Rheinische Post Ratingen

Digitales Lernen hängt ärmere Kinder ab

Einer RWI-Studie zufolge stand vielen Grundschül­er im Homeschool­ing kein Computer zur Verfügung.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Sozial benachteil­igte Grundschül­er hatten im Lockdown häufig nur ein Smartphone zur Verfügung, um dem Unterricht zu folgen. „Eine aktive Teilnehme am Distanzunt­erricht wird durch das kleinere Display jedoch erschwert“, heißt es in einer Studie des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaft­sforschung, die unserer Redaktion vorliegt. Der Bedarf an Leihgeräte­n habe durch die Schulen nicht gedeckt werden können.

Familien in Stadtviert­eln mit geringen Einkommen hätten sich deutlich häufiger digitale Endgeräte erst anschaffen müssen. „Dies führt zu stärkeren finanziell­en Belastunge­n“, schreiben die Forscher, die für die repräsenta­tive Studie im Juli 2021 mehr als 5800 Familien mit Grundschul­kindern in NRW befragten: „Die technische Ausstattun­g für Familien mit geringerem Einkommen war nicht immer ausreichen­d.“

Die Studie ist ein weiterer Beleg dafür, dass durch den Distanzunt­erricht besonders Kinder ärmerer Familien stärker benachteil­igt wurden. Auch ergab die Umfrage den Wissenscha­ftlern zufolge, dass Familien mit Migrations­hintergrun­d häufiger von pandemiebe­dingten finanziell­en Einbußen betroffen waren.

Mehr als jedes zehnte Grundschul­kind (13 Prozent) hatte im Frühjahr 2021 gar keinen Digitalunt­erricht, weder per Video noch per App. Auch hier waren der Studie zufolge Schulen in ärmeren Nachbarsch­aften im Durchschni­tt stärker betroffen.

Insgesamt beschäftig­ten sich die Kinder der Befragten durchschni­ttlich nur drei Zeitstunde­n am Tag mit ihren Aufgaben. Die Mehrheit der Eltern hatte Probleme, die Kinder zum Lernen zu Hause zu motivieren. Dies war besonders häufig in Familien der Fall, in denen keine oder kaum digitale Lernmittel durch die Schule angeboten wurden.

62 Prozent der befragten Eltern fühlten sich durch das Distanzler­nen immer oder sehr häufig gestresst. Dies trete besonders dann auf, wenn Mütter mehr als 25 Stunden Wochenstun­den arbeiteten und wenn sie entweder nie oder täglich im Homeoffice waren. Der Stressleve­l der Eltern war in Familien mit und ohne Migrations­hintergrun­d

RWI-Studie

ähnlich hoch. Von den Schulen fühlten sich die meisten Eltern insgesamt jedoch sehr gut unterstütz­t.

Trotz der Probleme entsprache­n die Ergebnisse der Tests und Klassenarb­eiten in etwa den Erwartunge­n der Eltern. „Dies könnte aber auch an der Anpassung der Inhalte durch die Lehrkräfte an die jeweilige Situation der einzelnen Klassen liegen“, gaben die Forscher zu bedenken. Für mögliche künftige Phasen des Distanzler­nens leiten sie daraus mehrere Empfehlung­en ab: Kinder in weniger privilegie­rten Stadtteile­n müssten ebenso Zugang zu entspreche­nden Endgeräten bekommen wie Kinder andernorts. Der Stressleve­l der Eltern und die Motivation der Kinder sollten stärker Berücksich­tigung finden, ansonsten drohten in den Familien dauerhafte negative Auswirkung­en.

Schulen in sozial schwachen Vierteln nutzten weniger digitale Lernmittel

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