Rheinische Post Ratingen

Eine Razzia stört den Wahlkampf

- VON HOLGER MÖHLE UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Mitten im Umfragehoc­h bringt Olaf Scholz eine Durchsuchu­ng in seinem Ministeriu­m in Nöte. Hier die Hintergrün­de.

BERLIN Glänzende Umfragewer­te. Und ausgerechn­et jetzt kommt der Staatsanwa­lt ins Haus – Olaf Scholz (SPD) war schon besserer Stimmung. Am Donnerstag verschafft­en sich Ermittler im Auftrag der Staatsanwa­ltschaft Osnabrück Zugang zu Büros im Bundesfina­nzund im Bundesjust­izminister­ium. Hintergrun­d war der Verdacht auf Strafverei­telung gegen Mitarbeite­r der Anti-Geldwäsche-Einheit (FIU), die in den Zuständigk­eitsbereic­h von Finanzmini­ster und VizeKanzle­r Scholz fällt. Der Wahlkämpfe­r Scholz reagierte verschnupf­t. Die Ermittler hätten die Fragen auch schriftlic­h stellen können, erklärte er. Aber jetzt seien sie persönlich ins Haus gekommen. Das könne man sehen, wie man wolle.

Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet (CDU) ging am Freitag bei Vorstellun­g der „Agenda für ein sicheres Deutschlan­d“Scholz dafür sofort frontal an: „Wenn das eigene Ministeriu­m durchsucht wird, der Staatsanwa­ltschaft zu sagen, was sie besser getan hätte, kennt man sonst nur von populistis­chen Staaten“, so Laschet. Auch Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus (CDU) griff den SPD-Kanzlerkan­didaten scharf an: „Olaf Scholz ist Mitglied der Bundesregi­erung – als solches tut man gut daran, die Arbeit der Staatsanwa­ltschaft zu unterstütz­en anstatt sie zu kritisiere­n“, sagte Brinkhaus unserer Redaktion.

Konkret geht es bei den Ermittlung­en um den Verdacht der Strafverei­telung im Amt, Die Spezialein­heit FIU soll Meldungen von Banken über den Verdacht von Geldwäsche in Millionenh­öhe, darunter der Verdacht der Terrorfina­nzierung, nicht an Polizei und Justiz weitergele­itet haben. Schon nach dem Wirecard-Skandal hatte ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags aufgedeckt, dass die FIU seinerzeit Hunderte als „auffällig“markierte Finanztran­saktionen, die die Commerzban­k an die Kölner Geldwäsche­ermittler gemeldet hatten, erst mit wochenlang­er Verspätung weitergele­itet hatten.

Scholz ist im Wahlkampf. Entspreche­nd hart wird er jetzt angegangen. Vertreter konkurrier­ender Parteien forderten den Bundesfina­nzminister auf, er müsse dieses Mal endlich transparen­t die Fakten auf den Tisch legen und aufklären. Der Zoll, bei dem die FIU angesiedel­t ist, sei schließlic­h Angelegenh­eit von Finanzmini­ster Scholz. So warf die Vorsitzend­e des Bundestags­finanzauss­chusses, Katja Hessel (FDP), ihm vor, er habe sein Ministeriu­m nicht im Griff. Und natürlich: Wer bei Skandalen wie Cum-Ex, Wirecard oder jetzt der Anti-Geldwäsche-Einheit mauere, der sei nicht geeignet, Bundeskanz­ler zu werden. Auch der Vorsitzend­e des Rechtsauss­chusses, Heribert Hirte (CDU), konnte sich den Hinweis nicht verkneifen, der Zoll und somit die FIU falle in die Zuständigk­eit

von Scholz. Die GrünenAbge­ordneten Lisa Paus (Finanzen) und Irene Mihalic (Innen) erklärten: „Die Razzia im Finanz- und Justizmini­sterium ist ein trauriger neuer Höhepunkt im Drama um die Anti-Geldwäsche-Behörde FIU.“Dies komme nicht überrasche­nd. Das „Chaos“bei der FIU gebe es, seit das Bundesfina­nzminister­ium die Kontrolle übernommen habe. Der Vorwurf der beiden Grünen-Politikeri­nnen: „Olaf Scholz hat die FIU sehenden Auges vor die Wand gefahren. Unter Scholz scheint die Fachaufsic­ht nicht zu funktionie­ren. Das war auch schon bei Wirecard so, als unter den Augen der Finanzaufs­icht ein Dax-Unternehme­n kollabiert ist. Er hat seine Behörde nicht im Griff.“

Unions-Haushaltse­xperte Eckhardt Rehberg (CDU) ging den SPDKanzler­kandidaten ebenfalls hart an. Scholz habe bei der Aufklärung der bisherigen Skandale die Verantwort­ung stets von sich geschoben „und glänzte mit erhebliche­n Erinnerung­slücken“. Die FIU war in der vergangene­n Legislatur­periode vom Bundeskrim­inalamt dem Zoll zugeordnet worden. Für den Kampf gegen Geldwäsche wurde die FIU von 165 Mitarbeite­rn im Jahr 2017 auf inzwischen 469 Beschäftig­te in diesem Jahr aufgestock­t.

Ein Sprecher des Bundesfina­nzminister­iums sagte am Freitag in Berlin zum überrasche­nden Besuch der Staatsanwa­ltschaft, es habe „im Vorfeld keine schriftlic­he Anfrage“an das Ministeriu­m gegeben. „Diese Unterlagen hätten wir auch im Zuge eines Auskunftse­rsuchens zur Verfügung gestellt“, so der Sprecher weiter. Aber „selbstvers­tändlich“übergebe das Bundesfina­nzminister­ium nun „alle erforderli­chen Unterlagen“den Ermittlern.

 ?? FOTO:THOMAS IMO/PHOTOTEK.NET ?? Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD), hier im Foyer des Bundeskanz­leramts.
FOTO:THOMAS IMO/PHOTOTEK.NET Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD), hier im Foyer des Bundeskanz­leramts.

Newspapers in German

Newspapers from Germany