Der Wortspieler
Das Heine-Institut blickt hinter die Arbeit des Multimedia-Künstlers Ferdinand Kriwet, dessen Karriere in Düsseldorf begann.
DÜSSELDORF Heimat bedeutet allen Menschen sehr viel. Für den 2018 verstorbenen Ferdinand Kriwet war seine Geburtsstadt Düsseldorf viele Jahre Heimat, diese Verbundenheit wird in einigen seiner Werke deutlich. Noch viel mehr aber hat Kriwet eine Heimat im Schreiben gesehen. Das zumindest ist der Eindruck, den die Sonderausstellung im Heine-Institut über sein Werk vermittelt. Das Verfassen von Texten, für ihn ein Spiel mit Buchstaben und Worten, hat ihn seit seiner Jugendzeit beschäftigt.
Am Sonntag, 12. September, wird die Ausstellung „Kriwet – ein Dichter aus Düsseldorf“um 15 Uhr im Palais Wittgenstein eröffnet. Bis 9. Januar ist sie im Heine-Institut zu sehen. Sie gibt dem Selbstverständnis Kriwets als Autor Raum, der wollte, dass seine Werke gelesen werden, auch die multimedialen. Im Mittelpunkt stehen seine Düsseldorfer Jahre, in denen seine literarischen Wurzeln liegen. „Von 1960 bis etwa 1975 war seine kreativste Schaffensphase“, sagt Enno Stahl, der die Ausstellung mit Nina Schön kuratiert.
Der Eingang zur Ausstellung widmet sich dem Beginn von Kriwets Karriere. An zwei Wänden stehen die ersten vier Seiten seines Erstlingswerks „Rotor“, das er 1961 mit 19 Jahren bei Dumont veröffentlichte. Der Text hat weder Satzzeichen noch Großbuchstaben und kann – ebenso wie der Titel – von vorn wie von hinten gelesen werden. In einem Schaukasten vor der Textwand liegen erste Entwürfe des Texts aus, inklusive handschriftlicher Notizen.
Wie früh Kriwet sich dem Schreiben und der Poesie verbunden fühlte, zeigen zahlreichen Briefe aus seinem Nachlass, den Bettina Brach verwaltet. Sie hat Stahl zufolge auch einige Archivalien beigesteuert, die zuvor nirgendwo gezeigt wurden. Es sind Briefe an seine Eltern dabei, die Kriwet aus dem Internat in Heidelberg geschrieben hat, aber auch Antworten von Verlagen, Schriftstellern und Herausgebern.
Schon im Jugendalter suchte er den Kontakt zu ihnen, um sich über seine Visionen von Texten und Poesie auszutauschen und Rat einzuholen. Ein Brief zeigt eine begeisterte Reaktion des Dumont-Verlags auf „Rotor“. Andere Verlage lobten zwar seine Experimentierfreudigkeit, wiesen ihn aber ab. Manche Briefe zeigen Antworten von bekannten Autoren wie Paul Celan.
Es sind gerade diese Schriftstücke, aber auch handschriftliche Notizen Kriwets zu seinen Werken, die Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung die Person hinter dem Wortkünstler nahebringen. Die Notizen zeigen, wie minutiös er seine Arbeiten plante und wie er Wörter und Buchstaben als Kern jedes seiner Werke festlegte.
Bekannt wurde Kriwet auch für seine „Rundschreiben“, von denen das Heine-Institut eine Auswahl zeigt. Entgegen seinem Wunsch werden sie häufig eher als Grafik denn als Text betrachtet. Diese Werke, in denen Buchstaben zu mehreren Wörtern verschmelzen, je nachdem, von wo man zu lesen beginnt, bieten viel Raum zur Interpretation, so Stahl: „Kriwet hat für sich begriffen, dass Texte auch Signale sind, unabhängig von ihrem Inhalt.“Deswegen seien Buchstaben und Wörter an sich in seinen Arbeiten wichtiger als deren Bedeutung.
Das zeigt sich auch in seinen Filmen, in denen schnell wechselnde Buchstaben sich zu verschiedenen Wörtern zusammensetzen. Gleichzeitig fangen diese Filme, so Stahl, das Leben und die Atmosphäre der 1960er- und 70er-Jahre ein. „Es ist eine zeittypische Ästhetik darin sichtbar, die Kriwet mit seiner Arbeit mitentwickelt hat.“Er habe diese Zeit mit seiner visuellen Poesie dokumentiert.
Und nicht nur die Zeit in den 60er-und 70er-Jahren an sich, sondern gerade auch Düsseldorf zu dieser Zeit. Das macht die Ausstellung deutlich. Sie setzt den Wort-Künstler Ferdinand Kriwet in Verbindung zu seiner Heimat – sowohl der geografischen als auch der künstlerischen.