Wiederentdeckt: „Sodom und Berlin“
Literatur Natürlich erinnert dieser Roman auch an die Fernsehserie „Babylon Berlin“. Und tatsächlich finden sich viele Parallelen zwischen Buch und Film in den Stimmungen, Absurditäten und Überspanntheiten. Doch „Sodom und Berlin“ist ein sehr eigenständiges Kunstwerk, und auch darum ist es ein Glücksfall, dass dieser Schatz von 1929 gehoben und in einer neuen, sehr gelungenen Übersetzung von Gerhard Meier wiederveröffentlicht wurde. Sein Autor: Yvan Goll, 1891 in Lothringen geboren, überzeugter Pazifist, promovierter Philosoph, großer Surrealist. Seine kraftstrotzende Sprache verrät, dass Goll über die groteske Nachkriegszeit deshalb so sicher und übermütig schreiben konnte, weil er diese selbst erlebte und durchlebte. Yvan Goll, der sich selbst als Weltbürger „mit französischem Herzen, deutschem Geist, jüdischem Blut und amerikanischem Pass“verstand, starb mit 58 Jahren. los
„Sodom und Berlin“, eingängig, ohne kitschig zu wirken; es gibt ausgedehnte motorisch-brillante Felder und gleich im Anschluss lyrische Ergehungen. Magin ist tatsächlich unverwechselbar.
Nun hat der französische Pianist Lucas Debargue, der selbst komponiert, Magin für sich und für andere entdeckt. Er trägt ihn vor sich her wie eine Monstranz, da ist eine Hingabe an diese Musik, die ihr hilft, ihren Zauber zu entfalten. Mit dem fabelhaften Geiger Gidon Kremer und dem Orchester Kremerata Baltica hat Debargue eine großartige CD bei Sony produziert und zwei Konzerte für Klavier, Violine und Orchester, aber auch kleine, schmusige Werke aufgenommen. Und aus der bezaubernden „Nostalgie du Pays“(Heimweh) für Klavier hört man tatsächlich heraus, woher Magin stammt und welche Töne er lebenslang in sich aufbewahrt hat. Wolfram Goertz