Wählermeinung verfestigt sich
Laut dem aktuellen Politbarometer liegt die SPD weiter vor der Union, nur bei seinen persönlichen Werten kann CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet etwas aufholen. Dreierbündnisse bleiben wahrscheinlich.
Zwei Wochen vor der Bundestagswahl festigt sich das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien aus Sicht der Wähler: Laut Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen für das Politbarometer käme die SPD auf 25 Prozent, wenn am Sonntag gewählt würde. Sie liegt damit weiter klar vor der CDU/CSU, die erneut nur 22 Prozent erreichen würde. Die Grünen landeten bei 17 Prozent, die FDP käme auf elf Prozent, die AfD ebenfalls auf elf Prozent. Alle Werte haben sich im Vergleich zur Vorwoche nicht verändert. Nur die Linke büßt einen Prozentpunkt ein und käme noch auf sechs Prozent.
Damit zeichnet sich kurz vor der Wahl eine Stabilisierung bei den Einschätzungen der Bürger ab. Wobei die Umfragewerte nur eine Momentaufnahme darstellen, wie die Mannheimer Forscher betonen. Das zeigt sich auch an der Unsicherheit vieler Wahlberechtigter: 41 Prozent sind weiter unentschieden, welche Partei sie wählen werden. „Die große Bewegung hat es in diesem Wahlkampf schon gegeben, als die SPD an der Union vorbeigezogen ist“, sagt Politikwissenschaftler Eike-Christian Hornig vom Liechtenstein-Institut. Er rechnet nicht mehr mit einer großen Trendwende zugunsten der CDU, auch wenn er ebenfalls davor warnt, Umfragen als Voraussagen für den Wahlabend misszuverstehen. „Es gibt gerade ein großes Staunen darüber, dass die CDU so weit absinken konnte, aber das heißt noch nicht, dass sie auch bei der Wahl so schlecht abschneiden wird.“
Auch das aktuelle Politbarometer legt allerdings nahe, dass nach der Wahl Dreierbündnisse wahrscheinlich werden. Für die Art der Koalitionen gibt es in der Bevölkerung jedoch keine klaren Präferenzen. Am besten schneidet noch eine Ampel ab: 33 Prozent der Befragten fänden es gut, wenn es nach der Wahl eine Regierung aus SPD, Grünen
und FDP gäbe, 41 Prozent fänden das allerdings schlecht. Ein JamaikaBündnis mit Grünen und FDP unter CDU/CSU-Führung wird von 29 Prozent befürwortet, aber von 52 Prozent abgelehnt. Ähnlich schlecht beurteilt wird eine rot-grün-rote Regierung unter Führung der SPD, die bei 28 Prozent Zustimmung und 56 Prozent Ablehnung liegt.
Leichte Verschiebungen gibt es bei der K-Frage. Unions-Kandidat Armin Laschet kann in der Gunst der Wahlberechtigten um drei Prozentpunkte zulegen. Im direkten Vergleich wünschen sich 21 Prozent Laschet als künftigen Kanzler. SPD-Kandidat Olaf Scholz verliert hingegen fünf Punkte, liegt mit einer Zustimmung von 48 Prozent aber immer noch weit vor seinen Konkurrenten. Auch Annalena Baerbock von den Grünen legt um zwei Prozentpunkte leicht zu und landet bei 16 Prozent.
Für Politikwissenschaftler Hornig zeigen diese Bewegungen, dass es bei den Wählern noch Unsicherheiten bei der Einschätzung der Kandidaten gibt. Dass sich Bürger überhaupt an den Spitzenpolitikern orientieren, obwohl die Bundestagswahl
eine Parteienwahl ist, hält er für nachvollziehbar. „Da geht es nicht nur um oberflächliche Geschmacksurteile, sondern um die Frage, ob Menschen einem Politiker zutrauen, dass er integer und erfahren genug für das wichtigste Amt im Staat ist“, sagt Hornig. In der Frage, wer sich als Bundeskanzler eignet, bleibt Olaf Scholz Favorit. 68 Prozent trauen ihm das Amt zu. Armin Laschet erhält mit 29 Prozent Zutrauen leicht bessere Werte als zuletzt, verharrt aber mit Annalena Baerbock (24 Prozent) auf niedrigem Niveau.
Bei der Beurteilung aller Spitzenpolitiker nach Sympathie und Leistung liegt Angela Merkel weiter auf dem ersten Platz mit einem Wert von 2,4 auf einer Skala von plus fünf bis minus fünf, gefolgt von Olaf Scholz (1,6). Friedrich Merz gehört mit 0,0 wieder zu den zehn wichtigsten Politikern. Verbessern kann sich Annalena Baerbock von minus 0,5 auf 0,0. Armin Laschet bleibt Schlusslicht mit minus 0,5.
Beim Blick auf die Inhalte bewegt das Thema Umwelt und Klimaschutz die Menschen am meisten. 43 Prozent der Befragten nannten Themen im Umweltbereich.
Eike-Christian Hornung Politikwissenschaftler
Die Corona-Pandemie wird dagegen nur noch von 30 Prozent der Befragten genannt. Danach folgen Themen wie Flüchtlinge, Rente und soziale Gerechtigkeit. Bildung wird nur von sechs Prozent als drängendes Thema erwähnt.
Hornig vermutet, dass Stammwähler der CDU sich von den aktuell schlechten Umfragewerten oder der Angst vor Rot-Rot kaum mobilisieren lassen. „Die desaströse Kandidatenkür bei der CDU dürfte vielen Anhängern der Partei noch in den Knochen stecken. Die einen sind enttäuscht, weil es Söder nicht geworden ist. Die Laschet-Anhänger müssen erleben, dass es mit ihm nicht gut läuft, das sorgt für Müdigkeit“, sagt Hornig. Er rechnet darum insgesamt mit einer geringeren Wahlbeteiligung als vor vier Jahren.
Dass der Wahlkampf erst spät kämpferisch geworden ist, ist für Hornig auch eine Folge der großen Koalition. „Die CDU muss einerseits sagen, dass sie hervorragend regiert hat, gleichzeitig aber für einen Neuanfang plädieren, das wirkt widersprüchlich“, sagt Hornig. Ähnlich gehe es der SPD. Allerdings sei es den Sozialdemokraten besser gelungen, mit dem Thema soziale Gerechtigkeit wenigstens noch eines ihrer Kernthemen auf die Agenda zu bringen. Der Union sei das kaum gelungen, obwohl Laschet etwa das Thema innere Sicherheit unter Hinweis auf die Bemühungen im eigenen Land durchaus hätte nach vorne spielen können. Die Grünen hätten auf ihr Kernthema Umwelt gesetzt, doch seien sie damit nicht mehr allein. Dazu agiere Kanzlerin Angela Merkel inzwischen so präsidial und überparteilich, dass es auch durch sie kaum zu einer Profilierung gekommen sei. „Der Wahlkampf krankt aus meiner Sicht daran, dass Union wie SPD ihre zentralen Botschaften bisher zu schwach positioniert haben“, sagt Hornig.
„Die große Bewegung hat es schon gegeben“
Das Erste und das ZDF präsentieren am Sonntag, um 20.15 Uhr, gemeinsam ein Triell der Kanzlerkandidaten.