Digitales Lernen hängt ärmere Kinder ab
Einer RWI-Studie zufolge stand vielen Grundschüler im Homeschooling kein Computer zur Verfügung.
DÜSSELDORF Sozial benachteiligte Grundschüler hatten im Lockdown häufig nur ein Smartphone zur Verfügung, um dem Unterricht zu folgen. „Eine aktive Teilnehme am Distanzunterricht wird durch das kleinere Display jedoch erschwert“, heißt es in einer Studie des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, die unserer Redaktion vorliegt. Der Bedarf an Leihgeräten habe durch die Schulen nicht gedeckt werden können.
Familien in Stadtvierteln mit geringen Einkommen hätten sich deutlich häufiger digitale Endgeräte erst anschaffen müssen. „Dies führt zu stärkeren finanziellen Belastungen“, schreiben die Forscher, die für die repräsentative Studie im Juli 2021 mehr als 5800 Familien mit Grundschulkindern in NRW befragten: „Die technische Ausstattung für Familien mit geringerem Einkommen war nicht immer ausreichend.“
Die Studie ist ein weiterer Beleg dafür, dass durch den Distanzunterricht besonders Kinder ärmerer Familien stärker benachteiligt wurden. Auch ergab die Umfrage den Wissenschaftlern zufolge, dass Familien mit Migrationshintergrund häufiger von pandemiebedingten finanziellen Einbußen betroffen waren.
Mehr als jedes zehnte Grundschulkind (13 Prozent) hatte im Frühjahr 2021 gar keinen Digitalunterricht, weder per Video noch per App. Auch hier waren der Studie zufolge Schulen in ärmeren Nachbarschaften im Durchschnitt stärker betroffen.
Insgesamt beschäftigten sich die Kinder der Befragten durchschnittlich nur drei Zeitstunden am Tag mit ihren Aufgaben. Die Mehrheit der Eltern hatte Probleme, die Kinder zum Lernen zu Hause zu motivieren. Dies war besonders häufig in Familien der Fall, in denen keine oder kaum digitale Lernmittel durch die Schule angeboten wurden.
62 Prozent der befragten Eltern fühlten sich durch das Distanzlernen immer oder sehr häufig gestresst. Dies trete besonders dann auf, wenn Mütter mehr als 25 Stunden Wochenstunden arbeiteten und wenn sie entweder nie oder täglich im Homeoffice waren. Der Stresslevel der Eltern war in Familien mit und ohne Migrationshintergrund
RWI-Studie
ähnlich hoch. Von den Schulen fühlten sich die meisten Eltern insgesamt jedoch sehr gut unterstützt.
Trotz der Probleme entsprachen die Ergebnisse der Tests und Klassenarbeiten in etwa den Erwartungen der Eltern. „Dies könnte aber auch an der Anpassung der Inhalte durch die Lehrkräfte an die jeweilige Situation der einzelnen Klassen liegen“, gaben die Forscher zu bedenken. Für mögliche künftige Phasen des Distanzlernens leiten sie daraus mehrere Empfehlungen ab: Kinder in weniger privilegierten Stadtteilen müssten ebenso Zugang zu entsprechenden Endgeräten bekommen wie Kinder andernorts. Der Stresslevel der Eltern und die Motivation der Kinder sollten stärker Berücksichtigung finden, ansonsten drohten in den Familien dauerhafte negative Auswirkungen.
Schulen in sozial schwachen Vierteln nutzten weniger digitale Lernmittel