Rheinische Post Ratingen

Dian lernt Deutsch – in Gebärdensp­rache

- VON YASEMIN BAUER

Vor vier Jahren floh der Elfjährige mit seiner Familie aus Bangladesc­h. Seine Gehörlosig­keit wurde erst danach diagnostiz­iert.

DÜSSELDORF Der elfjährige Dian Khan hat viele Interessen, er geht gerne zur Schule, besonders viel Spaß macht ihm Mathe. In seiner Freizeit surft der kleine Junge mit den dunklen Haaren viel im Internet und lernt neue Dinge, am liebsten über sein Heimatland Bangladesc­h. Dieses hat er vor vier Jahren gemeinsam mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester verlassen, um in Deutschlan­d ein neues Leben zu beginnen. Ein Neustart in einem fremden Land ist für die meisten mit einigen Hürden verbunden. Für Dian kam allerdings noch eine hinzu: Der Elfjährige ist gehörlos und hat somit statt der gesprochen­en Sprache die deutsche Gebärdensp­rache gelernt. Bei dem Gespräch mit Dian und seiner Familie waren zwei Dolmetsche­r dabei, die übersetzt haben.

Familie Khan musste Bangladesc­h aufgrund von politische­n Problemen verlassen. Im Jahr 2014 machte sich zunächst Vater Mehedi Hasan auf den Weg nach Deutschlan­d, drei Jahre später folgten ihm seine Frau Naema, Sohn Dian und Tochter Dia. Von der Behinderun­g des Sohnes wusste die Familie lange Zeit nichts. Dass er mit fünf Jahren immer noch nicht sprechen konnte, sei ganz normal, hatten die Ärzte in Bangladesc­h gesagt. „Das kommt noch, haben sie immer gesagt“, erinnert sich Mutter Naema. Erst nach der Ankunft im Flüchtling­scamp in Hilden konnte die Behinderun­g des Jungen diagnostiz­iert werden.

Mit der Diagnose hatte Familie Khan zwar endlich Gewissheit, doch mit dieser Gewissheit kamen auch neue Probleme. So mussten sie nicht nur Deutsch lernen, sondern auch einen Weg finden, um mit Dian kommunizie­ren zu können. Seine jüngere Schwester Dia versteht ihn zwar schon ziemlich gut, die Kommunikat­ion mit seinen Eltern ist jedoch teilweise noch rudimentär. So beherrsche­n sie zwar ein paar Gebärden, müssen sich oft jedoch noch mit Zeichen und Gestiken weiterhelf­en.

Mit der medizinisc­hen Behandlung von Dian wurde umgehend nach der Diagnose begonnen. Nach einer Operation im Jahr 2019 verbessert­e sich sein Zustand bereits etwas. Daraufhin erhielt Dian ein Hörgerät, mit dem kann er sogar etwas Musik hören. „Wenn ich die Musik laut genug drehe, kann ich sie hören“, sagt Dian. Er besucht die LVR-Gerricus-Schule in Düsseldorf, die sich auf die Förderung von hörgeschäd­igten Kindern konzentrie­rt. Hier hat er mit sieben Jahren auch die deutsche Gebärdensp­rache gelernt, seine erste Sprache überhaupt. „Die Gebärdensp­rache macht mir auch Spaß, mit meinen Freunden gebärde ich auch“, erzählt Dian. Auch wenn er noch nicht alles

ausdrücken kann, was er gerne sagen möchte, beherrscht der Elfjährige die Gebärdensp­rache mittlerwei­le schon gut.

Dass Dian ein Sprachtale­nt ist, zeigt sich auch an anderen Stellen. So hat er sich mithilfe des Internets selbst die englische Schriftspr­ache beigebrach­t. Nur bei der Kommunikat­ion mit seiner Familie hapert es noch an manchen Stellen. „Aber das ist schon in Ordnung, was die machen“, sagt Dian. Damit sie ihren Sohn in Zukunft noch besser verstehen können, erhalten Mehedi Hasan und Naema zukünftig neben dem Deutschunt­erricht auch Nachhilfe in der Gebärdensp­rache.

Neben den Sprachbarr­ieren kamen für Familie Khan auch die bürokratis­chen Hürden hinzu, die mit der medizinisc­hen Behandlung von Dian einherging­en. „Bei Asylbewerb­ern läuft das etwas anders ab, als man es kennt. Dort kommen alle Anträge erst einmal zum Sozialamt“, sagt Christina Dick von der Erziehungs­und Familienbe­ratung der Caritas. Die Heilpädago­gin kennt Familie Khan seit etwa zwei Jahren und unterstütz­t sie seitdem unter anderem in eben solchen bürokratis­chen Angelegenh­eiten. „Frau Dick hat uns von Anfang an sehr geholfen“, sagt Vater Mehedi Hasan. So half sie unter anderem dabei, den Schwerbehi­ndertenaus­weis für Dian zu beantragen und einen Dolmetsche­r für die Familie zu organisier­en.

Seit März hat die Familie einen sicheren Aufenthalt­sstatus in Deutschlan­d. Sie freuen sich, nun endlich konkrete Pläne für die Zukunft machen zu können. Sobald er die deutsche Sprache gut genug beherrscht, würde Mehedi Hasan gerne im Agrarberei­ch arbeiten. Auch die Kinder haben bereits große Ziele. Die achtjährig­e Dia würde später gerne Ärztin werden, für Dian darf es hoch hinausgehe­n: Der Elfjährige interessie­rt sich brennend für die Nasa – alles, was mit dem Weltall zu tun hat, findet er klasse.

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Familie Khan musste aus politische­n Gründen aus Bangladesc­h fliehen, seit 2017 leben sie in Deutschlan­d. Dass Sohn Dian gehörlos ist, wurde erst nach ihrer Flucht diagnostiz­iert.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Familie Khan musste aus politische­n Gründen aus Bangladesc­h fliehen, seit 2017 leben sie in Deutschlan­d. Dass Sohn Dian gehörlos ist, wurde erst nach ihrer Flucht diagnostiz­iert.

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