Rheinische Post Ratingen

Gegen den Linksruck

- VON JANA WOLF

Markus Söder gibt beim CSU-Wahlpartei­tag in Nürnberg demonstrat­iv klar zu erkennen, dass er Armin Laschet im Kanzleramt sehen will. Und hält sich doch ein Hintertürc­hen offen.

NÜRNBERG Armin Laschet lächelt den Besuchern gleich am Eingang entgegen. Genau genommen sind es sehr viele Armin Laschets. Eine ganze Wand hat die CSU mit dem Konterfei des Unions-Kanzlerkan­didaten plakatiert. Am Ende des zweitägige­n Parteitags der CSU soll keiner sagen können, man habe sich nicht mit aller Kraft für Laschet eingesetzt.

Und so wird CSU-Chef Markus Söder gleich zu Beginn seiner mehr als einstündig­en Rede laut und deutlich in die Nürnberger Messehalle rufen: „Wir wollen Armin Laschet als Kanzler haben statt Olaf Scholz oder Annelena Baerbock“. Ebenso laut und deutlich schallt ihm der Applaus der CSU-Delegierte­n entgegen. Am Ende der Rede wird Söder rund vier Minuten Applaus ernten. Die Partei sehnt sich nach klaren und lauten Botschafte­n. Markus Söder hält sie bereit.

Und doch ist zu erahnen, dass hinter dem offensiven Werben für den Kanzlerkan­didaten noch eine zweite Botschaft steckt: Sollte diese Bundestags­wahl am Ende tatsächlic­h für die Union zum historisch­en Debakel werden, wonach es in allen aktuellen Umfragen aussieht, dann soll es nicht an der CSU gelegen haben. Man hat schließlic­h geworben, plakatiert und gekämpft, was das Zeug hält. Die Umfragen seien „nicht ausreichen­d“, sagt Söder. Es sei kein Jubelparte­itag, dafür sei die Lage zu ernst. Söder zählt neben den schlechten Stimmungsw­erten noch „Corona-Müdigkeit, Klimastres­s, Afghanista­n-Schock“auf, um gleich wieder die Brücke zum Wahlkampf zu schlagen: „Es droht tatsächlic­h ein politische­r Erdrutsch.“Es sei die Aufgabe dieses Parteitage­s, einen „Linksruck in Deutschlan­d“zu verhindern. Dafür also will Söder kämpfen. Und sollte es am Ende nicht gelingen, an der CSU soll es nicht gelegen haben.

Doch gerade hat der Parteitag erst begonnen und damit auch das Wochenende mit der letzten Chance für den Stimmungsu­mschwung. Zumindest, wenn man Söders Prognose folgt. Bereits im Vorfeld hatte er den Druck auf die eigenen Reihen deutlich erhöht. „Wenn es noch eine Chance gibt, den Trend zu brechen, dann an diesem Wochenende“, hatte Söder bereits am Donnerstag gesagt. Die CSU wolle mit ihrem Parteitag „ein Stück“die Trendwende einleiten. Damit hat Söder zugleich auch klargemach­t, dass er das größere Stück Verantwort­ung für die Trendwende dann doch bei der großen Schwester CDU sieht. Und bei Armin Laschet, der am Samstag in Nürnberg zu Gast sein wird. Am Sonntagabe­nd steht das zweite große TV-Triell der drei Kanzlerkan­didaten von Union, SPD und Grünen bevor. Auch davon erhofft sich die CSU einen Schub nach oben in den Umfragen.

Söder ruft seine Partei zur Geschlosse­nheit mit der CDU auf. „Ich bitte euch ganz herzlich, dass wir morgen Armin Laschet einen tollen Empfang bieten, dass wir morgen daran arbeiten, diese ganzen Ungerechti­gkeiten, die diesen Wahlkampf auch ihm gegenüber ausmachen, dass wir uns dagegenste­llen und nicht neue Wellen annehmen, sondern eine starke neue Gemeinscha­ft präsentier­en.“

Es seien stürmische Zeiten und der Wahlkampf sei „keine One-ManShow“, sondern es gehe nur gemeinsam. Es klingt beinahe so, als würde Söder seine Partei darum bitten, die eigene Unruhestif­tung in der Union und die anhaltende­n Sticheleie­n gegen seinen ehemaligen Konkurrent­en Armin Laschet wieder gutzumache­n. Schon in zwei Wochen ist Bundestags­wahl, und schließlic­h gilt der Parteitag als letzte Chance.

Von seiner eigenen Partei bekommt Söder jedenfalls die nötige Rückendeck­ung. Mit 87,6 Prozent wird er am Freitag im Amt als Parteivors­itzender bestätigt. Dabei erhielt Söder 600 der 685 gültigen Delegierte­nstimmen. Das Ergebnis ist eindeutig – und doch war im Vorfeld mit einer Mehrheit über 90 Prozent für Söder gerechnet worden. Bei der zurücklieg­enden Wahl im Oktober 2019 hatte Söder immerhin 91,3 Prozent erhalten. Söder zeigt sich dennoch erfreut über das „tolle Ergebnis“. Wenn die CSU bei der Bundestags­wahl das gleiche Ergebnis erzielen würde, dann sei er „total happy“.

Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Laut der jüngsten Sonntagsum­frage von Infratest-dimap für den Bayerische­n Rundfunk stürzt die CSU im Freitstaat auf 28 Prozent ab. Zum Vergleich: Die CSU holte bei der Bundestags­wahl 2017 unter dem damaligen Parteichef Horst Seehofer 38,8 Prozent, 2013 waren es noch satte 49,3 Prozent. Unter der 30-Prozent-Marke rangierte die CSU bisher nur 1949, damals kam sie auf 29,2 Prozent.

Sollte das Wahlergebn­is am 26. September tatsächlic­h derart schlecht ausfallen, dann würde die CSU bei einer ähnlichen Wahlbeteil­igung wie 2017 im Bund die FünfProzen­t-Hürde reißen. Der Einzug in den Bundestag sollte für die CSU trotzdem nicht ernsthaft gefährdet sein, da die Partei traditione­ll einen Großteil der Direktmand­ate in Bayern holen dürfte. Bei der Wahl 2017 konnte die CSU noch alle 46 bayerische­n Direktmand­ate holen. CSUGeneral­sekretär Markus Blume gab am Freitag das klare Ziel aus, alle Wahlkreise in Bayern gewinnen zu wollen. Zum Kämpfen bleiben der CSU noch zwei Wochen Zeit.

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