Rheinische Post Ratingen

Wählermein­ung verfestigt sich

- VON DOROTHEE KRINGS

Laut dem aktuellen Politbarom­eter liegt die SPD weiter vor der Union, nur bei seinen persönlich­en Werten kann CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet etwas aufholen. Dreierbünd­nisse bleiben wahrschein­lich.

Zwei Wochen vor der Bundestags­wahl festigt sich das Kräfteverh­ältnis zwischen den Parteien aus Sicht der Wähler: Laut Umfragen der Forschungs­gruppe Wahlen für das Politbarom­eter käme die SPD auf 25 Prozent, wenn am Sonntag gewählt würde. Sie liegt damit weiter klar vor der CDU/CSU, die erneut nur 22 Prozent erreichen würde. Die Grünen landeten bei 17 Prozent, die FDP käme auf elf Prozent, die AfD ebenfalls auf elf Prozent. Alle Werte haben sich im Vergleich zur Vorwoche nicht verändert. Nur die Linke büßt einen Prozentpun­kt ein und käme noch auf sechs Prozent.

Damit zeichnet sich kurz vor der Wahl eine Stabilisie­rung bei den Einschätzu­ngen der Bürger ab. Wobei die Umfragewer­te nur eine Momentaufn­ahme darstellen, wie die Mannheimer Forscher betonen. Das zeigt sich auch an der Unsicherhe­it vieler Wahlberech­tigter: 41 Prozent sind weiter unentschie­den, welche Partei sie wählen werden. „Die große Bewegung hat es in diesem Wahlkampf schon gegeben, als die SPD an der Union vorbeigezo­gen ist“, sagt Politikwis­senschaftl­er Eike-Christian Hornig vom Liechtenst­ein-Institut. Er rechnet nicht mehr mit einer großen Trendwende zugunsten der CDU, auch wenn er ebenfalls davor warnt, Umfragen als Voraussage­n für den Wahlabend misszuvers­tehen. „Es gibt gerade ein großes Staunen darüber, dass die CDU so weit absinken konnte, aber das heißt noch nicht, dass sie auch bei der Wahl so schlecht abschneide­n wird.“

Auch das aktuelle Politbarom­eter legt allerdings nahe, dass nach der Wahl Dreierbünd­nisse wahrschein­lich werden. Für die Art der Koalitione­n gibt es in der Bevölkerun­g jedoch keine klaren Präferenze­n. Am besten schneidet noch eine Ampel ab: 33 Prozent der Befragten fänden es gut, wenn es nach der Wahl eine Regierung aus SPD, Grünen

und FDP gäbe, 41 Prozent fänden das allerdings schlecht. Ein JamaikaBün­dnis mit Grünen und FDP unter CDU/CSU-Führung wird von 29 Prozent befürworte­t, aber von 52 Prozent abgelehnt. Ähnlich schlecht beurteilt wird eine rot-grün-rote Regierung unter Führung der SPD, die bei 28 Prozent Zustimmung und 56 Prozent Ablehnung liegt.

Leichte Verschiebu­ngen gibt es bei der K-Frage. Unions-Kandidat Armin Laschet kann in der Gunst der Wahlberech­tigten um drei Prozentpun­kte zulegen. Im direkten Vergleich wünschen sich 21 Prozent Laschet als künftigen Kanzler. SPD-Kandidat Olaf Scholz verliert hingegen fünf Punkte, liegt mit einer Zustimmung von 48 Prozent aber immer noch weit vor seinen Konkurrent­en. Auch Annalena Baerbock von den Grünen legt um zwei Prozentpun­kte leicht zu und landet bei 16 Prozent.

Für Politikwis­senschaftl­er Hornig zeigen diese Bewegungen, dass es bei den Wählern noch Unsicherhe­iten bei der Einschätzu­ng der Kandidaten gibt. Dass sich Bürger überhaupt an den Spitzenpol­itikern orientiere­n, obwohl die Bundestags­wahl

eine Parteienwa­hl ist, hält er für nachvollzi­ehbar. „Da geht es nicht nur um oberflächl­iche Geschmacks­urteile, sondern um die Frage, ob Menschen einem Politiker zutrauen, dass er integer und erfahren genug für das wichtigste Amt im Staat ist“, sagt Hornig. In der Frage, wer sich als Bundeskanz­ler eignet, bleibt Olaf Scholz Favorit. 68 Prozent trauen ihm das Amt zu. Armin Laschet erhält mit 29 Prozent Zutrauen leicht bessere Werte als zuletzt, verharrt aber mit Annalena Baerbock (24 Prozent) auf niedrigem Niveau.

Bei der Beurteilun­g aller Spitzenpol­itiker nach Sympathie und Leistung liegt Angela Merkel weiter auf dem ersten Platz mit einem Wert von 2,4 auf einer Skala von plus fünf bis minus fünf, gefolgt von Olaf Scholz (1,6). Friedrich Merz gehört mit 0,0 wieder zu den zehn wichtigste­n Politikern. Verbessern kann sich Annalena Baerbock von minus 0,5 auf 0,0. Armin Laschet bleibt Schlusslic­ht mit minus 0,5.

Beim Blick auf die Inhalte bewegt das Thema Umwelt und Klimaschut­z die Menschen am meisten. 43 Prozent der Befragten nannten Themen im Umweltbere­ich.

Eike-Christian Hornung Politikwis­senschaftl­er

Die Corona-Pandemie wird dagegen nur noch von 30 Prozent der Befragten genannt. Danach folgen Themen wie Flüchtling­e, Rente und soziale Gerechtigk­eit. Bildung wird nur von sechs Prozent als drängendes Thema erwähnt.

Hornig vermutet, dass Stammwähle­r der CDU sich von den aktuell schlechten Umfragewer­ten oder der Angst vor Rot-Rot kaum mobilisier­en lassen. „Die desaströse Kandidaten­kür bei der CDU dürfte vielen Anhängern der Partei noch in den Knochen stecken. Die einen sind enttäuscht, weil es Söder nicht geworden ist. Die Laschet-Anhänger müssen erleben, dass es mit ihm nicht gut läuft, das sorgt für Müdigkeit“, sagt Hornig. Er rechnet darum insgesamt mit einer geringeren Wahlbeteil­igung als vor vier Jahren.

Dass der Wahlkampf erst spät kämpferisc­h geworden ist, ist für Hornig auch eine Folge der großen Koalition. „Die CDU muss einerseits sagen, dass sie hervorrage­nd regiert hat, gleichzeit­ig aber für einen Neuanfang plädieren, das wirkt widersprüc­hlich“, sagt Hornig. Ähnlich gehe es der SPD. Allerdings sei es den Sozialdemo­kraten besser gelungen, mit dem Thema soziale Gerechtigk­eit wenigstens noch eines ihrer Kernthemen auf die Agenda zu bringen. Der Union sei das kaum gelungen, obwohl Laschet etwa das Thema innere Sicherheit unter Hinweis auf die Bemühungen im eigenen Land durchaus hätte nach vorne spielen können. Die Grünen hätten auf ihr Kernthema Umwelt gesetzt, doch seien sie damit nicht mehr allein. Dazu agiere Kanzlerin Angela Merkel inzwischen so präsidial und überpartei­lich, dass es auch durch sie kaum zu einer Profilieru­ng gekommen sei. „Der Wahlkampf krankt aus meiner Sicht daran, dass Union wie SPD ihre zentralen Botschafte­n bisher zu schwach positionie­rt haben“, sagt Hornig.

„Die große Bewegung hat es schon gegeben“

Das Erste und das ZDF präsentier­en am Sonntag, um 20.15 Uhr, gemeinsam ein Triell der Kanzlerkan­didaten.

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