Aktionstag zur prekären Lage der Amazon-Beschäftigten
HAFEN Offen über die Arbeitsbedingungen bei Amazon sprechen will keine Fahrerin und auch kein Fahrer beim Aktionstag „#ausgeliefert“. Dazu stehen sie zu sehr unter Zeitdruck. „Letztens musste ich 250 Pakete in acht Stunden ausliefern. Das ist verrückt“, erzählt einer der Fahrer. „Und wenn wir das nicht schaffen, gibt es eine Mahnung.“Erhält ein Fahrer mehrerer solcher Mahnungen, könnte er gesperrt werden, berichtet Mousa Othman. Er ist Beratungsreferent beim Projekt „Faire Integration“des DGB-Bildungswerks und berät Amazon-Mitarbeiter bei ihren Problemen.
Probleme gebe es viele, sagt Nadine Heinen, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi. „Wenn Beschäftigte krank werden, gibt es keinen Lohn. Urlaub gibt es gar nicht oder nur auf eigene Kosten. Corona-Erkrankten mit kurzer Kündigungsfrist wurde gekündigt. Und da sie in Quarantäne waren, hatten sie keine Chance, sich zu wehren.“Zudem würden die Mitarbeiter nicht in vollen Stunden
bezahlt, häufig gebe es noch ältere Ansprüche, und nur die Fahrzeit der Beschäftigten gelte als Arbeitszeit, fügt Othman hinzu. Wartezeit und auch die Lieferung bei den Kunden gehörten nicht dazu. Bei Unfällen müssten sich die Fahrer sogar an den Kosten beteiligen. „Da gibt es ein Bußgeld“, bestätigt ein Fahrer.
„Das Problem ist, dass viele Angst haben, dass ihnen gekündigt wird, wenn sie gegen ihren Arbeitgeber vorgehen. Und viele wissen noch nicht mal genau, für wen sie arbeiten, da Amazon hauptsächlich mit
Subunternehmen kooperiert“, sagt Stanimir Mihaylov vom Verein „Arbeit und Leben“.
Um die Beschäftigten über ihre Rechte aufzuklären, haben die Veranstalter der bundesweit koordinierten Aktion (Verdi, DGB sowie mehrere Beschäftigten-Beratungsnetzwerke) verschiedensprachige Flyer vor dem Amazon-Standpunkt im Hafen verteilt. Ein Großteil der Fahrerinnen und Fahrer haben die Flyer angenommen „und es gibt viele, die uns hinterher anrufen“, so Othman.