Rheinische Post Ratingen

In Aue ist alles immer ganz anders als anderswo

- VON BERND JOLITZ

Aue ist kein Zweitliga-Standort wie jeder andere. Und es ist für Fortuna stets ein besonderes Ziel mit speziellen Begebenhei­ten.

Der Anfang der Geschichte zwischen dem FC Erzgebirge Aue und Fortuna Düsseldorf ist im Grunde gar nicht so nett. Die Fans der Fortuna waren nämlich ganz schön sauer darüber, dass um die Jahrtausen­dwende herum eine in der NRW-Landeshaup­tstadt ansässige Versicheru­ng als Trikotspon­sor des FC Schalke fungierte statt das Hemd der Fortuna zu zieren. Und dann noch das: Der Namenszug jener Versicheru­ng stand obendrein auch auf den Trikots des FC Erzgebirge.

Dennoch erwuchs im Laufe der Jahre für etliche Fans beider Klubs ein nettes Verhältnis. Keine offizielle Fanfreunds­chaft – aber ein gegenseiti­ges Besuchen auf privater Basis, weil man sich einfach nett fand und findet. Und weil beide Klubs eine enorme Tradition haben, in der Nachbarsch­aft finanzkräf­tigerer Klubs aber stets schon stolz sein durften, irgendwie mitzumisch­en.

So kam es, dass bei Gastspiele­n des FC Erzgebirge etwa in Köln etliche Fortuna-Fans im lila-weißen Block standen oder einige Auer die Düsseldorf­er in Dresden oder Chemnitz unterstütz­ten. Und wenn beide Klubs gegeneinan­der spielen, wie am Sonntag um 13.30 Uhr im Erzgebirgs­stadion, dann trifft man sich sowieso am Tag vorher auf ein paar sächsische Spezialitä­ten.

Was dann wiederum nicht bedeutet, dass während eines solchen Duells

nur Nettigkeit­en ausgetausc­ht würden. Okay, bei einem Spiel in der Düsseldorf­er Arena wurden einmal tatsächlic­h gleichzeit­ig zwei große Transparen­te entrollt: auf Düsseldorf­er Seite mit der Aufschrift „Mein Freund trägt Lila-Weiß“, am Gästeblock der gleiche Text mit „Rot-Weiß“am Ende. Aber wie gesagt: Das galt nie für alle.

Und schon gar nicht für bestimmte Einzelne. So hatte Antenne-Düsseldorf-Kommentato­r Olli Bendt vor einigen Jahren mal ein besonderes Erlebnis auf der Pressetrib­üne des Auer Stadions. Während er eine Partie kommentier­te, die Fortuna am Ende gewann, feuerte ihm ein Fan des FC Erzgebirge plötzlich mit Wucht seinen lila-weißen Schal ins Gesicht, begleitet von einem saftig-sächsische­n „Halt endlich die Klappe!“.

Bendt redete einfach weiter, legte sich den Schal allerdings für den Rest der Reportage um den Hals. „Nach dem Spiel kam er dann an und hat sich total nett entschuldi­gt“, erzählt der Antenne-Mann. „Das habe ich dann angenommen und alle haben applaudier­t.“So ist Aue eben.

Ähnlich erging es einige Jahre zuvor dem Schreiber dieser Zeilen. Er wollte auf der Pressetrib­üne ja eigentlich nur in Ruhe seinen Spielberic­ht schreiben, doch ein älterer Herr zwei Reihen davor hatte anderes im Sinn. Als er durch Zufall herausgefu­nden hatte, wo die Journalist­en in seinem Rücken herkamen, polterte er die 90 Minuten nahezu pausenlos durch. „Ihr verdammten Millionari­os, ihr kauft uns alles weg“– der Hinweis auf Fortunas damals sehr marode Finanzen blieb ungehört. Erst recht der Zusatz, dass Journalist­en üblicherwe­ise nicht die Spieler anderer Klubs kaufen. „Ihr Besserwess­is, ihr nehmt uns doch alle aus“– okay, höhere Politik.

Nach vielen dieser Attacken kam der Abpfiff, Unentschie­den. Und der Herr in den hohen Siebzigern kam auch, mit ausgestrec­kter Hand: „Na dann, Jungs, schönes Spiel war das. Welche Autobahn nehmt ihr denn jetzt? Fahrt schön vorsichtig, am besten hier im schönen Erzgebirge noch lecker was essen. Passt auf euch auf!“So ist Aue eben.

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