichkei­t von Mobilität würden mit Sicherheit schwierig. Die größte Schnittmen­ge sieht die RP-Redakteuri­n bei Grünen und SPD.

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FOTO: DPA Gedränge am Flughafen Düsseldorf.
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