Eine Razzia stört den Wahlkampf
Mitten im Umfragehoch bringt Olaf Scholz eine Durchsuchung in seinem Ministerium in Nöte. Hier die Hintergründe.
BERLIN Glänzende Umfragewerte. Und ausgerechnet jetzt kommt der Staatsanwalt ins Haus – Olaf Scholz (SPD) war schon besserer Stimmung. Am Donnerstag verschafften sich Ermittler im Auftrag der Staatsanwaltschaft Osnabrück Zugang zu Büros im Bundesfinanzund im Bundesjustizministerium. Hintergrund war der Verdacht auf Strafvereitelung gegen Mitarbeiter der Anti-Geldwäsche-Einheit (FIU), die in den Zuständigkeitsbereich von Finanzminister und VizeKanzler Scholz fällt. Der Wahlkämpfer Scholz reagierte verschnupft. Die Ermittler hätten die Fragen auch schriftlich stellen können, erklärte er. Aber jetzt seien sie persönlich ins Haus gekommen. Das könne man sehen, wie man wolle.
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) ging am Freitag bei Vorstellung der „Agenda für ein sicheres Deutschland“Scholz dafür sofort frontal an: „Wenn das eigene Ministerium durchsucht wird, der Staatsanwaltschaft zu sagen, was sie besser getan hätte, kennt man sonst nur von populistischen Staaten“, so Laschet. Auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) griff den SPD-Kanzlerkandidaten scharf an: „Olaf Scholz ist Mitglied der Bundesregierung – als solches tut man gut daran, die Arbeit der Staatsanwaltschaft zu unterstützen anstatt sie zu kritisieren“, sagte Brinkhaus unserer Redaktion.
Konkret geht es bei den Ermittlungen um den Verdacht der Strafvereitelung im Amt, Die Spezialeinheit FIU soll Meldungen von Banken über den Verdacht von Geldwäsche in Millionenhöhe, darunter der Verdacht der Terrorfinanzierung, nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet haben. Schon nach dem Wirecard-Skandal hatte ein Untersuchungsausschuss des Bundestags aufgedeckt, dass die FIU seinerzeit Hunderte als „auffällig“markierte Finanztransaktionen, die die Commerzbank an die Kölner Geldwäscheermittler gemeldet hatten, erst mit wochenlanger Verspätung weitergeleitet hatten.
Scholz ist im Wahlkampf. Entsprechend hart wird er jetzt angegangen. Vertreter konkurrierender Parteien forderten den Bundesfinanzminister auf, er müsse dieses Mal endlich transparent die Fakten auf den Tisch legen und aufklären. Der Zoll, bei dem die FIU angesiedelt ist, sei schließlich Angelegenheit von Finanzminister Scholz. So warf die Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses, Katja Hessel (FDP), ihm vor, er habe sein Ministerium nicht im Griff. Und natürlich: Wer bei Skandalen wie Cum-Ex, Wirecard oder jetzt der Anti-Geldwäsche-Einheit mauere, der sei nicht geeignet, Bundeskanzler zu werden. Auch der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Heribert Hirte (CDU), konnte sich den Hinweis nicht verkneifen, der Zoll und somit die FIU falle in die Zuständigkeit
von Scholz. Die GrünenAbgeordneten Lisa Paus (Finanzen) und Irene Mihalic (Innen) erklärten: „Die Razzia im Finanz- und Justizministerium ist ein trauriger neuer Höhepunkt im Drama um die Anti-Geldwäsche-Behörde FIU.“Dies komme nicht überraschend. Das „Chaos“bei der FIU gebe es, seit das Bundesfinanzministerium die Kontrolle übernommen habe. Der Vorwurf der beiden Grünen-Politikerinnen: „Olaf Scholz hat die FIU sehenden Auges vor die Wand gefahren. Unter Scholz scheint die Fachaufsicht nicht zu funktionieren. Das war auch schon bei Wirecard so, als unter den Augen der Finanzaufsicht ein Dax-Unternehmen kollabiert ist. Er hat seine Behörde nicht im Griff.“
Unions-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg (CDU) ging den SPDKanzlerkandidaten ebenfalls hart an. Scholz habe bei der Aufklärung der bisherigen Skandale die Verantwortung stets von sich geschoben „und glänzte mit erheblichen Erinnerungslücken“. Die FIU war in der vergangenen Legislaturperiode vom Bundeskriminalamt dem Zoll zugeordnet worden. Für den Kampf gegen Geldwäsche wurde die FIU von 165 Mitarbeitern im Jahr 2017 auf inzwischen 469 Beschäftigte in diesem Jahr aufgestockt.
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte am Freitag in Berlin zum überraschenden Besuch der Staatsanwaltschaft, es habe „im Vorfeld keine schriftliche Anfrage“an das Ministerium gegeben. „Diese Unterlagen hätten wir auch im Zuge eines Auskunftsersuchens zur Verfügung gestellt“, so der Sprecher weiter. Aber „selbstverständlich“übergebe das Bundesfinanzministerium nun „alle erforderlichen Unterlagen“den Ermittlern.