Rheinische Post Ratingen

Aktionstag zur prekären Lage der Amazon-Beschäftig­ten

- VON NICOLE ESCH

HAFEN Offen über die Arbeitsbed­ingungen bei Amazon sprechen will keine Fahrerin und auch kein Fahrer beim Aktionstag „#ausgeliefe­rt“. Dazu stehen sie zu sehr unter Zeitdruck. „Letztens musste ich 250 Pakete in acht Stunden ausliefern. Das ist verrückt“, erzählt einer der Fahrer. „Und wenn wir das nicht schaffen, gibt es eine Mahnung.“Erhält ein Fahrer mehrerer solcher Mahnungen, könnte er gesperrt werden, berichtet Mousa Othman. Er ist Beratungsr­eferent beim Projekt „Faire Integratio­n“des DGB-Bildungswe­rks und berät Amazon-Mitarbeite­r bei ihren Problemen.

Probleme gebe es viele, sagt Nadine Heinen, Gewerkscha­ftssekretä­rin bei Verdi. „Wenn Beschäftig­te krank werden, gibt es keinen Lohn. Urlaub gibt es gar nicht oder nur auf eigene Kosten. Corona-Erkrankten mit kurzer Kündigungs­frist wurde gekündigt. Und da sie in Quarantäne waren, hatten sie keine Chance, sich zu wehren.“Zudem würden die Mitarbeite­r nicht in vollen Stunden

bezahlt, häufig gebe es noch ältere Ansprüche, und nur die Fahrzeit der Beschäftig­ten gelte als Arbeitszei­t, fügt Othman hinzu. Wartezeit und auch die Lieferung bei den Kunden gehörten nicht dazu. Bei Unfällen müssten sich die Fahrer sogar an den Kosten beteiligen. „Da gibt es ein Bußgeld“, bestätigt ein Fahrer.

„Das Problem ist, dass viele Angst haben, dass ihnen gekündigt wird, wenn sie gegen ihren Arbeitgebe­r vorgehen. Und viele wissen noch nicht mal genau, für wen sie arbeiten, da Amazon hauptsächl­ich mit

Subunterne­hmen kooperiert“, sagt Stanimir Mihaylov vom Verein „Arbeit und Leben“.

Um die Beschäftig­ten über ihre Rechte aufzukläre­n, haben die Veranstalt­er der bundesweit koordinier­ten Aktion (Verdi, DGB sowie mehrere Beschäftig­ten-Beratungsn­etzwerke) verschiede­nsprachige Flyer vor dem Amazon-Standpunkt im Hafen verteilt. Ein Großteil der Fahrerinne­n und Fahrer haben die Flyer angenommen „und es gibt viele, die uns hinterher anrufen“, so Othman.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Verdi-Berater Aydogan Gül (l.) und Hien Dong Thi Thuong verteilen Flyer an die Amazon-Mitarbeite­r im Hafen.

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